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Ausgabe:

1977

Spalte:

560-562

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Sprache und Sprachverstaendnis in religioeser Rede 1977

Rezensent:

Koch, Klaus

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Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 8

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brauchen, und auch nicht, weil sie sich auf die Handgriffe
am Fließband freuen, sondern weil Arbeit selbst konkret
wird, indem sie Kontakt mit Menschen schafft, weil Tätigkeit
dann in Gang gesetztes In-die-Obhut-Nehmen von
Leben ist.

Nun ist m. E. keine Frage mehr, daß die Vergesellschaftung
der Produktionsmittel eine qualitativ neue Basis für
die Überwindung des Lebens auf Kosten anderer ist. Aber
das Leben schlechthin in die Obhut nehmen ist damit nicht
automatisch gegeben, sondern bleibt aufgegeben. Auch
auf der Basis vergesellschafteter Produktionsmittel existieren
alte und neue Konkretionen des Lebens auf Kosten
anderer, etwa im Schaffen „privater Paradiese", und es
kann auch kein Zweifel sein, daß das noch notwendige Leistungsprinzip
Leben auf Kosten anderer mit sich bringt,
Leistung also zur Erhöhung des eigenen Lebens auf Kosten
anderer anstatt eines Erbringens von Leistungen in Gestalt
der Pflege von Leben.

Nun ist aber das Soziale wiederum eingebunden ins Globale
, in einem doppelten Sinn: nämlich in das Leben auf
Kosten anderer in Gestalt der schon oben erwähnten Ausplünderung
der Erde zu Lasten der sozial ausgebeuteten
Nationen, und es ist eine globale Forderung, diese zu überwinden
. Einbindung ins Globale heißt aber auch: Einbindung
in die realen von der geschichtlichen Situation her
gegebenen und begrenzten materiellen Möglichkeiten. Das
zeigt z. B. die Unmöglichkeit, einfach das Leistungsprinzip
abzuschaffen in der heutigen geschichtlichen Lage.
Utopische „Kommunen", die solches tun, leben dann faktisch
in einem abgezirkelten Paradies auf Kosten anderer.

Alles zusammen aber steht im futurischen Aspekt der
Überwindung der Ausplünderung der Erde und d. h. der
vorhin schon erwähnten Bewahrung der Erde für kommende
Lebensgestaltungen.

Soweit dieser ganz grobe Durchblick durch Konkretionen
der Forderung: nicht auf Kosten von anderen leben!
Das Entscheidende dabei ist gerade die unauflösliche Verzahnung
der einzelnen Aspekte.

Theologisch gesehen sind alle diese einzelnen Aspekte
zusammen genommen der primus usus legis. Alles Erfüllen
bleibt weit hinter dem zurück, was sein sollte und sein
könnte, es bleibt die unendliche Spannung zur Erlösung.
Der innere Friede bleibt als theologische Aufgabe des
Heilsglaubens oder des Evangeliums. Aber die äußere Bewahrung
des Lebens, der Natur geht in die gleiche Richtung
wie die Erlösung bzw. das Evangelium, nämlich die
Überwindung des Lebens, das nicht aus der Quelle selbst,
sondern auf Kosten von anderen leben will.

Auf der Basis dieser grundlegenden theologischen Feststellung
, daß die Bewahrung der Erde als Wohnstätte des
sich entwickelnden menschlichen Lebens die zentrale
Menschheitsaufgabe und die Erfüllung des primus usus
legis ist, bleibt nun noch abschließend die Frage zu behandeln
nach dem praktischen Tun von Kirchen und Christen
, die sich als Zeugen der in Jesus Christus Gestalt gewordenen
Hoffnung für alles Leben verstehen.

M. E. kann sich ein solches Zeugnis des Glaubens nicht
darauf beschränken, die ökologischen Probleme der Gegenwart
noch einmal in theologischer Diktion zu sagen,obgleich
es gegebenenfalls wichtig sein kann, das Bewußtsein
für die gegenwärtige Bedrohung zu schärfen, und
auch dafür, daß es weder mit frommem noch mit säkularem
Gewissen ein Vertrauen auf Heilung durch mechanistischen
Selbstlauf geben darf. Die in Jesus Christus gründende
Hoffnung setzt nicht auf den mechanistischen
Selbstlauf, sondern auf den Sinn des zu Opfern bereiten
menschlichen Tuns.

Entscheidend für die Beantwortung der Frage, was
Christen und Kirchen in ihrem sozialen Kontext tun können
, ist aber noch einmal die konkrete Verzahnung der
oben genannten einzelnen (5) Aspekte: Eine Lösung der
technologischen Probleme ist eben nur realistisch denkbar
im Zusammenhang der Frage: woher die Mittel kommen

sollen, und die mehr moralische Frage im engeren Sinne
nach der Gewinnung einer neuen Lebenshaltung angesichts
einer vielfach begrenzten Natur kann nicht gelöst werden
von der Frage nach einer Lenkung der Bedürfnisse, und
das wiederum ist ein soziales, letztlich politisches Problem,
und schließlich - um nur noch eines anzudeuten - alle diese
Fragen sind verbunden mit dem Problem der internationalen
Zusammenarbeit bei der Lösung der weltweiten Probleme
des Hungers und der Beendigung des Wettrüstens.
Das zeigt wieder, daß es sich bei den ökologischen Problemen
letztlich um „leibhaft-politische" Fragen handelt.
Angesichts dieser Verzahnung zeigt sich nun das, was
Christoph Hinz in seinem Überblick über die Nairobi-
Diskussion in den Kirchen der DDR den „Zentrifugalismus
" der Weltchristenheit genannt hat. „Eine Christenheit
, die in die unterschiedlichen Kulturen unserer Erde
mit ihrer Sendung leibhaft-politisch einwandert, nimmt
die Zerrissenheit ihrer Staaten und Gesellschaften in aller
Spannung auf sich. Indem sie in ihnen die Bedeutung des
Evangeliums Christi zum Zuge bringen möchte, wird sie in
ihre Antagonismen verwickelt." (Christliche Gemeinde in
der DDR und das Thema von Nairobi, in: ökumenische
Rundschau, 24. Jg. 1975, S. 456/457.)

Das bedeutet konkret: Das Mitwirken,das Tun der Christen
im Zusammenhang der ökologischen Bedrohung der
Menschheit kann nicht oberhalb und jenseits der sozialen
Antagonismen sich vollziehen. Inwieweit es darüber hinaus
Aktionen der Weltchristenheit geben kann, ist in den
letzten Jahren, vor allem seit der Bukarester Konferenz
von 1974 und Nairobi 1975 sehr im Gespräch. Sicher aber
ist es in dieser Hinsicht schon viel, wenn die ökumenische
Christenheit ein Bewußtsein schafft hinsichtlich dessen,
daß die einzelnen Kirchen, indem sie in ihrem sozialen
Kontext dabei mithelfen, die ökologische Bedrohung zu
überwinden, den Glauben an den einen Christus und den
einen Schöpfer bezeugen.

ALLGEMEINES, FESTSCHRIFTEN

Michels, Thomas, u. Ansgar Paus [Hrsg.]: Sprache und Sprachver-
ständnis in religiöser Rede. Zum Verhältnis von Theologie und
Linguistik. Salzburg - München: A. Pustet 1973. 228 S. gr. 8° =
Forschungsgespräche des Internationalen Forschungszentrums
für Grundfragen der Wissenschaften Salzburg, 12. sfr. 219.-;
DM 29,50.

Das Salzburger Forschungsgespräch hatte sich die Aufgabe
gesetzt, „der Sprache als einer mit der Schöpfung gegebenen
Wirklichkeit in den ältesten Dokumenten menschlicher
Religionen, im geoffenbarten Gotteswort des Alten
und Neuen Testaments, bei den Kirchenvätern und im
Kultus nachzugehen und dann deren Aussagen mit den
Methoden neuzeitlicher Linguistik zu behandeln" (Vorwort
). Wahrlich, ein weitgespanntes Programm! Zur
Durchführung werden sieben Vorträge dargeboten, die
nicht nur sehr verschiedenes Textmaterial heranziehen,
sondern auch in der Methode keine Gemeinsamkeit zeigen
und unter Linguistik jeweils etwas völlig anderes verstehen
. Daraus resultiert ein bunter Blumenstrauß, bei dem
der Leser - je nach Geschmack - entweder über die Vielgestaltigkeit
theologischer Ansätze zum Sprachproblem
sich freuen oder aber die Verlegenheit, Theologie auf ihrem
ureigensten Gebiet, dem des Wortes, allgemeingültig zu
betreiben, weinen mag.

M. Schneider, „Die Grundlagen der lvultsprache in der
vedischen Kosmologie" (13-60), stellt die Sprach- oder
richtiger Klangmythologie der altindischen Religion heraus
, ohne dazu wertend Stellung zu nehmen.

H. Schlier, „Gotteswort und Menschenwort" (61-84),
will darauf hinaus, daß das Gotteswort sich „nie in ein
zwischen menschliches Wort" auflöst und allein dein Clan-