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Ausgabe:

1977

Spalte:

587-589

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Livres VI et X 1977

Rezensent:

Wendelborn, Gert

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587

Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 8

588

als Parallele registriert, nicht aber, weil die Wortparallele
nicht als solche anerkannt würde.

Solche und andere Schwierigkeiten und Grenzen können
aber den Dank nicht mindern, der für die Erstellung
dieses Arbeitsmittels zu sagen ist. Wie hilfreich und wichtig
dieses Instrument ist, wird bei zunehmender Benutzung
immer spürbarer. Über die Arbeitshilfe hinaus ist damit
zugleich eine wesentliche Vorarbeit für künftige diffe-
renzierendere Gesamtkonkordanzen geleistet.

Zeitz WolfganK Schenk

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Origene: Commentaire sur Saint Jean I—III. Texte Grec, Avant-
Propos, Traduction et Notes par C. Blanc. Paris: Les Editions
du Cerf 1966/70/75. 414 S., 585 S., 306 S. 8° = Sources Chre-
tiennes, dir. par C. Mondesert, 120, 157, 222.

Die äußerlich unscheinbare Taschenbuchreihe der Sources
Chretiennes, die seit 1942 erscheint und nun schon weit
über 200 Bände umfaßt, ist sehr verdienstvoll, denn sie erschließt
einem weiteren französischen Interessentenkreis
sämtliche bedeutenden patristischen und daneben viele
scholastische und mystische Werke des Mittelalters. Die
Herausgabe des Johannes-Kommentars des Origenes betreibt
seit 1966 mit Akribie und wiss. Prägnanz Cecile
Blanc. Nebeneinander sind der griechische Urtext und die
französische Übersetzung abgedruckt, denen als Fußnoten
und im Anhang wenige, aber instruktive Sacherläuterungen
beigegeben sind. Jedem Band ist eine Einführung
vorangestellt, die in Bd. II nicht weniger als 100 Seiten
umfaßt, in Bd. III indes wesentlich kürzer gehalten ist.
Bd. I bringt die Bücher I-V des Kommentars, Bd. II
Bücher VI und X, Bd. III Buch XIII. Der Leser lernt
hier die Interpretation der Kap. 1,2 und 4 des JohEv
durch Origenes kennen. Frau Blanc konnte auf schwierige
textkritische Erwägungen verzichten und sich im wesentlichen
auf die deutsche Ausgabe Erwin Preuschens aus
dem Jahre 1903 stützen. Ihre Varianten gegenüber Preuschens
Edition, in Bd. II und III sämtlich aufgeführt,
sind im Vergleich mit dem Umfang des Kommentars nicht
zahlreich.

Die Herausgeber in, die inzwischen u. a. auch durch ihre
Monographie „Le bapteme d'apres Origene "(Berlin 1972)
hervortrat, macht in ihren Vorworten auch biographische
Angaben, konzentriert sich jedoch mit Recht auf die von
Origenes auf exegetischem Weg veranschaulichten theologischen
Erkenntnisse. Sie bringt deren Eigenart dem Leser
nahe, indem sie sie mit den Auffassungen früherer pa-
tristischer Theologen, aber auch mit der alttestamentlich-
jüdischen (Philo!) sowie der griechisch-hellenistischen philosophischen
Tradition vergleicht. Sie verdeutlicht die
theologischen Intentionen des Origenes nicht zuletzt an
Hand seiner den ganzen Joh-Kommentar durchziehenden
Auseinandersetzung mit dem christlichen Gnostiker Hera-
kleon, einem Schüler Valentins, dessen exegetische Werke
uns direkt nicht erhalten sind.

Das JohEv mit seiner hintergründigen Tiefsinnigkeit
mußte Origenes' Aufmerksamkeit in hohem Maße erregen,
und es verwundert nicht, daß schon seine Interpretation
des Prologs sehr ausführlich geriet. Beeindruckend sind
auch für den heutigen Leser der exegetische Scharfsinn,
die Präzision, die Weite des Blickfeldes beim Vergleich
des JohEv mit alttestamentlichen Aussagen und den Synoptikern
und die geistliche Kraft der Auslegung. Unübersehbar
ist trotzdem der Abstand dieser Exegese, die mit
ihrem Streben nach „geistlicher" Interpretation die exegetische
Tradition bis zum Ende des MA prägen half, zur
historisch-kritischen Interpretation der Neuzeit. Gerade
wenn man dieses Meisterwerk alexandrinischer Schriftdeutung
in seiner Eigenart versteht und bewundert, kann

man zugleich recht ermessen, was wir der historisch-kritischen
Forschung seit der Aufklärung verdanken, und zwar
für die Erhebung des theologischen Inhalts des Wortes
Gottes. Angesichts mancher Bestrebungen, vor den Hürden
und Schwierigkeiten dieses Weges in eine angeblich
direktere Erfassung der Schriftwahrheit zu flüchten,
scheint mir diese Feststellung unumgänglich.

Der antignostischen Tendenz des Origenes entspricht
sein Bestreben, die Einheit von AT und NT aufzuweisen.
Trotzdem stellt er die beiden Testamente nicht auf dieselbe
Stufe, sondern sieht im äußeren Wortbestand
(„Buchstaben") des AT erst die partielle Verwirklichung
dessen, was im NT als Ansage der Offenbarung Gottes in
Christus seine volle Realisierung erfuhr, freilich nicht im
Sinne eines einfachen Ans-Ziel-gekommen-Seins, sondern
so, daß der Glaube sich zugleich auf seine eschatologische
Erfüllung im Schauen „von Angesicht zu Angesicht" ausrichtet
. Indes, so gewiß nach Origenes die Patriarchen und
Propheten selbst glaubten, was sie verkündigten, drückten
sie ihre heilsgeschichtliche Erwartung doch weithin in Bildern
und „Figuren" aus, wie diese auch noch im NT zahlreich
zu finden sind. Es ist instruktiv, an der Auslegung
des großen Alexandriners mitzuerleben, wie das äußere
Geschehen sowie Namen, Zeit- und Ortsangaben sich in
ein Geflecht heilsgeschichtlich aufzulösender Vergleiche
und Hinweise verwandeln. Freilich deutet sich bereits bei
Origenes an, daß dieses „geistliche" Verständnis nicht nur
oft von der konkreten Aussage der Perikope wegführt, sondern
auch zu einer gewissen Monotonie verleitet, die bei
zweit- und drittrangigen Epigonen später lähmend wirkte.
Für Origenes und viele seiner Zeitgenossen war dieses Verfahren
angesichts hellsichtig wahrgenommener Widersprüche
etwa zwischen den einzelnen Evangelien der einzige
Weg, die Wahrheit der Schrift als Wahrheit des göttlichen
Offenbarers und Erlösers zweifelsfrei zu behaupten.

Können wir diesem Weg auch meist nicht mehr folgen,
so ist uns doch wie jenen Meistern „mystischer" Schriftbetrachtung
aufgegeben, über den historischen Zufälligkeiten
mancher Texte das Grundanliegcn des Evangeliums
nicht zu vergessen. Und es ist nicht zu verkennen, daß die
Botschaft vom schlechthinnigen Angewiesensein des Menschen
auf Gottes Gnade in Christus, dem Opferlamm, bei
Origenes deutlichen Ausdruck findet. Die gute Nachricht
von dem sich um unseretwillen erniedrigenden Gottessohn
, die gerade für die Demütigen und am Rande Stehenden
(Samariterin!) befreiend ist, kommt nicht zu kurz,
wird aber auch nicht verabsolutiert. Die Betrachtungen
des Origenes über das Verhältnis von Vater und Sohn, die
die Unterordnung des Sohnes unter den Vater ebenso hervorheben
wie die volle Willenseinung beider, riefen damals
viel Kritik hervor, werden aber heute manchen Glaubenden
hilfreicher sein als innertrinitarische Spekulationen.
Aufmerksamkeit verdienen in der Gegenwart ebenso die
rationalen und pädagogischen Akzente der Ausführungen
des Kirchenvaters. Für ihn ist der Logos Wort und Vernunft
in einem, die göttliche Weisheit als Person und also
Inbegriff alles wirklich Vernünftigen in der Welt, das in
ihm zu seiner Erfüllung gelangt. Gottes Wort wendet sich
mithin an das dem Menschen eingeborene Erkenntnisvermögen
, das durch den Sündenfall nicht einfach abhanden
kam. Christus ist das Licht der Menschen, indem er ihnen
wahre Erkenntnis schenkt. Diese Erkenntnis aber ist weder
abstrakt noch spekulativ, sondern auf die menschliche
Existenz bezogen, indem sie diese zu einer sinnvollen
macht. Origenes betont die Freiheit der menschlichen Natur
. Bei ihm ist die Unfähigkeit des sündigen Menschen,
aus eigener Kraft Gottes Wort anzunehmen, dialektisch
mit seiner Freiheit als Ausdruck seiner beispiellosen Würde
verbunden, da nur die Freiheit der vernünftigen Natur
Gottes würdig sei, der auf keinen Fall als Tyrann recht
verstanden werde. Der Mensch ist für sein Tun verantwortlich
, und gerade wo Christus durch den 111. Geist im
Glauben beim Menschen ans Ziel gelangt, macht er ihn