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Ausgabe:

1977

Spalte:

33-35

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Weinacht, Harald

Titel/Untertitel:

Die Menschwerdung des Sohnes Gottes im Markusevangelium 1977

Rezensent:

Strecker, Georg

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Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 1

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Levinson, N. Peter: Das „Alte" Testament als Heilige Schrift

der Juden (US 31, 1976 S. 110-124).
Lundbom, Jack R.: The Lawbook of the Josianic Reform

(CBQ XXXVIII, 1976 S. 293-302).
Minguez, D.: Hechos 8,25—40. Anälisis estructural del relato

(Bibl 57, 1976 S. 168-181).
Pasinya, L-Monsengwo: Le cadre litteraire de Genese I (Bibl

57, 1976 S. 225-241).
Rose, Martin: „Entmilitarisierung des Krieges"? (Erwägungen
zu den Patriarchen-Erzählungen der Genesis) (BZ 20,

1976 S. 197-211).
Huppert, Lothar: Zur Funktion der Achikar-Notizen im

Buch Tobias (BZ 20, 1976 S. 232-237).
Schökel, L. Alonso: Davidy la mujer de Tecua: 2 Sm 14como

modelo hermeneutico (Bibl 57, 1976 S. 182-205).
Stendebach, Franz Josef: Altarformen im kanaanäisch-israe-

litischen Raum (BZ 20, 1976 S. 180-196).
Ties estudios de lenguaje y estilo: lirica (Ps 1) por R. Lack,

narrative (Acta 8,25—40) por D. Minguez, dramätica (2 Sm

14,1-24) por L. Alonso Schökel (Bibl 57, 1976 S. 153).
Wambacq, B. N.: Les origines de la Pesah israelite I (Bibl 57,

1976 S. 206-224).

NEUES TESTAMENT

Weinacht, Harald: Die Menschwerdung des Sohnes Gottes
im Markusevangelium. Studien zur Christologie des Markusevangeliums
. Tübingen: Mohr 1972. X, 197 S. gr. 8° =
Hermeneutische Untersuchungen zur Theologie, hrsg. von
G.Ebeling, E.Fuchs, M.Mezger, 13. DM24,-; Lw. DM31,-.

Der Ausgangspunkt dieser unter der Anleitung von E.
Fuchs entstandenen, 1967 im wesentlichen abgeschlossenen
Marburger Dissertation ist die These R. Bultmanns, wonach
derTitel „SohnGottes" in der hellenistisch-christlichenMis-
sionsüberlieferung die göttlicheNaturChristi bezeichnet und
sich für die urchristliche Gemeinde angesichts gnosti-
scher Gefahr das Problem stellte, „wie die Menschheit des
Gottessohnes gedacht werden könne" (S. 142). Vf. meint, die
Lösung dieses Problems sei im rechten Verständnis des
markinischen „Messiasgeheimnisses" zu suchen; denn dieses
impliziere nicht eine gnostische Salvator-Salvandus- oder
Präexistenz-Christologie, da hierdurch die Menschheit Jesu
„gnostisch gefährdet" würde, aber auch nicht eine adop-
tianische Vorstellung, weil diese die Idee der Gottessohn-
sciiaft Jesu beeinträchtigt hätte (vgl. S. 142 Anm. 100). Vielmehr
enthalte das Markus-Evangelium verschiedenartige
christologische Anschauungen, die vor allem mit dem Titel
„Gottessohn" und „Menschensohn" verbunden worden seien.
In solcher Komplexität deute sich das eigentliche christologische
Thema des zweiten Evangeliums an: „die Aussagbar-
keit des Geheimnisses der Person Jesu als Evangelium" ;
konkreter: „Christus kommt im Evangelium gerade als
Evangelium zur Sprache" (S. 45).

Lassen wir an dieser Stelle die Frage offen, ob mit dieser
Definition das markinische Verständnis von „Evangelium"
wirklich getroffen ist, die Absicht des Vf.s in der Person des
markinischen Christus eschatologische Heilsgegenwart ausgesagt
zu finden, wird hierbei schon erkennbar. So wird es
durch Aufnahme der bekannten These P. Vielhauers, daß
die Kombination der Gottessohn-Texte in 1,9; 9,7 und 15,39
auf ein Inthronisationsschema zurückgehe, ebenso nachzuweisen
versucht (S. 46-69), wie auch durch die Darstellung
des markinischen Wunderverständnisses (S. 70—88); „in Jesu
Wundern legt sich Jesu eigene Gottesgewißheit als Glaube
aus", und „der Weg Jesu (führt) letztlich um des Glaubens
willen ans Kreuz" (S. 84). Hier zeigt sich, daß Wunder- und
Messiasgeheimnis wie auch Jesu Leidensgeheimnis und das
Geheimnis des Gottesreiches ein und dasselbe sind (S. 85. 88),
aber auch, daß Vf. solche Zuordnung primär auf dem herme-
neutisch erwägenswerten, exegetisch freilich kaum akzeptablen
Weg über den Glaubensbegriff Jesu zu gewinnen

sucht — charakteristisch ist z.B. die These, das Sei der Leidensweissagung
(8,31) sei „allein aus der Entschiedenheit Jesu
zu verstehen" (S.84); sie vernachlässigtdieheilsgeschicht-
lichen und apokalyptischen Elemente im Geschichtsbild des
Markus.

Dies wird besonders deutlich, sobald sich Vf. die Frage nach
der Eschatologie des Markus-Evangeliums vorlegt (S. 89 bis
110). Seine Analyse ist durch die Tendenz bestimmt, die Gegenwärtigkeit
der ßa<;ieia rov Oeov im Auftreten Jesu ausgesagt
sein zu lassen (zentral: 4,11!); die Gottesherrschaft sei
im „Evangelium" Jesu präsent (1,15 — hier begründet sich
das literarkritische Urteil zu Unrecht aus der Parallele Mt
4.17!), wobei vorausgesetzt ist, daß — wie Bultmann formulierte
— „Jesus selbst in das Evangelium gehört" (S. 91 f.).
Nun kann freilich nicht bestritten werden, daß solche These
bei der Exegese der Markus-Apokalypse (c. 13) Spannungen
hervorrufen muß. Vf. verschließt sich dem nicht; er
kommt zu der Unterscheidung: Da die Zeit des Reiches Gottes
nach Aussage von 4,11 christologisch zu verstehen sei und
die „Geschichte des Gottessohnes das antezipierte Ende der
Geschichte" darstelle, könne es sich „in 13,24 ff. nur um...
das Ende der durch die Zeit des Reiches Gottes alt gewordenen
Schöpfung" handeln (S. 107) — eine gewagte Konstruktion
, die Gegenwart und Zukunft des Menschensohnes gegen
Markus voneinander trennt und durch die Beziehung
derParusieansage in 9,1 auf dieVerklärungsperikope(9,2ff.)
doch nur mühsam gestützt werden kann (zu S. 108 Anm. 94).

Der wichtigste Abschnitt des Buches ist unter der Uberschrift
„Der Aufriß des Evangeliums: Jesus Christus als
Text" der Frage nach dem Verhältnis von Form und Aufriß
des Evangeliums gewidmet (S. 111—177). Hierbei ist die
„Form" der Gottessohn-Christologie, der „Aufriß" der Interpretation
Jesu als des gekreuzigten Menschensohnes zugeordnet
(S. 118). Diese Unterscheidung möchte die These
M. Kählers wieder zurGeltung bringen, wonach dieEvange-
lien als „Passionsgeschichten mit ausführlicher Einleitung"
zu bezeichnen sind (S. 124); schwerlich überzeugend, wenn
man bedenkt, daß Markus' Gottessohn-Christologie epipha-
nologische Züge trägt und das — übrigens auch vom Vf. vorausgesetzte
— urchristliche Bekenntnis zum Gekreuzigten
und Auferstandenen auf das Evangelium von Einfluß gewesen
ist. Und so unbestreitbar Menschensohn- und Gottessohn
-Christologie das Werk des Markus prägen, so wenig
muß das summierende Ergebnis, daß der „Aufriß des Evangeliums
dem Weg der Menschwerdung des Sohnes Gottes
folgt", einleuchten, wenn nicht einmal der Begriff „Menschwerdung
" eingehend geklärt und eine entsprechende Vorstellung
für den Evangelisten nachgewiesen wurde (zu S. 121.
122ff; die gelegentlichen Hinweise auf Phil 2,6ff. oder auf
die Christologie der mythologischen Gnosis „im religionsgeschichtlichen
Umkreis und Horizont des Markus-Evangeliums
" sind im einzelnen fragwürdig: zu S. 52 u.ö.). Andererseits
sollte der Vf. der Zustimmung sicher sein, wenn er
die grundlegende,die einzelnen christologischen Anschauungen
zur Einheit verbindende Bedeutung des Messiasgeheimnisses
behauptet: „Das Kriterium des markinischen Entwurfs
einer Christologie ist... weder die Menschensohn-
Christologie noch die Christologie der eschatologischen Inthronisation
, sondern das Verständnis des Geheimnisses von
Jesu Person als des Geheimnisses seiner Vollmacht" (S. 143).

Auch das Jüngerunverständnis ist Bestandteil der Messiasgeheimnistheorie
des Markus. Der verbindende Gedanke
sei „in der markinischen Auffassung des Heiligen Geistes"
zu suchen (S. 158). Wenn Vf. Jüngerunverständnis (4,35 bis
8,26), Jüngermißverständnis (8,27-10,45 bzw. 10,52) und das
„Jüngerunvermögen zur Nachfolge" (11,1—14,72) einander
zuordnet, so ist hierzu kritisch zu fragen, ob die markinische
Pneumatologie eine diese Differenzen übergreifende Funktion
hat (im Unterschied zu 13,11 ist vomGeistbesitz der Jünger
während des Auftretens Jesu nicht die Rede). Allerdings
ist es im Sinn des Markus, wenn das Jüngerunverständnis
als ekklesiologische Entsprechung zur christologischen Dialektik
der Messiasgeheimnistheorie begriffen wird. Wie letz-