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1977

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Neues Testament

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48

Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 1

II

zum Maßslab dessen, was im Text zu stehen hat, z.B. in Rom
3,25 f.: Für O'Neill meint öixaioovvri Oeov die von Gott gutgeheißene
menschliche Gerechtigkeit (nämlich den Glauben
des Menschen); deshalb kann Paulus nicht von Gottes eigener
Gerechtigkeit gesprochen haben, sondern hat gesagt (S. 72):
(25) „whom God set before (men) in blood as means of ex-
piation, to show in this present age the righteousness he re-
quires, (26b) that the man who lives by faith is righteous"'!
Alles andere hat Paulus nicht gesagt. Aus der genannten Interpretation
von Gerechtigkeit Gottes ergibt sich, natürlich
unter der Voraussetzung „that it is reasonable to prefer to
assume that Paul was logical rather than that he was not"
(S. 150), daß er von Prädestination nichts geschrieben haben
kann. Also Streichung von 9,14ff. und 8,28 ff.! DaßPaulus der
Autor von 12,1—15,13 nicht gewesen sein kann, „is hardly
necessary to say" (S. 194); hier genügt der Verweis auf den
traditionellen Charakter des Materials; „there is nothing
here that bears the stamp of his mind: no argument, no logical
chain of connections, no personal address ..." (ebd.). So
einfach ist das alles.

Der Leser ist verblüfft. Hier triumphiert der Subjektivismus
eines Autors; der Exeget wird zum Textgestalter. Extravagante
Ideen, wissenschaftlich gut begründet (z.B. mit
Hilfe der Auslegungsgeschichte des Rom im 2. Jahrhundert!),
vermöchten die Phantasie anderer Exegeten anzuregen und
sie von festgefahrenen Urteilen zu befreien. Extravagante
Ideen, selbstsicher und ohne detaillierte Begründungen in
eir.em allgemeinverständlichen verbreiteten Taschenbuchkommentar
vordem gewöhnlichen Bibelleser ausgeschüttet —
„one thesis of this commentary is that the experts have gra-
vely misunderstood Paul" (S. 13) — wird dessen Zutrauen zu
historisch-kritischer Forschung mit Recht untergraben. Um
es ganz offen zu sagen: Dieser Kommentar ist der größte
philologische Skandal, der mir in den letzten zehn Jahren
begegnet ist.

Göttingen Ulrich Luz

1 London 1966. 1 London =1970.

1 Das Zitat ist nicht ein Stück aus einer Paraphrase, sondern aus
der Ubersetzung von O'Neills „ursprünglichem" Text.

Böhl, Felix: Die Demut ('nwh) als höchste der Tugenden.
Bemerkungen zu Mt 5, 3.5 (BZ 20, 1976 S. 217-223).

Brox, Norbert: .Prophcteia' im ersten Timotheusbrief (BZ
20, 1976 S. 229-232).

Byskov, Martha: Simul Iustus et Peccator. A Note on Romans
vii, 25b. (StTh 30, 1976 S. 75-87).

Elliott, John H.: The Rehabilitation of an Exegetical Step-
Child: 1 Peter in Recent Research (JBL 95, 1976 S. 243 bis
254).

Ford, J. Massyngberde: Money „bags" in the Temple (Mk

11,16) (Bibl 57, 1976 S. 249-253).
Kahlefeld, Heinrich: Orientierung am Evangelium. Lectio

Brevis. Neue Folge. Frankfurt/M.: Knecht [1976]. 212 S. 8°.

Lw. DM 19,80.

Orchard, J. B.: Onee again the Ellipsis between Gal. 2,3 and

2,4 (Bibl 57, 1976 S. 254-255).
Saum, Franz: „Er lebte... von seinem eigenen Einkommen"

(Apg 28, 30) (BZ 20, 1976 S. 226-229).
Senior, Donald: The Death of Jesus and the Resurrection of

the Holy Ones (Mt 27: 51-53) (CBQ XXXVIII, 1976 S. 312

bis 329).

Smith, D. Moody: The Setting and Shape of a Johannine
Narrative Source (JBL 95, 1976 S. 231-241).

Thompson, James W.: The Structure and Purpose of the Ca-
tena in Heb 1: 5-13 (CBQ XXXVIII, 1976 S. 352-363).

Waetjen, Herman C.: The Genealogy as the Key to the Gos-
pel aecording to Matthew (JBL 95, 1976 S. 205-230).

Wuellner, Wilhelm: Paul's Rhetoric Argumentation in Romans
: An Alternative to the Donfried-Kairis Debate over
Romans (CBQ XXXVIII, 1976 S. 330-351).

Zeller, Dieter: Zu einer jüdischen Vorlage von Mt 13, 52 (BZ
20, 1976 S. 223-226).

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Wermelinger, Otto: Rom und Pelagius. Die theologische Position
der römischen Bischöfe im Pelagianischen Streit in
denJahren 411-432. Stuttgart: Hiersemann 1975. XI,340S.
gr. 8° = Päpste und Papsttum in Verb. m. R. Elze, O. Engels
, W. Gessel, R. Manselli, G. Müller, T. Nyberg, W. Ull-
mann, E. Weinzierl, P. Wirth, u. H. Zimmermann hrsg. v.
G. Denzler. 7. Lw. DM 140,-.

Der Pelagianismus in seiner strengeren Form wie in der
späteren Ausformung als Semipelagianismus ist wichtig genug
, um ihm immer wieder die Aufmerksamkeit der patri-
slischen und spätantiken Forschung zu sichern, zumal es in
der Gnadenlehre des Pelagius — wie sich aus der ständigen
Konfrontation mit Augustinus ergibt — nicht nur um
dogmatische Fragen im engeren Sinne, sondern um existentielle
Probleme ging. So erschließt W. mit einer genauen
Analyse des Pelagianismus zwischen 411 und 432 und
insbesondere mit den Stellungnahmen der einzelnen Päpste
zu Pelagius und seinen Anhängern ein wichtiges Terrain,
das zwar nicht ganz unbekannt, aber noch mit einer Reihe
„weißer Flecken" versehen war. Freilich führt der Obertitel,
wenn man es genau nimmt, etwas in die Irre: Stehen doch
die römischen Bischöfe dieser Zeit, durch Sachzwänge und
politisches Räsonnement bestimmt, auf einem dogmatischen
Boden, der nicht völlig ihr eigen, sondern vielmehr durch
die kompromißlose Haltung der Nordafrikaner weithin bestimmt
war. Dementsprechend behandelt W. mit genauer
Dokumentation zunächst auch die Verhandlungen des Cae-
lestius, der als Anhänger des Pelagius gelten muß, in Karthago
, um von den negativen Reaktionen Augustins und seiner
Mitbischöfe auf die pelagianische Lehre in einem zweiten
Teil auf das Konzil von Diospolis zuzukommen, wobei
wichtige Gestalten der damaligen Kirchengeschichtc wie
Hieronymus und Orosius genauer beleuchtet werden. Dabei
ist stets die Sorgfalt W.s anzuerkennen, der sich intensiv mit
quellenkritischen Fragen auseinandersetzt und versucht, ungenügend
erhaltene Dossiers zu rekonstruieren. Übrigens
unternimmmt er es auch stets, die kirchenpolitische Situation
mit der jeweiligen historischen Lage in Beziehung zu
setzen, was in vielen Fällen, jedoch nicht durchweg, gelingt
(S. 198!). Freilich mag es in der Natur der Sache liegen, daß
die so kurvenreiche Geschichte des frühen 5. Jh.s angesichts
der doch begrenzten Themenstellung und der bewußten
Konzentration auf die wichtigsten Quellen zum Pelagianis-
mus-Problem selbst sich auch an bestimmten Brennpunkten

— etwa den Auswirkungen der Ereignisse von 410 oder der
Einstellung der Galla Placidia mit ihrer „streng" orthodoxen
Haltung — oft nur ungenügend niederschlägt. Allein

— dies ist ein weites Feld.

Die übrigen drei Teile beleuchten die Verhandlungen des
afrikanischen Episkopats mit Innozenz von Rom (416/417),
denAbschnitt von der Rehabilitierung des Pelagius undCae-
lestius bis zur dreifachen Verurteilung der Häresie und ihrer
Urheber (417/418) sowie die Interpretation der römischen
Verurteilung durch Gegner und Anhänger der Erbsündenlehre
. Selbstverständlich werden bei diesem Vorgehen auch
die dogmatischen Positionen der jeweiligen Hauptrepräsentanten
(Julian von Aeclanum für, Prosper und Marius Mcr-
cator gegen Pelagius) hinreichend beleuchtet. Dabei fällt auf
Papst Zosimus, der Pelagius und Caelestius zunächst freisprach
, um sie schließlich auf Grund der afrikanischen Gegenvorstellungen
(ohne diesen offenbar ein erhebliches Gewicht
zugestehen zu wollen) doch zu verurteilen, ein etwas
merkwürdiges Licht. Natürlich sind die Päpste bis auf Coe-
lestin hin nicht nur der durch Augustinus damals recht ausschlaggebenden
und besonders in der Erbsündenlehre und
Griadenlehre vorübergehend maßgeblichen afrikanischen
Position gefolgt: Die Leugnung der Erbsünde, der Unge-
schuldetheit der Gnade und der Notwendigkeit des Bittgebetes
dürfte für sie keine so große Rolle gespielt haben wie
für Augustinus. Und sie berücksichtigten die Ansichten auch