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Ausgabe:

1977

Spalte:

615-618

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

The mystery of suffering and death 1977

Rezensent:

Jenssen, Hans-Hinrich

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615

Theologisohe Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 8

PRAKTISCHE THEOLOGIE

Taylor, Michael J., S. J. [Ed.]: The Mystery of Suffering and Death.

Staten Island, N.Y.: Alba House [1973]. XI, 203 S. 8°. Lw.
$ 5.95.

Prof. Taylor hat in diesem Buch je sieben Aufsätze zum
Geheimnis des Leidens und zum Geheimnis des Todes von
14 verschiedenen, zumeist katholischen, aber auch evangelischen
Autoren zusammengestellt. Es handelt sich
durchweg um geschlossene Auszüge aus größeren Monographien
oder um den erneuten Abdruck von Zeitschriftenaufsätzen
.

Es ist beachtlich, mit welcher Energie, Intensität und
Konkretheit hier zwei Themenkreise aufgegriffen werden,
die zwar viele Christen und Menschen stark bewegen, deren
Behandlung aber im deutschen evangelischen Sprachbereich
weithin, wenn auch glücklicherweise nicht ausschließlich
, pietistischer Erbauungsliteratur oder den sogenannten
Sekten überlassen wird.

Der Herausgeber sagt am Ende seines Vorwortes über
die Autoren: „Die Verfasser sind im allgemeinen nicht
durch die herkömmliche Behandlung der Frage gehindert.
Sie beachten jedoch die Unzulänglichkeiten früherer Auslegungen
und haben das Problem mit Gründlichkeit abermals
überprüft, indem sie in ihre Überlegungen schöpferische
Einsichten aus der modernen Wissenschaft und aus
zeitgenössischer Philosophie und Psychologie einarbeiten.
Es ist zu hoffen, daß ihre Erläuterungen und Schlußfolgerungen
weiteres Licht auf ein Problem für dieses und jedes
Zeitalter verbreiten werden - das Geheimnis von Leiden
und Sterben" (S.XI). Inhaltlich stehen einige Aufsätze in
erheblicher Spannung zueinander, während andere sich in
jeweils ganz ähnlichen Bahnen bewegen.

Wir beschränken uns auf die schwerpunktmäßige Vorstellung
der uns besonders bemerkenswert erscheinenden
Aufsätze. Die Ausführungen von Chr. F. Mooney, S.J.
über die Stellung Teilhard de Chardins zum Problem des
Leidens (S. 57-70), von R. J. Ochs, S.J. über den „Tod
als Handlung: Eine Interpretation von Karl Rahner"
(S. 119-138) und von Jürgen Moltmann über „Die Auferstehung
als Hoffnung" (S. 175-180) brauchen dem
deutschsprachigen Leser ohnehin nicht vorgestellt zu
werden.

Der methodistische Kirchenhistoriker Albert C. Outler,
USA, führt in seinem 20 Seiten langen Aufsatz „Gottes
Vorsehung und die Angst der Welt" in instruktiver Auseinandersetzung
mit den in der Geschichte des außerchristlichen
und christlichen Denkens aufgetretenen Lösungsversuchen
des Theodizeeproblems (Schwerpunkte sind u. a.
Irenäus und vor allem Augustin) in sehr ansprechender
Weise (abgekürzt gesagt) den Gedanken aus, daß Gott in
der Geschichte des Alten Bundes und in Jesus Christus gezeigt
hat, daß er sich immer neu in Güte und Gnade mitleidend
engagiert, um den Menschen aus dem Verderben,
in das sie durch mißbrauchte Freiheit geraten, herauszuhelfen
.

„Die christliche Hoffnung entsteht aus dem Glauben,
daß die Vorsehung in den Möglichkeiten und Kräften (Potenzen
) in dieser Schöpfung für den Triumph von Gottes
guten Absichten in der höchsten Verwirklichung menschlicher
Seligkeit ausreichend ist. In diesem Sinne, was Gott
schuf und fortfährt zu schaffen ist gut. . . . Und wenn sich
die Frage erhebt, ob Gott gerecht oder weise war, als er
uns frei erschuf, wenn frei zu sein uns elend machen würde,
dann stehen wir an der Schwelle der biblischen Einsicht,
daß Gottes .Gerechtigkeit' nicht so sehr eine Sache dessen
ist, daß er das Gesetz durchsetzen als daß er auf unserer
Freiheit bestehen wollte - und daß er uns selbst in unseren
Verstößen gegen das Gesetz allein durch Gnade, d. h. freimütig
und aus Liebe, wiedergewinnen wollte" (S. 19).

Bezeichnend für Outlers „Theologie des Kreuzes" ist
u. E. folgender Passus: „Hier ist er in unserem Leben -

wirkend, leidend (erduldend), liebend, die Schändlichkeiten
unserer Empörung und Sünde, die wir begehen, ertragend
- nicht weil er schwach, sondern weil er liebend ist,
nicht weil er unsere Unterstützung braucht, um ihm zum
Siege zu verhelfen, sondern weil unser Leben ein Klima
göttlichen Mitleids braucht, um zu seiner Blüte und Frucht
zu kommen" (S.20).

„Der Grund für unseren Glauben, daß der Kampf unser
Bestes wert ist, liegt nicht darin, daß Gott darüber steht
und die Geschosse erwählt, sondern daß er in ihm steht
und an den Schlägen teilhat - und daß er ihn gewinnen
wird für uns Menschen und für unsere Seligkeit" (S.21).

„Der Geist des christlichen Glaubens ist die Erfahrung,
im Leben, daß das Böse, sowohl körperlieh als auch moralisch
, schlecht ist (und daher vermieden und bekämpft
werden muß); daß aber das Böse nicht unbesiegbar ist,
und daß wir seinen Anspruch zurückweisen können, das
letzte Wort in unserem und anderer Leben zu haben"
(S. 22). „Es ist unsere christliche Berufung, gegen all die
Übel und Leiden, welche die Menschheit quälen, zu kämpfen
, sowie gegen ihre menschlichen Ursachen und Herausforderungen
" (S.22).

Prof. John Hick, Birmingham in England, gibt in recht
ansprechender Weise zu bedenken, daß „eine Welt ohne
Leiden" (S. 25-29) nicht „der göttlichen Absicht der .Seelenbildung
' dienen würde" (S. 26). Die meisten wertvollen
ethischen Eigenschaften, nicht zuletzt aufopferungsvolle,
hingabebereite Liebe, können sich nur im Gegenüber zu
Sünde, Not und Leid aller Art entwickeln und bewähren.

Prof. J. L. McKenzie, Chicago, geht in dem Aufstaz „Des
Menschen Sohn muß leiden" (S. 31-44) den vielfältigen
Formen des Leidens in Jesu Leben nach, wobei er darauf
dringt, daß wir nicht nur das Leiden im Rahmen der Passionsgeschichte
im engeren Sinne im Blick haben dürften.
„Wir haben weniger Gewicht gelegt auf die großen und
tragischen Leiden im Leben Jesu, sondern mehr auf das
Alltägliche in seinem Leiden. Gerade im Alltäglichen mehr
als im Großen und Tragischen sind wir uns seiner Gemeinsamkeit
mit uns bewußt. In seinem Leiden erkennen wir
das Thema des Evangeliums, daß Leiden ein Teil der Herrschaft
von Sünde und Tod ist; es ist böse, nicht gut. und
das Innerste des Geheimnisses unserer Erlösung ist, daß
wir durch etwas, was von Sünde und Tod umschlossen ist,
erlöst werden. Das Evangelium fordert uns nicht auf, das
Leiden zu rühmen oder zu versichern, daß es eine Güte
habe, was es nicht hat. Leiden ist Teil der menschlichen
Lage, jener Lage, die in biblischer Sprache Fluch heißt"
(S. 43). Als praktische Schlußfolgerung ergibt sich: „Der
Christ kann mit dem Leiden etwas tun, was er mit der
Sünde nicht tun kann, und das ist, daß er sie von den anderen
auf sich selbst nehmen kann. Dies ist es, von dem
wir glauben, daß Jesus selbst es tat, und wir glauben, daß
er uns ermächtigte, es zu tun. Tatsächlich bietet er keine
andere Lösung für das Problem des Leidens in der Welt...
Man weiß, daß die meisten Pläne für ein besseres Leben
und eine bessere Welt vorgeschlagen werden, ohne daß
dem für andere erduldeten Leiden größere Aufmerksamkeit
geschenkt wird. Sie verfahren, als ob menschliches
Leiden keine Verbindung mit menschlicher Sünde hätte,
als ob wir uns gegen das Leid bewegen könnten, ohne so
tief in dasselbe verwickelt zu werden, wie Jesus war, und
aus diesem Grunde hat man Vorbehalte betreffs ihres Erfolges
. Wenn die Evangelien in Bezug auf diese Frage
gründlich und nachdenklich gelesen werden, scheinen sie
die praktisch verwendbarsten Urkunden zu sein, die wir
besitzen" (S.44).

J.Blenkinsopp, der an einer Universität des USA-Bundesstaates
Indiana lehrt, gibt in seinem Aufsatz „Wir rühmen
uns unserer Leiden" (S. 45-55) nach einem kurzen
Überblick über die Problementwicklung im Alten Testament
vor allem eine durch den Rückgriff auf weitere neu-
testamentliche Stellen erhellend angereicherte Exegese
von Rom 5,3-4.