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Ausgabe:

1977

Spalte:

612-614

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Amougou-Atangana, Jean

Titel/Untertitel:

Ein Sakrament des Geistempfangs? 1977

Rezensent:

Jacob, Friedrich

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Theologisohe Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 8

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sondern geradewegs aus dem Herzen. Es ist der Schrei
Iiiobs . . ." (S. 143/144). „Glaube und Unglaube sind beide
Möglichkeiten des Herzens wie der Vernunft" (S. 144).

Das Gespräch zwischen Glaube und Unglaube „kann
sich aber auch nicht auf fruchtbare Weise vollziehen, wenn
es auf der Ebene einer Diskussion über das Dasein Gottes
an sich geführt wird" (S.144). „Das Gespräch wird nur
dann konkret, wenn der Mensch sich selbst mit einbezieht."
„Denn Glaube und Unglaube sind nicht zufällige Beigaben
zum Menschsein wie die Haarfarbe und die Zahnstellung,
sondern sie sind die entscheidenden Formen der Selbstauslegung
des Menschen. Glaube und Unglaube sind Grundweisen
des Menschseins, mit denen eine Antwort auf die
Urfrage gegeben wird: ,Was ist der Mensch ?' Die Frage:
,Was ist der Mensch?' ist unabtrennbar von der Frage,
was es um Glaube oder Unglaube ist; denn der Mensch bestimmt
sich auch nach seinem Woher und seinem Wohin.
So ist der Mensch ein anderer, wenn er von Gott herkommt
und auf ihn zugeht, als wenn er aus sich selbst ist.
Glaube und Unglaube reden aneinander vorbei, wenn sie
zuerst von Gott sprechen. Aber sie begegnen sich in der
Frage nach dem Menschen" (S. 145).

Neuenschwander greift nun drei Selbstauslegungen des
Menschen heraus, die heute „als die entscheidenden Gesprächspartner
erscheinen".

„In dreierlei Weise kann sich der Mensch selbst verstehen
: Als beliebige Existenz, als geforderte Existenz oder
als verdankte Existenz. Diese drei Existenzauslegungen
schließen einander nicht schlechthin aus; auch eine verdankte
Existenz kann gefordert werden. Entscheidend ist
die Rangordnung. Alles hängt davon ab, welche Bestimmung
in der Mitte steht, so daß sich das andere danach
auszurichten hat" (S. 146).

„Mit Glauben bezeichnen wir die Lebensform, die sich
primär als verdankte Existenz versteht. Als solche befindet
sich der Glaube in verantwortender Rede seinen Partnern
gegenüber, die sich als geforderte und als beliebige
Existenz auslegen, alle drei gleichermaßen ausgerüstet mit
der leidenschaftlichen Kraft des Herzens und der nüchternen
Schärfe des Denkens" (S. 146).

Die dann bei Neuenschwander folgenden, überaus anregenden
Analysen dieser drei Selbstauslegungen können
hier nicht referiert werden. Es sei nur abgekürzt bemerkt,
daß das Stichwort „beliebige Existenz" das Selbstverständnis
eines atheistischen Nihilismus charakterisiert,
der „ein Leben ohne Engagement" führt (S. 147), im Gegensatz
zu den beiden anderen Selbstverständnissen. „Geforderte
Existenz ist engagierte Existenz" (S. 150) und ein
Gleiches gilt von der verdankten Existenz. „Das Engagement
verbindet diese beiden Weisen Mensch zu sein. Der
Abstand zur beliebigen Existenz ist deutlich" (S. 152).

„Die beiden für unser Gespräch wichtigsten" Formen
geforderter Existenz „sind die gesetzliche Frömmigkeit
und der atheistische engagierte Humanismus" (S. 150).
Obwohl die geforderte Existenz in der Philosophie Kants
um Autonomie ringt, pflegt sie doch häufig, „in einer entweder
religiösen oder soziologischen Heteronomic zu enden
" (S.153).

Für die verdankte Existenz des Glaubens sind drei
Grundeinstellungen wesentlich: „Ich erfahre mich als geschenkt
; ich erfahre mich als bejaht und angenommen;
ich antworte mit dem Ja zum Sein" (S. 155).

Mit rationalen Argumenten ist nach Neuenschwander
keine letzte Entscheidung zwischen diesen unterschiedlichen
Formen menschlichen Selbstverständnisses zu erzwingen
.

„Viel hängt davon ab, ob die Menschen, die aus der
Haltung des Glaubens heraus leben und sich als verdankte
Existenz verstehen, das Menschsein überzeugender und
anziehender zu verwirklichen vermögen als diejenigen, die
sich als beliebige oder geforderte Existenz auslegen. An
ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Führt der Glaube
dazu, daß die Menschen befreiter, liebender, heiterer werden
? Baut er eine menschlichere Gesellschaft auf? Glückt
ihm da, wo der Beliebige versinkt und der Gesetzliche
scheitert, das echte Menschsein? Das Ende des Weges
wird zeigen, welche der eingeschlagenen Richtungen dem
Ziels näher geführt hat" (S. 158).

Sieher möchte man mit Neuenschwander über manche
seiner Thesen - auch einige hier nicht vorgeführte - sogleich
in ein Gespräch eintreten, insbesondere das letzte
Zitat fordert m. E. einige kritische und einschränkende
Bemerkungen seitens der Praktischen Theologie heraus,
weil eine solche, heute ja häufiger vertretene, Konzeption
die große Gefahr einer Neurotisierung der Christenheit
heraufbeschwört. Aber das näher auszuführen, überschritte
den Rahmen einer Besprechung. Es soll hier daher
nur abschließend konstatiert werden, daß Neuenschwander
u. E. mit dem kleinen Schlußkapitel eine anregende
und beachtliche Weiterführung seiner großen monographischen
Analyse „Glaube. Eine Besinnung über Wesen und
Begriff des Glaubens", 1957, gelungen ist. Die Auseinandersetzung
mit den Denkern des Glaubens, zu der uns
Neuenschwander durch seine beiden gediegenen Taschenbücher
anregt, wird für keinen Leser ohne Gewinn bleiben.

Merlin I Hms-Il im ich .Ithshimi

Amougou-Atangana, Jean: Ein Sakrament des Geistempfang§?

Zum Verhältnis von Taufe und Firmung. Freiburg - Basel -
Wien: Herder [1974]. 328 S. 8° = Ökumenische Forschungen,
hrsg. v. H. Küng u. J. Moltmann unter Mitarb. v. E. Jüngel u.
VV. Kasper. III. Sakramentologische Abtlg., I.

Man muß dem Vf. für seine Arbeit zum Problem der
Firmung dankbar sein. Von spezifisch katholischen Fragestellungen
ausgehend, hat er ein Buch vorgelegt, aus der
auch der an der innerkatholischen Diskussion um die Firmung
als Sakrament nicht beteiligte evangelische Leser
wichtige Anregungen empfängt. Amougou-Atangana beruft
sich für seine Methode auf seinen Lehrer H.Küng, bei
dem er gelernt hat, „kritisch, aber unbeirrt zum Nutzen
der Kirche zu schreiben und gerade in der Aufarbeitung
katholischer Fragestellungen einen Beitrag zum Gespräch
zwischen den Konfessionen zu liefern" (13).

Die Arbeit beginnt mit einer Darstellung der offiziellen
katholischen Lehre von der Firmung. In einem ersten Kapitel
wird der Konsens dargestellt, wie er uns heute in der
Liturgie, den Entscheidungen der Konzilien von Florenz,
Trient und des zweiten Vatikanums, sowie in der Schul-
dogmatik und den Katechismen entgegentritt. Er beinhaltet
, daß die Firmung als „wahres und eigentliches Sakrament
" (26) gilt. Seine Gabe ist die Geistesfülle (27). Die
Firmung prägt ein „unauslöschliches Merkmal" ein (29).
Ihr ordentlicher Spender ist der Bischof (30). Sie ist zwar
nicht heilsnotwendig, ihr Empfang ist aber eine „schwere
Verpflichtung" (31). Als äußeres Zeichen gilt in der Regel
Handauflegung und Salbung.

Das zweite Kapitel stellt demgegenüber den „Dissens in
der offiziellen Lehre und Theologie der Firmung" heraus
(37). Ihr Verhältnis zur Taufe ist unklar. Unklarheiten
gibt es aber auch beim Problem der Sakramentalität der
Firmung, da sowohl ihre Einsetzung durch Christus als
auch die durch sie vermittelte spezielle Gnade umstritten
ist. Unklar ist auch das äußere Zeichen -Handauflegung
oder Salbung oder beides - sowie die Rolle des Bischofs.
Besonders kritisch aber ist die Frage nach der besonderen
Wirkung der Firmung: Vermittelt sie tatsächlich den Heiligen
Geist oder gibt sie nur den Geist in einer bestimmten
Form, etwa als Vollmacht zur Sendung in der Welt?

Nach diesen beiden, den ersten Teil des Buches bildenden
Kapiteln, versucht der Vf. in einem zweiten Teil, die
Ergebnisse der neutestamentliehen Exegese zum Problem
der Firmung zusammenzufassen. Zwei Gesichtspunkte
sind ihm dabei wichtig: 1. Im NT sind Geistempfang und
Wassertaufe fest miteinander verbunden. 2. Alle Beleg-