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Ausgabe:

1977

Spalte:

605-606

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Ende, Horst

Titel/Untertitel:

Dorfkirchen in Mecklenburg 1977

Rezensent:

Holtz, Gottfried

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Seite 1

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605

Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 8

606

gotz und Dcdolow, den einmaligen spätbarocken Rundbau
von Eiche im Innern (der Turm wurde, ehrlich gesagt, verstümmelt
), die einzigartige hängende schmiedeeiserne
Taufschale in Falkenrehde, Kleinmachnow vom Ende des
Reformationsjahrhunderts wenigstens in farbiger Außenansicht
, Friedersdorf bei Doberlug mit dem romanischen
Taufstein am ursprünglichen Platz in der Mitte des Kirchenschiffs
(vgl. Mertens a. a. 0. S. 145f.), den Innenraum
des barocken Achteckbaus von Golzow (schön wäre eine
Außenansicht und die etwa gleichzeitige Saalkirche im
benachbarten Reckahn als Vergleich, siehe S. 22), die pa-
tronatsherrschaftlich geprägte Kirche in Ketzür, den typisch
sächsisch-lutherischen Altaraufsatz in Lauta-Dorf
(leider keine Außenansicht mit dem freistehenden hölzernen
Glockenturm), die Kirche in Lindena als seltenen Fall
einer zisterziensisch bestimmten dörflichen Basilika, Lu-
gau mit dem für eine brandenburgische Dorfkirehe einmaligen
paarigen gotischen Turmabschluß, Marxwalde als
Schinkels ausgewogensten Dorfkirchenraum. Paretz ist
mit der „Apotheose" der Königin Luise vertreten, jedoch
nicht mit einer Außenansicht dieses frühesten neugotischen
Kirchonumbaus auf dem Land (1797). Bei Roskow
ist die achteckige Vierung durch einen Baum verdeckt.
Von Walddrehna sieht man den ungewöhnlichen „zweibeinigen
" gotischen Turm (so der Volksmund). Bei Werben
wäre eine Ansicht des zinnenbekrönten gotischen
Turms als Beispiel für derartige Gestaltungen in der Niederlausitz
wichtig gewesen. Bei dem trefflichen Kanzelaltar
in Zemitz ist das Abendmahlsbild, in das die Kanzel
hineinragt, fast schwarz.

Vermißt werden folgende Beispich-, auf die teilweise der
Text Wert legt: eine „WüsteKirche" (Drehna), Tüchen als
älteste Fachwerkkirche, Rottstock bei Brück mit noch
erhaltener gotischer Turmhaube, Lindenberg bei Beeskow
als ältester evangelischer Zentral bau (1667/69), ein Betsaal
(Hohenhofen oder Freienhufen), Kirchen Schinkels und
des späteren 19. Jahrhunderts, die sich am Mittelalter
orientieren.

Ungeachtet der kritischen Anmerkungen bleibt das Verdienst
der Verfasser bestehen, eine nicht leichte Aufgabe
in guter gegenseitiger Abstimmung so gelöst zu haben, daß
jedermann ein zutreffendes Gesamtbild von den Dorfkirchen
in Brandenburg erhält und in ihnen Denkmale der
Geschichte, handwerklicher Tüchtigkeit, künstlerischen
Sinnes und nicht zuletzt der Wege Gottes mit seiner Gemeinde
durch die Jahrhundert e erkennt.

Leipzig Hartmut Mai

Ende, Horst: Dorfkirchen in Mecklenburg. Mit einem Geleitwort
von Landesbischof em. D. Dr. N. Beste. Berlin: Evang. Verlagsanstalt
[1975]. 151 S. m. zahlr. Abb. i. Text und auf Taf. z.T.
färb., 1 Falttaf. 4°. Lw. M 29,50.

Das Buch hat einen geschichtlichen Einführungsteil von
erfreulichem Umfang (27 Seiten), der für den, der zu einem
vertieften Verständnis der mecklenburgischen Dorfkirchen
vordringen will, unentbehrlich ist. Er ist fachkundig
Ur>d in gutem Stil geschrieben und lohnt das Studium in
jeder Hinsicht. Wir werden durch die Geschichtsepochen
geführt und erhalten gute Informationen über Baumaterial,
filiformen, Ausstattung der Innenräume, vom Altar angefangen
bis zur Hand- und Gewölbemalerei, zur Glocke
Und zum Friedhof. Da Mecklenburg reich ist an alten Dorf-
kirchen und da der Backstein im Jahrhundert der agrarischen
Besiedlung und noch länger danach im Lande selbst
nicht gebrannt wurde, „verarbeitete man zwangsläufig die
jast überall reichlich vorhandenen Feldsteine und Findige
". Damit steht schwerlich die Bemerkung im Ein-
*lang: »Jn Mecklenburg ist das typische Baumaterial der
gebrannte Ziegel" (beide Zitate auf S. 11). Das ist vom
städtischen und klösterlichen Kirchenbau und seinen Einflußzonen
her geurteilt, in einem Buch über mecklenburgische
Dorfkirchen aber unzutreffend.

Der ausgezeichnete Bildteil enthält 16 Bunttafeln, dazu
eine weitere auf dem Schutzumschlag. Wie immer in Büchern
, die keine Inventarc sind und eine breite Leserschaft
erreichen wollen, ist die Auswahl schwer. Der Vf. und seine
Bildhelfer hatten eine glückliche Hand. Der Beschauer
wird von dem Gebotenen bleibende Eindrücke empfangen
können, wenn er das richtige Augenmaß für Dorffcirchen-
kunst hat. Mecklenburg hat auch in Details Gutes zu bieten
- wir nennen als Beispiel Mauerkreuz und Giebelrosette
in Hornstorf bei Wismar. Daß die Kapellen von
Diekhof und Reetz fehlen, halten wir für einen Mangel,
beide sind von einmaligem Wert. Im Textteil wäre ein
Hinweis darauf wertvoll gewesen, daß im Lande beim
Bauernlegen im 17./18.Jh. etwa hundert kleine Gotteshäuser
untergegangen sind. Vielleicht hätte auch das Bild
einer Kirchenruine aus derselben Zeit auf freiem Felde
Interesse gefunden. Die Einordnung der Bilder bleibt, wie
auch in andern Fällen, problematisch. Naturgemäß folgt
sie im großen und ganzen dem geschichtlichen Verlauf.
Daneben ist der Vf. bestrebt, Ausstattungsstücke in Zusammenstellung
mit dem Kirchenbild wiederzugeben. Der
verständliche und wohl zweckmäßige Kompromiß ersetzt
nicht eine Monographie, ist aber zusammen mit dem kleinen
Text im kunsthistorischen Anhang ein gewisser Ersatz
.

Die Urteile des Vfs. in ungenügend geklärten Einzelfragen
sind zurückhaltend. Kritische gesellschaftsgeschichtliche
Urteile fehlen. Prunkvolle Patronatsemporen in aufdringlicher
Nähe des Altars und mit gesondertem Aufgang
zur Vermeidung jeder Berührung mit dem „Volk" - man
sehe aufmerksam die Bunttafel S.110 von Kittendorf an
- stellen vor noch unbewältigte denkmalpflegerische und
liturgische Probleme.

Die Qualität besonders des Bildteils, aber auch des ganzen
Buches verdient uneingeschränktes Lob. Die erste Auflage
war in kurzen Wochen vergriffen.

Dankenswert ist auch der vierseitige kirchengeschicht-
liehe Anhang mit seinen Daten zu den abgebildeten Kirchen
und mit seinen zwei wiedergegebenen Grundrissen.

Zur Charakteristik eines solchen Buches gehört heute,
daß über einigen Sätzen ein Hauch von Schwermut liegt.
Trotz aller Anstrengungen der Kirchengemeinden wird es
nicht möglich sein, alle Kirchen in gutem baulichem Zustand
zu erhalten. Die Umgestaltung der Agrarlandschaft
durch den Übergang zu bäuerlichen komplexen Groß-
genossenschaften und die Setzung neuer Schwerpunkte im
Siedlungsbild der Zukunft läßt erwarten, daß gewisse Kirchen
vereinsamt werden. Wir sind in Einzelfällen schon
seit dem 17. Jh. daran gewöhnt. Der Vf. urteilt richtig:
„Die Dorfkirche hat nur dort Bestand, wo sie zu einer
lebendigen Gemeinde gehört , die sich mit ihr verbunden
fühlt" (11). Im Anschluß daran wird der Kirche der Zukunft
ein guter Rat gegeben: Sie sollte wertvolle kirchliche
Baudenkmäler in der Nähe der großen Erholungsgebiete
zu Stätten kirchenmusikalischer Darbietungen,
Ausstellungen, Gesprächsabenden, ökumenischen Begegnungen
werden lassen. Das wäre hierzulande, z. B. bei der
so kunst- und kulturgeschichtlich wertvollen Kirche von
Basedow mit ihrer großartigen, aber vernachlässigten
Barockorgel, reiflichst zu überlegen. In der entzückenden
Kapelle von Diekhof wären in der Urlaubszeit kirchenmusikalische
Kammerkonzerte anzubieten.

Rostock Gottfried Boltl