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Ausgabe:

1977

Spalte:

35-39

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Stanton, Graham

Titel/Untertitel:

Jesus of Nazareth in New Testament preaching 1977

Rezensent:

Strobel, August

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Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 1

■Mi

tere auf Ostern vorausweist (9,9), so ist auch für das Jüngerbild
die Auferstehung der Schnittpunkt zweier Epochen.
Dies besagt nicht, daß die nachösterliche Existenz der Jünger
eine undialektische ist, wohl aber ist sie eine andere als
die vorösterliche: das auf das Christusgeschehen antwortende
Jüngerunverständnis und -mißverständnis ist primär zur
Jüngeranfechtung geworden (zu S. 177).

Aus dem Zusammenklang von Gottessohn- und Men-
schensohn-Christologie ergibt sich das Problem, ob nach 16,8
eine christologische Fortsetzung zu vermuten ist (S. 163). Die
Untersuchung geht den Einzelfragen nach, ob der Vers 16,8
ein geschlossener Satz ist, ob er den Abschluß der Perikope
10,1—8 und darüber hinaus den Schluß des Markus-Evangeliums
insgesamt darstellen könne (ebd.), führt jedoch trotz
sorgfältiger Analyse und trotz der bejahenden Beantwortung
der ersten beiden Fragen nicht zu einem eindeutigen
Ergebnis. Ein gesichertes negatives Ergebnis ist freilich um
so weniger zu erwarten, als aus der Möglichkeit natürlich
noch nicht die Tatsächlichkeit folgt und Vf. zugestehen muß,
daß 16,8 an eine galiläische Christophanie denken läßt (S.
168 f.). Die Bestreiter der These, daß Markus eine Auferste-
hungserscheinung in Galiläa als Abschluß seines Evangeliums
intendierte, stehen u.a. vor der schwierigen Aufgabe,
die auffallende Verbindung von Galiläa-Voraussage (in den
redaktionellen Versen 14,28 und 16,7) mit der Person des Petrus
eliminieren zu müssen; so demonstriert es der Vf. beispielhaft
, wenn er S. 25 Anm. 57 noch die Möglichkeit von
markinischen Glossen in 14,28 und 16,7 zugestanden hatte,
dagegen auf S. 168 Anm. 41 die durch nichts zu beweisende
Vermutung äußert, 16,7 habe zum ursprünglichen Bestand
von 16,1—8a gehört. Daher: die überwiegende Wahrscheinlichkeit
spricht dafür, daß 16,8 nicht den vom Endredaktor
ursprünglich beabsichtigten Schluß des zweiten Evangeliums
darstellt!

Fazit: Die Schwächen dieser Arbeit treten besonders dort
hervor, wo eine erkannte und in Angriff genommene Aufgabe
(z.B. das Problem des Markusschlusses) nicht zu Ende
geführt wurde; nicht zur Klarheit der Gedankenentwicklung
trägt auch die starke Anlehnung an die Sekundärliteratur
bei, wie sie in zahlreichen Zitaten zum Ausdruck
kommt. Zum Sachlichen ist festzustellen, daß die futurisch-
eschatologischen, historischen und heilsgeschichtlichen Züge
im Markus-Evangelium — soweit diese nicht ganz geleugnet
werden — zu wenig Aufmerksamkeit erhalten. Gleichwohl
steuert der Vf. einen anregenden Entwurf zur Markusinterpretation
bei. Daß sein Buch mit der historischen die herme-
neutische Problemstellung verbindet und den Aussagegehalt
der markinischen Christologie transparent zu machen sucht,
ist der Anerkennung wert. Nicht zuletzt sein Nachweis, daß
das Markus-Evangelium allein aus seiner christologischen
Ausrichtung recht zu begreifen ist, läßt seine Arbeit neben
anderen gegenwärtigen Untersuchungen zur Theologie des
Markus bestehen.

Göttingen Georg Strecker

Stanton, G. N.: Jesus of Nazareth in New Testament Preach-
ing. London: Cambridge University Press [1974]. XI, 207 S.
8° = Society for New Testament Studies. Monograph Se-
ries, ed. by M. Black, 27. Lw 5,50.

Der Vf. weiß sich vor allem C. F. D. Moule, der das Entstehen
der Arbeit aufmerksam verfolgt hat, dankbar verpflichtet
. Von A. H. McDonald (Cambridge) empfing er Unterstützung
für die vergleichende Darstellung von Evangelien
und antiker Biographie. Ein Erstentwurf wurde 1969 an
der Universität Cambridge zur Erlangung des Doktorgrades
(Ph. D.) eingereicht.

Wir schicken vorweg: der Vf. bringt einen Standpunkt zur
Geltung, der in gründlicher Auseinandersetzung mit der
deutschen kerygmatischen Forschung erarbeitet wurde. So
wird die These des Buches nicht einem jeden gefallen, aber
man sollte sie aufgeschlossen bedenken.

Ein einleitender Teil dient der Standortbestimmung (1 bis
12). Nach St. bildete das Leben und die Person Jesu (genauer:
,the life and the character') einen unaufgebbaren Bestandteil
der urgemeindlichen Verkündigung, und zwar von Anfang
an. Anders als es gewisse entwicklungsgeschichtlich
orientierte Erklärungsversuche wollten, lasse sich das Jesusbild
der Evangelientradition nicht aus sekundären Erfahrungen
und Bedürfnissen der hellenistischen Gemeinde ableiten
. ,The variety of suggested turning points indicates that it
is difficult to locate any one development which was suffl-
ciently dramatic or deeply influential to bring the past life
and character of Jesus into the centre of the Christian mes-
sage for the first time' (5). Bei solcher Sachlage müsse erneut
nach dem Recht der Positionen von M. Dibelius und C. H.
Dodd gefragt werden, die beide, je eigentümlich, die Bedeutung
der urchristlichen Predigt für das Traditionsgut der
Evangelien erkannten und nachwiesen. Wurde das formkritische
Argument in der neueren Forschung nicht oft überzogen
? Uberlagerte das kerygmatische Anliegen wirklich
alle historischen Überlieferungen? Hier gelte gewiß: .Before
the modern historian can reconstruct the teaching and acti-
vity of the historical Jesus, he must determine the extent to
which the gospel traditions and the gospels were intended to
set out the life of Jesus' (10 f.). Hier sei aber auch zu bedenken
: ,If the early church had a stake in the story of the life
and teaching of Jesus, the gap between the Jesus of the gospels
and the historian's Jesus is likely to be much less Wide
than many have maintained' (11). Im Spannungsfeld beider
Einsichten bewegt sich die Argumentation des Vf.s Schritt
für Schritt in zahllosen Einzelerörterungen vorwärts, wobei
das größere Beweisanliegen immer im Blick bleibt. Eine
Skizze der Ergebnisse ist unerläßlich.

Ein 1. Abschnitt (13-30) befaßt sich mit dem Thema: „Jesus
of Nazareth in missionary preaching: Luke's view". Die
lk. Darstellung zeige das grüßte Interesse am Leben Jesu. Mit
C. H. Dodd macht St. daher das Zeugnis der Apg-Rede geltend
, nicht ohne die Argumente ihrer Kritiker (E. Haen-
chen, U. Wilckens) zu prüfen. Vor allem für Apg 10,34—43
findet sich: ,This speech indicates that Luke wished to show
the readers of his day that an account of the life and the
character of Jesus was part of the preaching of the church —
and always had been' (28). Die Absicht des Evangelisten ziele
darauf, Theophilus und seinen Leserkreis mit der gleichen
Botschaft zu konfrontieren, wie sie Petrus vor Kornelius
verkündet habe. Anscheinend habe sich aber Lk niemals nur
mit dem bloßen,Daß' (des Gekommen-Seins Jesu) zufrieden
gegeben. Die Missionsverkündigung sei vielmehr elementar
an der Person Jesu ausgerichtet gewesen (30).

Ein 2. Abschnitt (31—66): „Luke's presentation of Jesus in
his gospel" geht der zentralen These nach, ob der dritte
Evangelist wirklich biographische Uberlieferungen im Sinne
seiner .heilsgeschichtlichen' Konzeption umgeformt oder gar
verfälscht habe. Am Beispiel der Passionsgeschichte wird
gezeigt, daß die Abweichungen von der Mk-Vorlage zwar
erheblich seien, aber letztlich doch deshalb, weil Lk marki-
nisches und nicht-markinisches Material außerordentlich
kunstvoll vereinigte: „Luke's distinctive contribution, over
against his sources, is literary, even dramatic, rather than
theological" (47). Würde man den antiken Begriff der Biographie
mit der gebotenen Sorgfalt bestimmen, ließe sich
wahrscheinlich sogar mit einigem Recht Lk als der Biograph
' unter den Evangelisten würdigen: „There is no doubt
that many aspects of the character of Jesus are found more
clearly and extensively in Luke than elsewhere, but it is not
easy to discern wether this arises from his own emphases or
from the sources at hisdisposal" (51). St. beschränkt sich aber
auf die Feststellung: ,There ist considerably evidence of edi-
torial, literary and stylistic activity, but not an embellish-
ment and expansion of traditions in order to provide a bio-
graphical narrative'(54). Daher sei zu fragen, ob H. Conzel-
mann die literarische Leistung des Evangelisten nicht unterschätzt
und zugleich seinen theologischen Beitrag überschätzt
habe (56), zumal längst auch nachgewiesen sei (s.