Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1977

Spalte:

562-563

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Panagopulos, Iōannēs

Titel/Untertitel:

Eisēgēseis a' orthodoxou hermeneutikou synedriou (17-21 Maiou 1972) 1977

Rezensent:

Walter, Nikolaus

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

66]

Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 8

562

ben zugänglich wird (71); der Leser wird füglich fragen, Melzers wird auf das wichtige Desiderat aufmerksam ge-
was dann noch Linguistik beisteuern soll! macht, unsere eigene Muttersprache auf ihre religiösen Ge-
Ch. Mohrmann, ,,Linguistische Probleme bei den Kir- halte hin zu durchforschen. Den Pfaden einer Sprachchenvätern
" (85-108), weist auf, wie es im Laufe der Jahr- mystik, denen der Vf. von da aus huldigt, wird indes nicht
hunderte gelungen ist, christlichen Glauben und Christ- jeder zu folgen vermögen,
liebes Leben durch das antike Griechisch und dann das

Lateinische auszudrücken. Sie beschränkt sich dabei auf Ham,,"r,! Klaus Koch
die neue inhaltliche Fülle von Wortbedeutungen, also auf
eine dem modernen Linguisten vermutlich naiv erscheinende
semantische Untersuchung. Panagopoulos, Iöannes [Hrsg.]: Eiaegeseisa' orthodoxou hermeneu.

P. Hartmann, „Religiöse Texte als linguistisches Ob- tikou synedriou (17-21 Maiou 1972). „He axia tes paterikes her-

jekt" (109-134), geht im Unterschied zu den Vorher- meneutikes paradoseös dia ten sygehronon bibliken ereunan".

genannten vom neuesten Stand der modernen Sprach- Athenai: Diorthodoxon Kentron 1973. 302 S. m. 3 Taf. gr. 8° =

Wissenschaft als Textlinguistik aus, hat von da aus aber Diorthodoxon Kentron Athenön, 1. (Papiere von einer ortho-

begreiflicherweise Schwierigkeiten „religiöse Texte" als *>x?n hermeneutischen Beratung [17.-21. Mai 1972] „Die Be-

-cv i- j- u tt rffT lirn i deutung der hermeneutischen Vatertradition für das heutige bi-

etwas Eigenständiges anzusehen. Von Textgestalt, Gat- blische Forschen". Athen: Interorthodoxes Zentrum 1973.
tung, lextsorte her sind sie nicht auszuweisen. So bleibt

höchstens übrig, sie von ihrer Funktion im Lebensvollzug Der von Joannes Panagopoulos herausgegebene Band
her oder von semantischen Indizien her in ihrer Eigenstän- enthält die Referate, die auf dem „Ersten Kongreß für
digkeit zu erfassen, was bislang jedoch noch nicht vorliegt, orthodoxe hermeneutische Theologie" gehalten wurden,
Der Aufsatz ist eine vorzügliche Einführung in das, was der vom 17. bis 21. Mai 1972 in dem 1971 gegründeten
Textlinguistik beabsichtigt, auch in die Grenzen ihrer An- „Interorthodoxen Zentrum" in Athen stattfand. Das In-
wendungsmöglichkeit. Hier geht es nicht um das bessere terorthodoxe Zentrum eröffnet damit eine eigene Publika-
Verstehen von Einzeltexten, sondern um die Erklärung, tionsreihe. - Im Eingangsteil (S. 11-33) werden die Ein-
wie Einzeltexte sich bilden (126). ladungsschreiben des Schirmherrn, des Erzbischofs Hiero-
J. Pinborg, „Textsemantische Probleme in der Sprach- nymos von Athen, an den ökumenischen Patriarchen
theorie und Logik des Mittelalters" (135-170), führt in- Athenagoras von Konstantinopel sowie des Präsidenten
struktiv in die Bedeutung von Grammatik und Logik für des Vorbereitungskomitees, Prof. M. Siotes, an die ortho-
die theologischen Reflexionen eines Ockham und Holkot doxen Bibelwissenschaftler in aller Welt abgedruckt. Es
ein. Erstaunlich, wie Begriffe moderner Linguistik hier folgen das Kongreßprogramm und eine Liste der etwa 30
schon vorgeprägt sind (z. B. significans und significatum), Teilnehmer (aus 5 europäischen Ländern, einschl. UdSSR,
erstaunlich auch der kritische Horizont der damaligen sowie aus USA, Zypern und Libanon) sowie Grußanspra-
Theologien, der keineswegs demAllgemeinbewußtsein vom chen des Erzbischofs Hieronymos, des Dekans der Athener
finsteren Mittelalter entspricht. Vielmehr geht es bei den Theologischen Fakultät, Prof. Chastoupes, und des Präsi-
Sprachtheorien um die grundsätzliche Frage: „In welcher denten, Prof. Siotes. - Der Band schließt ab mit dem
Weise können wir Aussagen über Gott machen, die not- „Kommunique des 1. Kongresses für orthodoxe herme-
wendigerweise Begriffe aus der Erfahrung der kontingen- neutische Theologie" (in Griechisch und Englisch, S. 273
ten Welt als Termini eingehen?" (146). Bei der Lektüre bis 275), einem Epilog von M. Siotes (S. 277-279) und Rebekommt
man den Eindruck, daß sich mancher systema- gistern der Bibelstellen, der Väter, der modernen Autoren
tische Theologe heute eine Scheibe von diesem Reflexions- und einem Namen- und Sachregister (S. 283-296). Zu je-
niveau abschneiden könnte. Von Textsemantik im Sinne dem in griechischer Sprache gehaltenen Referat wird ein
moderner Linguistik ist freilich im Aufsatz nicht die Summary in Englisch, zu jedem in anderen Sprachen
K' 'lc (Englisch, Französisch, Deutsch) gehaltenen Referat ein
|E. Güttgemanns, „Linguistisch-literaturwissenschaftli- solches in Griechisch beigegeben.
che Grundlegung einer Neutestamentlichen Theologie" Der Kongreß stand unter dem Generalthema: „Die Be-
(171-202) bringt eine von Sendungsbewußtsein getragene deutung der hermeneutischen Tradition der Väter für die
Auseinandersetzung mit der neutestamentlichen Theolo- heutige Bibelwissenschaft". Es handelt sich um einen er-
gie Rudolf Bultmanns, die zwar als die beste aller bisheri- sten Kongreß dieser Art und damit um eine erste offizielle
Ken Veröffentlichungen auf diesem Gebiet angesehen wird, (das macht der Einleitungsteil deutlich) Zuwendung der
der aber vorgeworfen wird, daß sie einer naiven Semantik Orthodoxen Kirche - repräsentiert durch ihre führenden
' J'pnt, indem durch Additionen von Wortbedeutungen ein Bibelwissenschaftler - zum Thema Hermeneutik und mo-
Sinnzusammenhang erfaßt werden soll. Vor allem aber derne (d. h. historisch-kritische) Bibelwissenschaft, nachwerde
nicht gefragt, wieso das von Bultmann als Leit- dem sich dieses Thema den meisten der hier vertretenen
gedanke herausgestellte neue christliche Selbstverständ- Referenten je in ihrer eigenen Verantwortung ganz offen-
n's zur Erzeugung von Texten geführt hat und führen sichtlich schon seit längerer Zeit gestellt hatte, und zwar
mußte, schließlich, wie sich diese Textstrukturen zu allge- im wesentlichen durch die von R. Bultmann angeregte
nieinen Universalien menschlicher Sprachlichkeit verhal- hermeneutische Debatte in der protestantischen und zu-
ten. Fazit: „Als linguistisch fragwürdig erscheint so ziem- nehmend auch in der römisch-katholischen Theologie.Wie
bch alles, was uns als Erbe der Väter überkommen ist: die sehr die meisten Vortragenden in dieser Debatte zu Hause
Methoden der Form- und Redaktionsgeschichte, der Tra- sind, zeigen die Literaturangaben bzw. das Autorenregi-
ditions- und Religionsgeschichte, die Lösung des synopti- ster, in dem - in der Reihe der Häufigkeit - diese Naschen
Problems und die Erklärung der Evangelien-,Form', men dominieren: G. Ebeling, R. Bultmann, E. Käsemann,
die anthropologische Lexematik der Darstellung der Theo- M. Siotes, O. Cullmann, R. Marie und E. Fuchs,
»ogien des Paulus und des Johannes und schließlich auch Die Referate einzeln anzuführen, ist hier nicht möglich
a.!e ganze .cxistentialc' Hermeneutik" (194). Leider läßt (vgl. dafür IZBG XXIII). Die meisten wenden sich dem
sieh für Güttgemanns Angriff eine grundsätzliche Berech- Gencralthema in grundsätzlicher Erörterung zu, wobei
tigung nicht bestreiten, selbst wenn man ihm hernach be- mehrfach die Entwicklung der protestantischen Bibelwis-
scheinigen muß, daß er es glänzend versteht, das Kind mit senschaft seit der Jahrhundertwende skizziert und be-
m ^ade auszuschütten. leuchtet wird. Mehrere Referate gehen auf die besonderen
F. Melzer, „Entstehung und Wirksamkeit des christo- Fragen einer christlichen Hermeneutik des Alten Testa-
entrischen Wortschatzes im Deutschen, dargelegt an dem ments ein, wobei besonders aufmerksam gemacht sei auf
d °rL'Pernut'" (203-223), wandelt auf friedsameren Pfa- die Untersuchung der christologischen Auslegung der alten
. Hier wie in vielen vorhergehenden Veröffentlichungen testamentlichen Theophanien bei Justinus Martyr durch