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Ausgabe:

1977

Spalte:

523-525

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Quack, Jürgen

Titel/Untertitel:

Evangelische Bibelvorreden von der Reformation bis zur Aufklärung 1977

Rezensent:

Fricke, Klaus Dietrich

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Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 7

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sehen Lutherforschung hat Wolf sicher einen wertvollen Vermittlungsdienst
geleistet. Wir sind der Meinung, daß Luther nicht nur
ein deutsches Phänomen darstellt, sondern von universaler geschichtlicher
und theologischer Relevanz ist. Das können vielleicht
nicht-deutsche Beitrüge besonders zeigen. Sie können auch die
Vielfalt der reformatorischen Bewegung zur Sprache bringen. Indem
Luther nach Frankreich kommt, vollzieht sich ein Aneig-
nungs- und Über.setzungsprozeö, den zu verfolgen sich durchaus
lohnt. In seinem Buch hat Wolf auch auf einige bleibende Aufgaben
der Forschung hingewiesen. So fordert er „in einer größeren
Arbeit, der Frage nachzugehen, inwieweit Luthers Sprache durch
die verschiedenen Übersetzungsstadien an Farbigkeit verloren hat,
wenn auch in der bis heute nicht übertroffenen Gesamtdarstellung
zur Verbreitung von Luthers Schriften in Frankreich (= W.O.
Moore, La Reforme allemande et la litterature francaise, 1930) behauptet
wird, daß in diesem Prozeß nichts von Luthers sprachlichen
Nuancierungen verloren gegangen sei" (S. 10, Fußnote 13).

Mit Recht stellt er ein weiteres Desiderat der Forschung heraus:
„Trotz vieler regionaler Reformationsgeschichten fehlt es an einer
detaillierten Gesamtdarstellung, in der Umfang und Auswirkung
von Luthers Schriften in Frankreich voll ausdiskutiert werden"
(S. 216). Leider hat der Vf. auch recht in seiner Feststellung:
„Eine gründliche Darstellung, in der die Theologie des Erasmus
und die Luthers gleichwertig nebeneinander gewürdigt w ird, fehlt
uns noch aus dem französischen Sprachbereich" (S. 224).

Man wünscht sich viele solche Dissertationen wie diejenige von
Wolf, in der wissenschaftliche Akribie, Vertrautheit mit dem Stoff,
hohe Sachlichkeit und flüssige, anregende Darbietung den Leser in
ihren Bann ziehen.

Strasbourg Marc Lleuhanl

Quack, Jürgen: Evangelische Bibelvorreden von der Reformation
Iiis zur Aufklärung. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd
Mohn [1975]. 356 S. gr. 8° = Quellen und Forschungen zur
Reformationsgeschichte, hrsg. vom Verein für Reformal ions-
geschichte, X LIII. Lw. DM 58,-.

Wenn man in einem Standardwerk der heutigen Theologie wie
der RGG einen Artikel über „Bibelvorreden" sucht, so sucht man
vergebens. Ja noch nicht einmal in den Registerband ist dieses
Stichwort aufgenommen. Um so erfreulicher ist, daß bereits die
zweite Dissertation aus der Heidelberger Schule Heinrich Bornkamms
im Druck vorgelegt wird. Als Band 43 der „Quellen und
Forschungen zur Reformationsgeschichte", herausgegeben vom
Verein für Reformationsgeschichte, erschien 1975 Jürgen Quacks
Untersuchung über „Evangelische Bibelvorreden von der Reformation
bis zur Aufklärung". Sie schließt zeitlich und sachlich an
die 1970 als Band 39 derselben Reihe veröffentlichte Dissertation
(Heidelberg 1964) von Maurice Schild mit dem Titel „Abendländische
Bibelvorreden bis zur Lutherbibel" an, die m.W. in dieser
Zeitschrift nicht besprochen wurde. Schild untersucht hier auf
rund hundert Seiten (S. 166-264) die „Vorreden Luthers in seiner
Bibelübersetzung" und schließ! mit einer kurzen „Rflekaohau und
Ausblick-' (S. 265-277). Hierin skizziert er noch einmal knapp das
Verhältnis Luthers zur vorangegangenen Tradition, wirft einen
kurzen Blick auf „neue Vorreden während und nach der Reforrna-
tion" und bespricht in Kürze die „Vulgata-Prologe während und
nach der Reformation". Wichtig ist dabei sein Urteil, daß sich
keine bestimmte literarische Form der Bibelvorrede herausgebildet
hat (S. 266), ein Urteil, das sich auch Quack bei seiner Arbeit
bestätigt hat: „Bibelvorreden sind keine literarische Gattung mit
bestimmten Traditionen und formalen Gesetzen" (S. 11).

Quack kann überhaupt fast nahtlos an Schild anknüpfen. lediglich
im ersten Kapitel überschneidet er sich mit seinem Vorgänger.
Aber das ist sachlich notwendig; denn da die späteren Vorreden
ohne Luthers Beispiel kaum denkbar sind, muß er kurz auf die
Ausgaben und die Hauptgedanken von Luthers Bibelvorreden von
1522-34 eingehen (S. 13-18). Denn „Luthers Bibelvorreden (waren
) nicht nur Abschluß, sondern auch zugleich ein Anfang einer
neuen Reihe von Bibelvorreden" (S. 9). Im übrigen gilt es, da er

den Zeitraum bis zur Aufklärung durchmessen will, sich weise zu
beschränken. Das tut Quack auch: Er beschränkt sich zunächst
auf die deutschsprachigen Vorreden - mit Ausnahme der schwedischen
Vorreden zum NT von 1526 (2. Kapitel S. 19-28) und der
französischen Vorreden Calvins (6. Kapitel 8. 89-116). Er beschränkt
sich weiter auf die Vorreden im evangelischen Raum
mit Ausnahme der wichtigsten katholischen Bibelvorreden der
Reformationszeit (3. Kapitel S. 29-37). Und er beschränkt sich
drittens dadurch, daß er Widmungsvorreden nur dort in Beine
Untersuchung aufnimmt, wo sie zugleich auf den Inhalt der Bibel
Bezug nehmen. Dafür kann er dann aber auch sagen, daß er „bei
der Darstellung der evangelischen deutschen Vorreden Vollständigkeit
" anstrebt (S. 29). üb ihm tatsächlich Vollständigkeit gelungen
ist, vermag der Rezensent nicht zu sagen. Es könnte sein,
gibt Quack selbst zu bedenken, daß vor allem für den Zeitraum bis
1700 sich „in einzeln herausgegebenen Bibelteilen noch weitere
Vorreden linden ließen. Die Suche nach den Vorreden wird dadurch
erschwert, daß sowohl Kataloge und Bibelverzeichnisse als
auoh Geschichten der Bihelausgaben und -Übersetzungen selten
von ihnen Notiz nehmen" (S. 12 Anm. 10). Angesichts dieser offen
zutage liegenden Erschwernisse hat man dem Verfasser für seine
Findigkeit und die Gründlichkeit seiner Darstellung doppelt dankbar
zu sein.

Die Darstellung ist so konzipiert - und hier erfüllt der Vf. ein auf
der Hand liegendes Desideratum des Lesers, der die Bibelausgaben
in den wenigsten Fällen selbst einsehen kann -, daß er aus den
Original vorreden in diplomatisch getreuer Orthographie möglichst
viel zitiert. So bringt er zu den einzelnen Besprechungspunkten,
die er übersichtlich der Reihe nach abhandelt, eine Fülle von hochinteressantem
Material. Oft handelt es sich dabei gerade um die
Abschlüsse der Vorreden, die, weil sie meist Zusammenfassungen
sind, wörtlich zitiert werden. Es ist schwer verständlich, daß die
Kirchen- und Theologiegeschichte dies Quellenmaterial - soweit
ich sehe - noch kaum verwertet, ja eigentlich noch nicht einmal
entdeckt und in seiner Bedeutung erkannt hat. Dabei ließe sich
anhand dieses Materials fast eine Theologiegeschichte in nuce
schreiben, noch dazu eine, die aus dem Raum der Wissenschaft
hinausgreift in das Gebiet VOn Frömmigkeit und Lebender Kirche.
Denn „die Vorreden der Ubersetzer oder Herausgeber von Bibeln
. . . geben einen interessanten Einblick in die Ansichten ihrer Verfasser
und ihrer Zeit" (S. 9). „Obwohl sie eigentlich nur von der
Heiligen Schritt- ausgeben und in sie einführen wollen, zeigen sie
doch auch deutlich den theologischen Standort ihres Verfassers"
(S. 117).

Um das näher darzulegen, fehlt hier der Raum. Ja noch nicht
einmal einige Arbeitsergebnisse und Feststellungen des Verfassers
können wir anführen, um das eben abgegebene Urteil zu illustrieren
. Lediglich der Chroiristenpflicht können wir genügen und eine
kurze Inhaltsübersicht geben, soweit die Kapitel nicht bereits genannt
wurden. Von Bibel vorreden der Reformationszeit handeln
die Abschnitte über Lud« ig Hätzer (4. Kapitel S. 38 46) und über
die Zürcher Bibel (ö. Kapitel 8. 47 88). Das 7. Kapitel behandelt
eine anonyme Vorrede - sie stammt von Robertus Stephanus -
und ihre verschiedenen, noch kaum erforschten Bearbeitungen und
Nachwirkungen (S. 117-129). Anschließend werden Separatausgaben
des Psalters mit Veit Dietrichs Summarien, weiter die von
Nicolaus Selneccer 1572, von Christoph Cornerus 1572, von Martin
Faber 1576 und von B. Jobin 1589 sowie eine anonyme Vorrede
eines undatierten Psalters aus Frankfurt/Oder besprochen (S. 130
bis 134). Ausführlich geht der Vf. auf den Streit um Luthers Bibel
unter den Lutheranern selbst und im (iegenüber zu den Ca] vi nisten
ein (9. Kapitel S. 135-150). Es folgt die Behandlung der Vorreden
des 17.Jhs. auf reformierter (10. Kapitel S. 151-161) und lutherischer
Seite (12. Kapitel S. 166-230) sowie der Vorreden zu soziani-
schen Bibelübersetzungen (11. Kapitel 8. 162-165). Im 13. Kapitel
bespricht der Vf. ausführlich die Bibelvorreden des Pietismus
(S. 231-321), im 14. die Ausgabe von Chr. M. Pfaff von 1729 als
hervorragenden Zeugen der Übergangstheologie. Mit der Untersuchung
der .AVertheiiner Bibel" von 1735 im LS, und letzten Kapitel
schließt der Vf. seine Untersuchung der evangelischen Bibelvorreden
ab, die ihn „dicht vor die Schwelle der Aufklärung geführt
" hat (S. 329-348, Zitat auf S. 348). Ein vollständiges „Rc-