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Ausgabe:

1977

Spalte:

526-528

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Ball, Bryan W.

Titel/Untertitel:

A great expectation 1977

Rezensent:

Wendelborn, Gert

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Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 7

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gister der Vorreden" beschließt nach den ausführlichen Lüeratur-
hinweisen (1<mi Band.

Der Bibelfaxmmann nimmt diese gründliche und instruktive
Untersuchung mit großem Dank entgegen und hofft, daß auch der
Kirchenhistoriker und Theologiegesehichtier ihr die verdiente
Aufmerksamkeit schenken werden.

Bovenden Klaui Dietrich Prlcke

KIRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT

Diem, Eiermann: Ja oder nein. 50 .lahre Theologie in Kirche und
Staat. Stuttgart-Berlin: Kreuz Verlag [1974|. 29(5 S. 8°. LiW.
DM 29,50.

Im ganzen wird man die historische Krforschung des Kirchen-
kampfes seit der Veröffentlichung der wenigen Standardwerke und
der vielen Spezialuntersuchungen wohl abgeschlossen nennen können
. In diesem Rahmen ist das Buch von H. Diem, das weder historische
Dokumentation noch persönliche Biographie sein will,
deswegen besonders reizvoll, weil der Autor mit einer rückhaltlosen
Ehrlichkeit (auch sich selbst gegenüber!) Grundprobleme
von Theologie und Kirche skizziert, aber auch eine jeweilige hintergründige
Atmosphäre durch kleine Kpisoden z. B. in seinem Pfarrerdasein
in Ebersbach in Begegnungen mit Ortsgruppenleiter und
Landjäger nicht ohne Humor illustriert hat.

Ob Diem über seine Erfahrungen als profilierter Theologe der
Kirchlich-theologischen Sozietät Württembergs in den innerkirch-
lichen Auseinandersetzungen während der dreißiger Jahre berichtet
, ob er über die kirchliche Entwicklung nach 1945 und den beginnenden
Ost-VVest-Konllikt reflektiert, ob er über seine Forschungsarbeiten
als Hochschullehrer in Tübingen Rechenschaft
ablegt, Motiv seiner Stellungnahme waren niemals vordergründige
politische Analyse, kirchenpolitische Taktik oder geistesgeschichtliche
Spekulation, sondern immer die Leidenschaft eines Mannes,
der sich als Theologe ganz und gar der von ihm erkannten biblischen
Wahrheit verpflichtet wußte, auch wenn er sich damit gelegentlich
zwischen alle Stühle gesetzt hat. So wird man denn ausführlich
über die tiefen Spannungen zwischen ihm als dem führenden
Kopf der Kirchlich-theologischen Sozietät und Landesbischof
Wurm und der Stuttgarter Kirchenbürokratic informiert. Weil
Diem als Theologe mit unbestechlicher Klarheit von Anfang an
den jahrhundertealten geistlichen Schaden erkannte, der im Aufstand
der Deutschen Christen nur auseiterte, und weil er in D.
Wurm den durch eine konservativ-nationalprotestantische Haltung
gebundenen Kirchenführer sah, deshalb haben seine Polemik
und seine Kritik gegenüber dem zwiespältigen Verhalten des Landesbischofs
und gegenüber der Kirchenpolitik der lutherischen
Bisehöfe, die zur Zerreißprobe und am Ende zur Selbstliquidierung
der Bekennenden Kirche geführt haben, einen grundsätzlichen
Charakter. Dafür zeugt sein höchst aufschlußreicher und in der
Sache fairer Brief an D. Wurm vom 18. 3. 1939 (S. 93-114). Trotzdem
steht die Frage offen, ob die Schroffheit, mit der Diem auch
über das „Einigungswerk" und die briefliche Protestaktion in
Sachen Euthanasie durch Bischof Wurm (S. 91, 128) urteilt, gerechtfertigt
ist. Selbst Karl Barth hat doch in einem neuerdings
publizierten Brief (vgl. E. Busch, Karl Barths Lebenslauf, 1975,
S. 341) im Blick auf seine Begegnung mit Wurm in Treysa 1945
von einem Resjrekt gesprochen, der ihm da abgenötigt worden sei!
In einer damals so seltenen Klarsicht hat H. Diem schon 1945 erkannt
, welche folgenschwere Bedeutung es hatte, „daß man 1945
statt eines ,Neuanfangs' den Weg der Restauration wählte" (S. 184).
Sein Brief an H. Thielicke vom 3. 1. 1940 zu dem Problem der unerledigten
Schuldfrage des deutschen Volkes (S. 153ff.) ist ein
Zeugnis, das seine Aktualität bis in die Gegenwart nicht verloren
hat. Ebenso wirkt leine 194(i im Radio gehaltene Ansprache wie
prophetisch, wenn es da hieß (S. 104): „Die Restauration der alten
Kirche, die frühestens an den Zustand vor 1933 anknüpfen will,
hat für sich den Vorteil des leichteren Weges, auf dem nichts gewagt
werden muß und der den meisten Gemeindegliedern einleuchten
wird" . „Nur mit tiefer Sorge konnte er konstatieren, daß die
politische Wendung der Kirche zum „christlichen Abendland" im
Westen schon ihre tiefen Schatten auf die Kirche geworfen hatte
(S. 177).

Eines der eindrucksvollsten Kapitel in der Theologiegeschiehte
des XX. Jhs. ist zweifellos die jahrzehntelange Auseinandersetzung
zwischen Barth und Bultmann und ihren jeweiligen Schülern bis in
die fünfziger Jahre hinein. H. Diem hat sich in einer „Vermittlerrolle
" um eine Verständigung mit Bultmann und um einen Weg
bemüht, „auf dem die hoffnungslos zerstrittenen Dogmatiker und
Exegeten überhaupt wieder miteinander reden konnten" (S. 272).

Im übrigen erhöhen einige abgedruckte Briefe Karl Barths an
H. Diem, an deren unverwüstlicher Frische man nur sein Entzücken
haben kann, den Reiz dieses Buches.

Zwei Irrtümer sind zu berichtigem Das sog. Darmstädter Wort
des Reichsbruderrates „Zum politischen Weg unseres Volkes"
wurde nicht im Mai 1948 (so auf S. 200), sondern am 8. August
1947 veröffentlicht. Zweitens: Die von der Volksrepublik Ungarn
gemäß dem Staatsvertrag an die Kirchen gezahlten Zuschüsse
wurden nicht am 31. 12. 1953 eingestellt (s. S. 221), sondern werden
über den im Vertrag festgesetzten Zeitraum bis heute in verkürzter
Form fortgesetzt.

Fürstenwalde Günter Jacob

Ball, Bryan W.: A Grcat Expectation. Esohatological Thought in
English Protestantism to 1660. Leiden: Brill 1975. XIII, 281 S.
gr. 8° = Studios in the History of Christian Thought, ed. by
H.A.Oberman, XII. Lw. hfl. 62.-.

Die große Rolle eschatologischer Vorstellungen und Erwartungen
in reformatorisehen und revolutionären Gruppierungen im
England der Mitte des 17. Jhs. war vor allem von britischen Historikern
in letzter Zeit häufig untersucht worden. Bryan Ball, ein
Schüler von Geoffroy F. Nuttall, Inhaber wissenschaftlicher Grade
der Universitäten St. Andrews und London und Präsident der
Nordengland-Konferenz der Adventisten des 7. Tages, verfolgt im
Unterschied zu jenen Untersuchungen keine allgemein historische,
sondern eine theologische und kirchenhistorische Zielsetzung: Er
will in seiner recht ausführlich gehaltenen Studie, der ersten Gesamtdarstellung
eschatologischer Gedanken in der anglikanischen
Kirche des 17. Jhs. und den aus ihr hervorgegangenen bzw. in ihr
verbliebenen puritanischen Gruppen das sachliche Schwergewicht
der eschatologischen Hoffnung selbst aufzeigen. Er bemüht sich
erfolgreich um den Nachweis, daß es seit dem 16. Jh. in England
eine brennende Naherwartuug gab, die zum Teil von den reformatorischen
Theologen Zentraleuropas mit angeregt war, sich im
Laufe des 17. Jhs. zur „great expectation" ausweitete, im Zeitraum
1640-1660 ihren Höhepunkt erreichte und auch in den folgenden
Dezennien noch in beträchtlichem Maße nachwirkte. Diese
Erwartung könne nicht auf den l'uritanisinus eingegrenzt werden,
da ihre Anfänge schon Jahre vor dessen Aufkommen liegen. Dabei
leugnet Ball nicht, daß das puritanische Glaubensverständnis viel
zur Ausbreitung und Vertiefung dieser Hoffnung beitrug, er weist
jedoch daraufhin, daß sich die einzelnen Spielarten dieser eschatologischen
Naherwartung - freilich in unterschiedlicher Intensität -
im Anglikanismus, Puritanismus, Presbyterianismus und Kongregationalismus
finden. Auch der Chiliasmus - die englische Unterscheidung
zwischen chiliasm und prcmillenialism ist dem kontinentalen
Leser nicht völlig einsichtig - im allgemeinen und der
Quintomonarohismus im besonderen sind nur Spezifika und Zuspitzungen
einer fast sämtliche Zeitgenossen erfüllenden Hoffnung.
Das Schwergewicht der Untersuchung Balls liegt nicht bei ihnen
sondern bei den gemäßigten Gruppen, denen sichtlich seine Sympathie
gilt, denen er aber völlig zu Recht sein Hauptaugenmerk
zuwendet, sofern sie bisher nicht im Mittelpunkt des Interesses
standen. Der Glaube an Christi Wiederkehr befand sich damals im
Hauptstrom christlichen Donkens, nicht im Stauwasser von Sekten
und Splittergruppen. Nie zuvor oder danach erlebte England
(und Schottland) eine solche Intensität konkreter Zukunftshoffnung
apokalyptischer Färbung. Zum Beweis dessen durchforschte