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Ausgabe:

1977

Spalte:

530-532

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Knitter, Paul F.

Titel/Untertitel:

Towards a protestant theology of religions 1977

Rezensent:

Kuske, Martin

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Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 7

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hauptung einer Diskontinuität der Strukturen der Ideengescliiehte
(Michel Foucault) er jedoch kontrovers entgegentritt.

I in Ergebnis seiner Untersuchungen gelangt Watte dahin, eine
Evolution des Erbsünden Verständnisses festzustellen, die offensichtlich
ihren definitiven Abschluß noch nicht erreicht hat. Kants
Hinwendung zu einer Philosophie des Subjekts und der individuellen
sittlichen Freiheit läßt eine ungelöste Problematik offen: Die
der kollektiven Dimension des Bösen, die Augustin und Thomas
mit der Behauptung einer Übertragung der Sünde Adams auf die
Nachfahren glaubten bewältigen zu können. Aber auch die Hinweise
Wattes auf Merleau-Ponty („Lc mal n'est pas eree par nous
ou par l'autre, il nait dans le tissu que nous avons hie entre nous
e( qui n. ms etouffe" (zit. a.p. 231) oder auf universale Zusammenhänge
können die Unabgeschlossenheit der Erbsündenfragc nur
andeuten, und der Gewinn der Theologie durch eine methodologische
Anpassung an das Verfahren Wattes läßt schließlich eine
ganze Fülle von Fragen unbeantwortet.

Wir möchten daher gegenüber der Verfahrensweise doch gewisse
grundsätzliche Bedenken anmelden. Philosophisch sollte man die
Kontinuität des geschichtlichen Ablaufs, der selbstredend die geistigen
Bewegungen in ihren vielfachen Zusammenhängen mit umschließt
, dialektisch und nicht strukturalistisch angehen. Die
Krage der Kontinuität oder Diskontinuität ist im Grunde eine
Schoinfrage, deren Erörterung den wirklichen (sprich: materiellen)
Charakter der der Historie immanenten Gesetzmäßigkeiten verhüllen
soll. Die Dialektik des historischen Prozesses berücksichtigen
, bedeutet für den Philosophen wie für den Historiker, die zu
untersuchenden Fakten richtig von ihrer konkreten (gesellschaftlichen
) Umwelt her zu verstehen.

Der Theologe wird davon, soweit die formale und von der historischen
Situation unmittelbar abhängige Seite einer dogmatischen
Aussage zu analysieren ist, gewiß profitieren können. Es muß ihm
dann selbst überlassen bleiben, das theologische Proprium mit den
ihm eigenen Kategorien und Maßstäben aufzufinden und zu werfen
. Der Aufweis und die Wahrung des theologischen Propriums
kann also immer nur die Aufgabe des Theologen sein, und das
dürfte vornehmlich im Einblick auf den Komplex der Sünde, der
die gebrochene und im Glauben zu restituierende Relation des
Menschen zu Gott verdeutlicht, zutreffen.

Pot«d»m-B»bel«beiS Ilse Il^rtlnettl

auf Kontaktstellen des Glaubens. Jedoch liegt der Einwand nahe,
daß derartiges Zurückfragen auf immer abstraktere konvergierende
Prinzipien führen müsse, die statt der konkreten Vielfalt einer
Enzyklopädie letztlich die Formalismen scholastischer Gottesbeweise
zum Ergebnis haben würden - oder ein Globalproblcm
,Sinn des Lebens'.

Indes folgen die Elinzelausführungen Keils nicht schematisch
diesem Ansatz, sondern stellen eine Vielzahl durchaus interessanter
Einzelprobleme nebeneinander - allerdings durchaus bekannter
, vor allem aus dem Bereich der Sozialethik stammender, deren
Auswahl für den Zweck der Grundlegung einer „Enzyklopädie"
etwas zufällig wirkt und deren Einbettung in subtile und weitschweifige
erkonntnistheoretische Erörterungen an kantisch-nou-
kantianisehe Vorstellungen von .Grundlegung' erinnert.

Als die wichtigsten Probleme seien genannt: Die Forderung einer
materialen Ethik, ein Plädoyer für die uninteressierte, nicht sofort
engagierte .Betrachtung' (was in ein Verhältnis zur Kunst setzt),
Ansätze zu einer Theologie der Technik (das u. E. wertvollste Kapitel
des Buches), das soziale Problem vornehmlich als die Frage
von Mensch und Organisation. Sicher unhaltbar ist der - von der
Konzeption her typische - Satz: „Jedes Streben nach sozialer
Gerechtigkeit setzt also das Bingen des Glaubens um einen Gott
voraus, der jenseits aller menschlichen Standpunkte steht, sie alle
transzendierend. Die Frage nach sozialer Gerechtigkeit ist so immer
eingebettet in eine religiöse Frage, in die Gottesfrage" (S. 150).
Weiter seien genannt: Fragen der Wirtschaft und des Handels (der
um eines produktiven Wertschaffens willen, das im rechten Zukommenlassen
der Dinge an den rechten Verbraucher liege, vom
Glauben bejaht werden müsse). Natürlich fehlt auch nicht das
Gebiet Ehe, Sexualität und Erotik. Schließlich wird am Thema
,Geschichte' die Frage nach Politik (als der „zu gestaltenden Geschichte
", S. 209) und Glaube gestellt. Keil wagt Begriife wie
„Gottesdienst in der Politik, politischer Gottesdienst" (S. 213).
Die Problematik und Ambivalenz seiner ganzen Konzeption faßt
sich in dem Satz zusammen: „Politik hat Autonomie, das heißt,
sie läßt sich nicht von einem abstrakten Glauben einseitig deduzieren
, aber aus der Autonomie der Politik heraus stellt sich die
Frage nach dem Letzten, nach Gott" (S. 213).

Berlin Hnns-Ccorg Fritzsche

Keil. (J ünther: Philosophische Grundlegung zu einer Enzykolopädic
des Glaubens. Meisenheini/Glan: Hain 1975. XI, 224 S. gr. 8° -.
Monographien zur philosophischen Forschung, begr. v. G.Schisch-
koff, 144. DM 54,-.

Tendenz des Buches igt, alle Wissensbereiche und Lebensgebiete
I heologisoh zu durchdringen und in ein Verhältnis zum christlichen

Glauben zu Selzen. Von der zweiten Banner These her (Jesus ('brist
us Herr in allen Bereichen unseres Lebens) w ird dem nicht prin
zipiell zu widersprechen sein. Aber erst eine ausgeführte „Enzyklopädie
des Glaubens" kann zeigen, ob Keils theologische Arbeit
über den abstrakten Prinzipiengegensatz zwischen Königsherrschaft
Christi und Zwei-Rciche-Eehre hinausführt - was an sich
dringend zu wünschen wäre. Leider ist dieses Buch auch nur -
wieder einmal - eine „Grundlegung"; und das vom Bez. genannte
Analogieproblem spielt nur in der Gestalt eine Rolle, daß von der
Forderung der Feindcsliebo her dem Theologen und Christen ein
weiter Horizont anempfohlen wird. „So sollte es dem Glauben
möglich sein, auch die heterogensten Kulturcrschcinungcn zu lieben
und sich durch sie zu wandeln. Piaton und Aristoteles, Hegel
und Marx, Mohammed und Buddha, sie alle wollen liebend Verstanden
werden, sie alle sind für den Glauben Bausteine eines unendlichen
, über alles Endliche hinausweisenden Prozesses" (S.(>9).

Eigentlich aber geht es um eine „philosophische" Grundlegung.
Aber wie soll die „Philosophie" eine „Enzyklopädie" des Glaubens
begründen? Antwort: Radikalstes Zurückfragen nach letzter Begründung
und letztem Sinn, llauptcharaktcristikum des Philosophischen
, stoße in allen Wissens- und Lebcnsbercichen wenigstens

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Knitter, Paul: Towards a Protestant Theology of Religions. A (läse
Study of Paul Althaus and Contemporary Attitudes (mit deut-
selierJZiisammenfassung). Marburg: N. G.EIwert Verlag 1974.
MI, 213 S. gr. 9° Marburger Theologische Studien II. hrsg.
v. H.Graß und \ .<:. Kümmel, 11, Kart. DM 64,20.

„Tins work is the fruit of ecuinenism" - schreibt K. in seinem
Vorwort (XI). Angeregt von zwei katholischen Professoren, entstanden
unter der Leitung C. H. Ratschows, wurde diese Untersuchung
eines römisch-katholischen Theologen im Juli 1972 von
der Marburger Evangelischen Fakultät als Dissertation anerkannt.

Ks Buch will seinerseits weitere ökumenische Früchte hervorbringen
. Als kritischen Beitrag zum „dialogue within dialoguc"
(XI), d. h. „zur ökumenischen Diskussion zwischen Katholiken
und Protestanten über die Probleme der Begegnung mit den nichtchristlichen
Religionen" (234) versteht K. seine Untersuchung.
Er hofft, daß dadurch der „greater ecumenism" geklärt und gefördert
wird.

Bei diesem Ziel ist man überrascht, daß K. sich P. Altham zum
Gegenstand seiner Untersuchung auswählt. Indes, er erklärt sofort
, „the primary interest and objeet of the following pages is not
Paul Althaus". Nach K. zündete A. keine theologischen Bomben.
Aber er hatte einiges zu sagen, wurde respektiert und auf ihn VI urde
gehört (1). Nach der Barthschen „Revolution" war er einer der
ersten, „der eine positivere Würdigung der Religionen versucht';"
(236).