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Ausgabe:

1977

Spalte:

625-636

Autor/Hrsg.:

Baumbach, Günther

Titel/Untertitel:

Fragen der modernen jüdischen Jesusforschung an die christliche Theologie 1977

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Theologische Literaturzeitung

Monatsschrift für das gesamte Gebiet der Theologie und Religionswissenschaft

Begründet von Emil Schürer und Adolf von Harnack

Herausgeber: Professor D. Ernst Sommerlath, D. D., Leipzig

in Verbindung mit Professor Dr. habil. Ernst-Heinz Amberg 33523

NUMMER 9

Spalte

t ragen der modernen jüdischen
Jesusforschung an die christliche

Theologie. Von G. Baumbach ... 625
Balzer, F.-M.: Klassengegensätze in

der Kirche (G. Wendelborn) .... 671
Brady, Th. A., s. Oberman, H. A. . . 639
Brügmann, E., s. Vogler. H.-U. ... 697
Büttner, M.: Regiert Gott die Welt?

(J. Hübner)...........666

Castelli, E.: Prospettive sul Sacro (G.

Bertram)............675

Conzelmann, H., u. A. Lindemann: Arbeitsbuch
zum Neuen Testament (N.

Walter) ............653

Corriveau, R.: The Liturgy of Life

(Ch. Haufe) ..........656

Elsas, Ch.: Neuplatonische und gnosti-
sche Weltablehnung in der Schule

Plotins (H.-M. Schenke).....644

Fangmeier, J.: Ernst Wiechert (H.

Urner).............675

Faupel, B.: Die Religionsphilosophie

George Tyrrells (U. Gerber) .... 680
Ford, J. M. Revelation (O. Böcher) . . 654
Gese, H.: Vom Sinai zum Zion (F.

Hesse).............648

Hirsch, E. Ch.: Das Ende aller Gottesbeweise
? (H.-H. Jenssen).....681

Kaiser, O., s. Vögtle, A.......635

Kristeller, P. O., s. Oberman, H. A. . 639
Krüger, H.: ökumenische Bewegung

1973-1974 (J. Althausen)......702

..ku-Praxis" für die Arbeit mit Konfir-

102. JAHRGANG

Spalte

manden. Heft 4 und 5 (G. Kehnscher-
per)..............694

Lessing, E.: Das Problem der Gesellschaft
in der Theologie Karl Barths
und Friedrich Gogartens (T. Vogel) 684

Lindemann, A.. s. Conzelmann, H. . . 658

Mezger, M.: Freude am Wort (F. Winter
) ..............689

Müller-Pozzi, H.: Psychologie des
Glaubens (E.-R. Kiesow).....691

Oberman, H. A., and Th. A. Brady Jr.
[Ed.] : Itinerarium Italicum P. O.
Kristeller on the occasion of his 70th
Birthday (M. Grossmann) .... 639

Ohly, F.: Der Verfluchte und der Erwählte
(G. Holtz)........674

Pesch, R., s. Vögtle, A........635

Ring, Th. G.: Auctoritas bei Tertullian,
Cyprian und Ambrosius (P. M. Bräu-
ning).............662

Ringeling, H., u. H. Ruh [Hrsg.] : Zur
Frage des Schwangerschaftsabbruches
(F. Winter).........680

Ruh, H., s. Ringeling, H.......680

Sborowitz, A.: Individuation und
Glaube (E.-R. Kiesow)......691

Scazzoso, P.: Introduzione alla eccle-
siologia di san Basilio (F. Winkelmann
) .............663

Scheffczyk, L. [Hrsg.] : Grundfragen
der Christologie heute (K. Lüthi) . . 682

Schmitt, R.: Exodus und Passah (H.
Graf Reventlow).........650

Schnackenburg, R., s. Vögtle, A. . . 635

SEPTEMBER 1977

Spalte

Scholl, H.: Reformation und Politik
(J. Rogge)...........665

Schütz, Ch.: Verborgenheit Gottes (P.
Heidrich)............646

Schumann, O. H.: Der Christus der
Muslime (K. Rudolph)......642

Stühmeyer, H., s. Vogler, H.-U. ... 697

Sundermeier, Th.: Wir aber suchten
Gemeinschaft (S. Krügel).....699

Thierfelder, J.: Das Kirchliche Einigungswerk
des württembergischen
Landesbischofs Theophil Wurm (K.
Meier).............668

Tov, E.: The Book of Baruch (G. Delling
) ..............653

[Vögtle, A.] : Jesus und der Menschensohn
. Festschrift A. Vögtle z. 65. Geb.,
hrsg. v. R. Pesch u. R. Schnackenburg
in Zusammenarb. m. O. Kaiser
(G. Haufe)...........635

Vogler, H.-U.: Exemplarische Texte,
hrsg. unter Mitarb. v. E. Brügmann,
H. Stühmeyer u. M. Vogler (K.
Wegenast)...........697

-. M., s. Vogler, H.-U.......697

Weisheit, E.: To the Kid in the Pew
(G. Kretzschmar)........698

Referate über theologische Dissertationen
in Maschinenschrift:

Reichert. D.: Der Weg protestantischer
Liturgik zwischen Orthodoxie und
Aufklärung...........701

Fragen der modernen jüdischen Jesusforschung an die christliche Theologie1

Von Günther Baumbach, Berlin

In den letzten Jahren ist in vielen christlichen Kirchen
die Erkenntnis gewachsen, daß zur Ökumene nicht nur alle
christlichen Kirchen gehören, sondern auch die Juden. Bezeichnend
dafür ist nicht nur der 1968 entstandene „Christlich
-jüdische Verbindungsausschuß" beim ökumenischen
Rat der Kirchen (ÖRK) mit je sechs Vertretern von christlicher
und jüdischer Seite, sondern auch die 1975 erstmals
erfolgte Teilnahme eines Juden (des Rabbiners Arnold Wolf)
auf der Vollversammlung des ÖRK in Nairobi. In diesem
Zusammenhang verdient die von J. P. Boendermaker im
Exekutivkomitee des Lutherischen Weltbundes 1975 abgegebene
Erklärung größte Beachtung: „Wir fassen die Beziehung
zwischen Kirche und Synagoge als ökumenische
Beziehung auf." Ea handelt sich bei ihr „um die erste aller
ökumenischen Beziehungen", die „alle übrigen zwischenkirchlichen
Beziehungen beeinflußt"2. Gerade bei der Erforschung
und Interpretation der Bibel ist es unbedingt notwendig
, den jüdischen Gesprächspartner zu kennen und zu
Worte kommen zu lassen. Leider wissen wir meist viel zuwenig
, was auf diesem Gebiet im jüdischen Bereich geschieht
. Darum soll in diesem Aufsatz versucht werden, im
Blick auf die Jesusfrage eine knappe Darstellung der im
Judentum der Gegenwart vorhandenen wichtigsten Tendenzen
und Thesen zu geben und dabei zu bedenken, vor
Welche Fragen derartige jüdische Forschungsergebnisse uns
als christliche Exegeten und Theologen stellen und was wir
daraus lernen können; denn die Bereitschaft zum Hören ist

ja die Vorbedingung für jede ökumenische Zusammenarbeit
sowie für einen fruchtbaren wissenschaftlichen Meinungsstreit
. Begreiflicherweise sind die heutigen jüdischen
Theologen gegenüber einer Kritik aus dem christlichen Lager
— vor allem wenn sie von deutschsprechenden christlichen
Theologen kommt — außerordentlich sensibel. Die
Erfahrungen, die das jüdische Volk im Lauf seiner Geschichte
mit christlichen Kirchen und quasichristlichen Völkern
gemacht hat, dürfen auch da, wo es schwer fällt oder
unmöglich ist, jüdischen Jesusdarstellungen zu folgen, niemals
vergessen werden. Insofern sollte folgender Satz des
2. Vaticanums aus der Erklärung über die christliche Haltung
gegenüber den Juden immer bedacht und befolgt werden
: „Da also das Christen und Juden gemeinsame geistliche
Erbe so reich ist, will die Heilige Synode die gegenseitige
Kenntnis und Achtung fördern, die vor allem die Frucht
biblischer und theologischer Studien sowie des brüderlichen
Gespräches ist"'. In diesem Sinne möchten auch die folgenden
Ausführungen verstanden werden.

Typisch für die im Judentum in den letzten Jahrzehnten
zu beobachtende Tendenz ist die 1921 von Constantin Brunner
aufgestellte Forderung: „Gebt uns unseren Jesus wieder
"4, wobei dieser Jesus als der jüdischste der Juden gilt.
Insofern begegnet hier zum ersten Mal die in der jüdischen
Jesusforschung der Gegenwart vorherrschende Intention,
Jesus ins Judentum heimzuholen und das auf hellenistische
Einflüsse zurückgeführte Christentum, das in Paulus seinen

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