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Ausgabe:

1977

Spalte:

569-572

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Kustár, Péter

Titel/Untertitel:

Aspekt im Hebräischen 1977

Rezensent:

Schröter, Ulrich

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Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 8

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um, ein Fundament der Wahrheit bzw. des Geistes zu le- allem steht die Untersuchung eines ganzen atl. Buches aus
gen, d.h. eine Gemeinschaft in Israel darzustellen, die sich (ebd.), ist doch die Interpretation der Verbformen in Textauf
die im Gesetz gegebene, durch den Geist geoffenbarte zusammenhängen unumgänglich (41.45.55). Die Einzel-
Wahrheit Gottes gründet und diese in ihrem Dasein be- beispiele werden entsprechend kontextbezogen vorgeführt,
H alu t. Den Höhepunkt bildet die Darstellung der Nomina die flächenmäßige Benutzung des AT wird als Notbehelf
,jesod, söd und 'üs. Das letztere ist in poetischen Stücken angesehen (Vorwort).

für die Grundfesten der Erde gebraucht (IQH 3,30-36); In I (1-25) spricht sich K. für eine Verbindung von in-
auch in IQH 3,13 ist es doch wohl auf die Fundamente der duktiver und deduktiver Methode aus, setzt sich vor allem
Erde und nicht, wie Vf. urteilt (S. 117), auf die der Unheils- mit S.R.Driver, Bauer, G.R.Driver, Barnes, Rundgren
gemeinde zu beziehen. Der Begriff jesöd, gelegentlich und Michel auseinander und differenziert zwischen Tempus
auch söd, selten mösad, bezeichnet das Grundgesetz der (Zeitstufen), Aktio |(volIendet-unvolIendet, nascent-com-
Ehe (CD 4,21 vgl. Mk 10,6) oder die Grundlagen der Zeit pete, stativ-fiens, durativ-punktuell usw.) und Aspekt.
(IQH 12,8) und vor allem die fundamentale Lehre der In II (25-54) erscheinen unter starker Berücksichtigung
Qumrangemeindc (IQS 5,5; 6,26; 7,18; 8,4.10; CD 10,6; von A.O.Schulz, 1900 und Michel als Ergebnisse, die III
19,4). Dabei spielt das eschatologisch interpretierte Orakel (55) zusammenfaßt: 1. Der Bedeutungsunterschied zwi-
Jes 28,16f. eine wichtige Rolle: Die Qumrangemeinde ver- sehen den Formen mit und ohne w- (qtl-wqtl bzw. jqtl-
stand sich als eine von Gott auf dem Fels der Wahrheit er- wjqtl) liegt auf syntaktischer Ebene. Durch das we- oder
baute Festung (IQS 6,26f.). M. E. hat die intensive Nah- wä-Verbindungswort werden Gedanken- und Handlungserwartung
den bildlichen Gebrauch von jcsöd bestimmt: reihen gebildet (36.40.55). 2. Der Bedeutungsunterschied
Fundamental", von Gott gegründet, ist das, was in der zwischen qtl und jqtl bezieht sich auf die Aspektkorrela-
kommenden großen Erschütterung des Weltgebäudes Be- tion determinierend-determiniert und gibt weder Tempus
stand hat. noch Aktio an. qtl determiniert eine andere Handlung,
Weniger einleuchtend ist mir, was Vf. zum Fundament jqtl bezeichnet die Handlung selbst als determiniert (45f.
als „Personalbegriff" sagt (S.169ff.). Gerade an diesen '50.55).

Stellen erscheint die Schwierigkeit, daß söd wie jesöd das Von der Interpretation des Verbalsystems als eines we-
Fundament meinen soll, obwohl es auch in der Bedeutung sentlichen Bereichs der Syntax schließt K. auf die hebräi-
:,Rat, Kreis" erscheint (vgl. etwa IQS 11,7f.). Zutreffend sehe Denkweise (IV/1-5; S. 56-61). Diese konzentriere
ist wohl, daß man söd im Bild vom Bauwerk als Funda- „sich auf den Zusammenhang der Handlungen unterein-
ment verstand und dabei auch die Bedeutung „Kreis von ander" und gebe an, „welche Ursache und welches Ergeb-
Männern" mitbedacht hat (IQH 6,26; IQS 8,5; 11,8); nis eine Handlung hat und welche Wirkung die Handlun-
weniger wahrscheinlich ist dies an den anderen Stellen, so gen auf die Entfaltung anderer Handlungen haben". Er
etwa IQH 2,10; 5,9; IQS 7,17. konkretisiert: „Diese . . . Denkweise befähigt ... in be-
Grundsätzlich möchte ich auf den ausführlichen und sonderem Maße, die Ereignisse der Geschichte zu verscharfsinnigen
Kommentar zu IQS von J.Lieht, M°gillath stehen" (61).

Ha-Serakhim (Jerusalem 1965) hinweisen, der leider nur IV/6 (61f.) nennt künftige Aufgaben. Ein Register der

in Hebräisch vorliegt und vom Vf. nicht benutzt werden Bibelstellen (63), Literaturverzeichnis (64-66) und Curri-

konnte (wie überhaupt die neuere und neueste Literatur culum vitae ist beigegeben.

zu den Qumranschriften weitgehend fehlt). In Abschnitten Sehr förderlich ist der Versuch, zwischen Tempus, Aktio
wie IQS 8,1-8 oder 9,3 kommt J.Licht zu wesentlich an- und Aspekt zu unterscheiden. Tempus und Aktio liegen
deren Resultaten, bestätigt aber die Deutung des Vfs. von bei den westeuropäischen, Aspekt und Tempus hei den
IQS 4,6; zu jesöd siehe Licht S. 108. slawischen Sprachen, Aspekt und Aktio beim Hebräischen
Was das Neue Testament anbelangt, so wird das be- vor (25.61). Nach dem Slawisten J. Dombrovszky, 1964,
rühmte Wort Mt 16,18 mit Recht von IQH 6,26 her be- verhält sich der Aspekt „zur objektiven Zeit absolut aufleuchtet
(S. 184-189). Vf. kritisiert die von mir einstmals grund der Zeitrelation, die zwischen dem Täter und der
hergestellte „sachliche Verknüpfung" von Kepha' = Tätigkeit besteht", das Tempus jedoch „relativ aufgrund
>,Fels" und Kaphis = „Träger" (ZNW 1957, 49ff.). Ich der Zeitrelation, die zwischen dem Sprecher und der Tätig-
möchte dennoch an ihr festhalten, zumal sie ja in IQH keit besteht" (23). K. korrigiert, indem er die Aspekt ge-
~j>;26 klar gegeben ist. Und war sich nicht Paulus, der in nannte Kategorie als Aktio interpretiert (43), während die
J^aI 2,9 den Kephas = Felsenmann zu den drei Säulen der Aussage, die Tempus-Kategorien (sie!) haben keinen Be-
«emeinde rechnet, der lautlichen Ähnlichkeit und der zug zur objektiven Zeit (42), wohl mit D. lauten sollte:
sachlichen Beziehung von Kepha' und Kaphis bewußt? „Die Tempuskategorie . . . stellt . . . die Handlungen in
Auf die gleiche Weise hat er in Gal 4,25 den Namen Hagar ihrem Verhältnis zur objektiven Zeit nicht absolut dar." -
und den Berg Sinai aufeinander bezogen. Daß er sich beim Auf diese Weise wird das Verhältnis der Handlungen zukamen
Kephas nichts gedacht habe, ist wenig wahr- einander bei Tempus und Aktio mittelbar vom zeitlichen
|°heinlich, zumal er in 1 Kor 3,11 indirekt Petrus als den Standpunkt des Sprechers bzw. vom räumlich-zeitlichen
Belsen der Kirche ablehnt. Falsch gedeutet wird die Funk- Standpunkt des Täters jeweils zur Tätigkeit, beim Aspekt
Tnuder "Pforten des Todes" in Qumran (S.188L vgl. dagegen unmittelbar ohne Rücksicht auf die genannten
*QH 3,18); keine Parallele zu Mt 16,18 ist die Stelle IQH Standpunkte des Sprechers oder Täters betrachtet (44).

da sieh die Wendung „mein Bau" nicht auf die Ge- Diese Unterscheidung ist nicht unproblematisch. Aktio

meinde, sondern auf den Leib des Beters bezieht. wird im Hinblick auf westeuropäische Sprachen formu-

Tübingen nert (^4), auch für die slawischen Sprachen in Anspruch

ottoßetz genommen (42f.), mit vollendet-unvollendet usw. interpretiert
, beim Hebräischen aber modifiziert, auf die Verb-

£ . Stämme bezogen und als „Änderung des Verhältnisses des

",slar'P6ter: Aspekt im Hebräischen. DiHsertation zur Erlangung Täters und der Tätigkeit bezüglich des Grundstammes

bII T0,JtorYurde der Theologischen Fakultät der Universität / an« (44) beschrieben. Hier wüßte man gern Genaueres.

KSdÄ*'™ Re'"hardt ™ Komm- if Y 66T|- *° = Auch wäre die räumlich-zeitliche Komponente aufgrund

DMlÄ D'«**tat10nen, hn*. von Bo Re.cke, IX. Kart. ^ Verhältnisse bei den polvnesischen Sprachen, dfe nur

K die räumlichen Bezugspunkte kennen (60), und im Hebräi-

,8* cme Zusammenfassung seiner Untersuchungen sehen (43f.) anzufragen.

der*1' hebräischen Verbalsystem vor. Die Kürze kommt Der Aspekt wird mit Recht als eine Kategorie beschrie-

R> i'nneren Geschlossenheit zugute, läßt aber „eine ganze ben, die nur bei „Verben gleicher Grundbedeutung" (23)

von unbeanl «orteten Fragen" offen (Vorwort). Vor und als Oppositionspaar (23.44) interpretiert werden darf.