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Ausgabe:

1977

Spalte:

516-518

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Donfried, Karl P.

Titel/Untertitel:

The setting of second Clement in early Christianity 1977

Rezensent:

Strobel, August

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Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 7

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Herausgeber erfahren will. Denn auch die Verweise auf dio „rechtfertigenden
Noten" finden sich nicht bei den Texten, sondern bei
der französischen Übersetzung. Diese Ausgaben von Buch IV und
V erschienen als Band 100,1-2 und 152-153 der Sources Chretien-
nes und wurden in ThLZ 92, 1967 Nr. 12 und 96, 1971 Nr. 9
besprochen.

Die hier anzuzeigende Ausgabe des dritten Buches ist eine völlige
Neubearbeitung, wobei natürlich auch die äußere Angleichung an
die vorausgegangenen Bande hergestellt wurde. Wichtiger aber ist,
daß die dort erarbeitete und bewährte Methode, die beschriebenen
zwei Arbeitsschrittc in der Ausarbeitung, Darbietung und Benutzung
, auf Buch II übertragen wurde, obwohl es nicht die gleichen
Voraussetzungen bietet. Denn es fehlt hier ja die Ubersetzung ins
Armenische bis auf kleine Reste. Trotzdem haben die Herausgeber
auch hier die griechische Rückübersetzung gewagt. Sie durften
davon ausgehen, daß der Mangel an Material wettgemacht wird
durch die große methodische Erfahrung, die sie an Buch IV und V
gewonnen haben und dio ihnen vor allem die Eigenart des lateinischen
Übersetzers so vertraut gemacht hat, daß sie auch ohne den
Vergleich mit einer zweiten Übersetzung, ja oft auch ohne die
Stütze aus indirekter Überlieferung, die Retroversion vornehmen
konnten. Der Benutzer wird ihnen für diese große Hilfe beim Eindringen
in die Gedankenwelt und Sprache des Irenäus dankbar
sein, ohne die Tragfähigkeit der Ergebnisse zu überschätzen. In der
neuen Ausgabe, deren Einzelheiten nach dem früher über die Anlage
des Ganzen Gesagten nicht mehr beschrieben zu werden brauchen
, hat sich der Umfang des Buches III verdoppelt, so daß er wie
Buch IV und V auf zwei Hände verteilt wurde.

Hingewiesen sei jedoch darauf, daß der kritische Apparat zum
lateinischen Text wesentlich verbessert wurde. Im Gedanken an
eine spätere editio maior hatte Sagnard sich auf drei von elf erhaltenen
Handschriften beschränkt, bei Bedarf aber noch zwei
Gruppen von Auszügen in einer Handschrift von Salamanca herangezogen
. Seine Annahme, es handle sich bei diesen zwei Reihen um
zwei selbständige Zeugen, ist jetzt aus scharfsinnigen, m. E. überzeugenden
Gründen aufgegeben worden. Da auch eine römische
Handschrift (Q) neu berücksichtigt wurde, ruht der Text nunmehr
auf fünf Zeugen, die der Apparat vollständig verzeichnet; ja die
handschriftliche Basis ist sogar noch breiter, da jetzt auch Angaben
des Erasmus über die in seiner Erstausgabe benutzten Handschriften
im Apparat notiert werden. Ein neues Stcmma macht
verständlich, daß in allen Zweigen der Überlieferung der richtige
Text erwartet werden kann, woraus sieh ergab, daß der Vorgang
der ältesten Handschrift (C, in Berlin) in der neuen Ausgabe abgenommen
hat.

Als Beispiel für das angewandte kritische Verfahren und seine
Tragweite gegenüber der früheren Ausgabe möge eine christolo-
gisch bedeutsame Stelle (Kap. 19,3 Anfang) dienen. Bei Sagnard
lautet der lateinische Text: Sicut enim homo erat ut temptaretur,
sie et Verbum ut glorificaretur, requiescento quidem Verbo ut
posset temptari ... et mori, absorto (= absorpto) autem nomine in
eo quod vineit... et adsumitur. Ein in der zweiten Spalte gedrucktes
Fragment aus dem Eranistes des Tbeodoret spricht nicht von
„Absorbierung" des Menschen (in Christus), sondern sagt:
ovyytyofjjvov tfs nji ävH-Mown (im Siegen usw.). Als ursprünglichen
Text legte die französische Übersetzung Sagnards den lateinischen
zugrunde. Die neue Übersetzung verfährt ebenso, nur vermeidet
sie Sagnards Ergänzung, der Mensch sei in dem Logos „versunken
"; vielmehr denkt sie an den Herrn und Erlöser, der Gottes-
und Menschensohn ist. Beide Ausgaben halten also das griechische
Fragment an dieser Stelle für fehlerhaft und folgen ihm nicht.

Trotzdem muß man nun auch prüfen, wie dieser griechische
Text in der Überlieferung als Zitat von den Herausgebern behandelt
wird, obwohl dieser „erste Schritt" den zweiten nicht beeinflußt
hat. Während das Zitat bei Sagnard zwei Verhaltensweisen
des Logos gegenüber dem Menschen nennt, eine ruhende und eine
tätig-helfende, bringt die neue Rezension Aussagen über die Ruhe
des Logos und das Handeln des Menschen. Der Text lautet nämlich
jetzt: avyyivofi i'uv tte ruf äi>!t(>d>inv und ruht auf der ältesten der 9
benutzten Handschriften (I). II insichtlich der Vokabel ovyyivtvfhal
schwankt dio Überlieferang nicht; doch erweckt sie sowohl inhaltlieh
wie als Vorlage zu ,absorto' Verdacht. Man kann einmal annehmen
, daß Theodoret den Text so las wie Sagnard und ältere
Herausgeber. AVenn dio Hälfte der Handschriften auch das Partizip
im Dativ bieten, so ergibt dies keinen Sinn. Man kann sich den
Weg der Überlieferung vielmehr folgendermaßen denken. Irenäus
sagte (vgl. absorto) unbefangen: xaramyouivoD <fe ruf är&nmnov
(s. die Retroversion und die Note justificative). Dann wurde das
Verb, sei es aus Irrtum, sei es mit Absicht, weil man ein Versinken
des Menschen in Christus nicht einmal im Bilde länger ertrug, in
ovyyivouevov geändert, und zwar so früh, daß es in allen Handschriften
steht. Da aber der Mensch als Subjekt des helfenden Hinzutretens
zum Logos unerträglich war, wurde er zum Dativobjekt gemacht
. So hätte dann Theodoret den Text gelesen und bezeugt
(oder selbst gestaltet V). Wenn diese Vorstellung zutrifft, wäre m. E.
nach den Grundsätzen von Doutreleau und Rousseau diese Lesung
wie bei Sagnard in den Theodoret-Text zu setzen, die Abweichung
der Handschrift I in den zugehörigen Apparat und die dem Lateinischen
folgenden Rekonstruktion - wie es ja geschehen ist - in die
französische Übersetzung und die griechische Rückübersetzung.
Die jetzige Fassung des Theodorettextes dürfte eine zwischen
Irenäus und Theodoret stehende Stufe darstellen.

Für das inhaltliche Verständnis des Textes gibt die neue Ausgabe
weniger Hilfen als dio frühere, doch werfen dafür die rechtfertigenden
Noten und die Erörterung des Werkplanes nicht wenig
ab.

Nachdem nunmehr die drei darstellenden Bücher Adversus hae-
reses in einer vorzüglich gearbeiteten und hervorragend gedruckten
Ausgabe vorliegen, wünscht man sich ein baldiges Erscheinen
der ersten beiden Bücher, zumal diese für die derzeitige lebhafte
< Inosisforschung sehr wicht ig sind.

St. Augiwlln i Heinrich Karpp

Donfried, Kail Paul: The Setting of Sccond Clement in Karly
Christianity. Leiden: Brill 1974. X, 240 S. gr. 8 Supplements
fco Novum Testamentum, cd. by W.C. van Unnik, XXXVIII»
Lw. hfl. 58,-.

Die vorliegende Arbeit, eine Heidelberger Dissertation des Jahres
1968, gebt energisch die zahlreichen Probleme des sogen.
2. Klemensbriefes an, einer zu Unrecht vernachlässigten Schrift.
Dio Wolke von Zeugen, die der Vf. im Vorwort benennt, läßt einen
wertvollen Beitrag ahnen, wenn freilich der Bogen der Argumen
tation (ist es nur ein Schönheitsfehler?) eingangs überspannt ist.
In aller Form wird eine These über die Entstehungsverhältnisse
der Schrift vorgetragen, der man schwerlich zustimmen wird: ,The
intervention of 1 Clement was successfid and those presbyters who
had been removed from office were in all probability reinstated.
It is our thesis that shortly after their reinstatement (sc. 96-98 n.
Chr.) these presbyters wrote a hortatory discourse, known to us as
2 Clement, whieh one of them read to the Corinthian congregation
for worship' (S. 1). Mag auch mit 2 Klein 7,1 eine korinthische Abfassung
der Schrift plausibel sein, für eine so spezielle und frühe
Situationsbezogenheit geben die Ausführungen nach Dafürhalten
des Rez., der hierin wahrlich nicht allein steht, in keiner Weise
etwas her. Der Vf. hat seine bescheidenen Argumentationsmöglichkeiten
, denen im wesentlichen die Stellen I,3ff. und 19,1 zugrunde
liegen, überschätzt. Er sieht nicht oder will nicht sehen, wie erheblich
der Unterschied zum 1. Klemensbrief genau in diesem Punkte
ist. Wenn am Ende bemerkt wird (1. 13): ,Thus 2 Clement is far
better acquainted with the reality of the Situation than 1 Clement',
dann sind u. E. die Dinge schlechterdings auf den Kopf gestellt.
Sieht man nun aber von diesem waghalsigen Einstieg des 1. Abschnitts
(S. 1^48) über ,Literary and bistorical problems' ab, so
wird die Freude über die kenntnisreiche Erarbeitung neuer Gesichtspunkte
schnell größer. Hier wird dann auch deutlich, daß
die Stärke dieses Beitrags nicht in der umgreifenden Konzeption
liegt, sondern in der vielseitigen Detailanalyse, zunächst vor allem
in der Analyse des Stils und des Auf bans.

Der Nachweis einer nichtbrieflichen Homilie, genauer ekler:
,hortatory adress intlueneed by Hellenistic rhetorie' (S. 36), ist im
Endeffekt überzeugend, wie auch die eingehenden Vergleiche mit