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Ausgabe:

1977

Spalte:

474-475

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Maurer, Justus

Titel/Untertitel:

Das Verhalten der reformatorisch gesinnten Geistlichen Süddeutschlands im Bauernkrieg 1525 1977

Rezensent:

Maurer, Justus

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473

Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 6

474

REFERATE ÜBER THEOLOGISCHE DISSERTATIONEN IN MASCHINENSCHRIFT

Kyuun-Tschin Kim (aus Korea): Gottes Sein in der Geschichte
. G. W. F. Hegels Gottes- und Geschichtsverständnis
nach seiner „Vernunft in der Geschichte" und theologische
Kritik an Hegel am Beispiel Karl Barths. Diss. Tübingen
1975. 249 S.

Die Einleitung der Arbeit gibt zur Einführung einen kurzen
Uberblick über die bis heute nicht eindeutig entschiedene
Diskussion über die Theologizität der Hegeischen Philosophie
und stellt ihre Aufnahme in das theologische Denken
kurz dar. Sie formuliert eine Leitfrage der Arbeit, indem
sie die jüngst von M. Theunissen vertretene „eschatolo-
gische Konzeption" der Hegeischen Philosophie als eine
Thematik der theologischen Diskussion hervorhebt.

Im ersten Teil der Arbeit wird versucht, Hegels Gottes-
und Geschichtsverständnis im grundlegenden Teil seiner
Vorlesungen über die Philosophie der Weltgeschichte, „Die
Vernunft in der Geschichte", darzustellen und die Leitfrage
zu beantworten. Nach dieser Untersuchung ist für Hegel die
wesentliche Bestimmung Gottes im „Geist" gegeben, der
sich „zu seinem Werk macht und so sich Gegenstand wird".
Gott entäußert sich zu dem Bewußtsein und der Willenstätigkeit
des einzelnen Menschen, den weltgeschichtlichen
Heroen und dem Volksgeist, und diese bilden den geschichtlichen
Seinsmodus Gottes. Der endgültige Seinsmodus ist
für Hegel der Volksgeist, in seiner konkreten Gestalt der
Staat als „das sittliche Ganze", ein „Allgemeines", dem sich
die Individuen wissend und somit zur Freiheit gelangend
unterwerfen. Die Wirklichkeit des Staates in seinen verschiedenen
Lebensbereichen ist die Entfaltung des Geistes.
Hiermit versöhnt sich Gott mit der weltlichen Wirklichkeit
und vollbringt die in Christus ein für allemal, aber „erst an
sich" geschehene Versöhnung auf der weltgeschichtlichen
Ebene. Die Weltgeschichte wird damit als der Verwirklichungsprozeß
der in Christus geoffenbarten Versöhnung
Gottes verstanden. Die höchste Gestaltung dieser in der Religion
vorgestellten Versöhnung ist das Denken als der Gegenstand
der Philosophie.

Die Versöhnung Gottes mit der weltlichen Wirklichkeit
bedeutet aber bei Hegel nicht die Rechtfertigung einer bestimmten
Wirklichkeit, sondern deren Negation und Aufhebung
in die höhere Wahrheit; denn Gott negiert die Bestimmtheit
der Wirklichkeit und setzt sein Wissen von sich
zur Vollbringung und Verwirklichung seiner Wahrheit fort.
Indem die bestimmte Wirklichkeit negiert und ins „Höhere"
aufgehoben wird, tritt „das Neue" hervor. Die Aufhebung
bedeutet daher gerade das Hervortreten des Neuen. Das
Fortsetzen dieses Geschehens bringt in der Welt das Neue
hervor, und die Welt erfährt das Wissen Gottes von sich
selbst als sein Kommen. Da das Kommen Gottes bei Hegel
mit der Freiheit des Menschen verbunden ist, sieht Hegel in
der Weltgeschichte den Prozeß, durch den sich die Idee der
menschlichen Freiheit verwirklicht. So geht auch für Hegel
in der Tat der Prozeß, der in Christus angebrochen ist, über
den preußischen Staat zu Lebzeiten Hegels hinaus. Durch die
ganze Tätigkeit hindurch zielt Gott auf die „Rückkehr zu
sich" selbst. Diese Rückkehr erblickt Hegel in dem in Gott
eingeschlossenen „Kreislauf", dessen Anfang und Ende in
Gott besteht. Hegel setzt die Identität der Rückkehr und des
Zurückgekehrtseins aller Bewegung voraus. Da aber die
vorausgesetzte Identität für die empirische Geschichte
als eine zukünftige Wahrheit aussteht und zugleich
jene Rückkehr (für die empirische Geschichte) nicht als
Rückgang zum Vergangenen, sondern als Fortgang,
als die vorwärtsgewandte Bewegung der Geschichte verstanden
wird, zeigt Hegels Denken eine eschatologische Zukunftsperspektive
.

Im zweiten Teil der Arbeit wird versucht, K. Barths Hegel
-Interpretation und -Kritik aufzunehmen und dadurch
aufzuzeigen, warum es für die Theologie noch schwer ist,
Hegels Gottes- und Geschichtsverständnis zu akzeptieren,
obwohl seine Philosophie Ansätze zum theologischen Denken
bietet. Nach Barth hat Hegel „die Wirklichkeit und das
Wesen jenes Gott und Menschen trennenden Faktors", d. h.
das Böse und die Sünde, in die Bewegung des Geistes mit
einbezogen, des Geistes, „der seinerseits mit Gott eins und
dasselbe ist", und das menschliche Wesen mit dem göttlichen
identifiziert. Demzufolge ist der Gott Hegels nichts
anderes als der Mensch, und zwar der Mensch als das denkende
Wesen; die Selbsterkenntnis des Menschen ist mit
der Gotteserkenntnis, das Selbstvertrauen des Menschen
mit dem Gottvertrauen und die Geschichte des Menschen
mit der Geschichte Gottes identisch. Was der Mensch in seinem
Denken vollzieht, ist mit dem identisch, was Gott tut.
Hier kann die Rede nicht von der Freiheit und der uner-
meßbaren Gnade Gottes sein. Versöhnung und Erlösung
sind nicht die freie Tat Gottes aus seiner Gnade, sondern bestehen
in der Selbstbewegung des menschlichen Denkens.
Offenbarung Gottes ist nicht das unwiederholbare Ereignis
Jesu Christi, sondern das Ergebnis der Beschäftigung des
Menschen mit sich selbst. Die Annahme der Hegeischen
Identifikation von Gott und Mensch würde wohl bedeuten,
„daß Gott aufgehört hätte, Gott zu sein, um nur noch Kreatur
zu sein. Oder umgekehrt, daß der Mensch mit seinem
Vermögen selbst ein Gott geworden wäre". Die Arbeit versucht
zum Schluß mit der Frage, ob Barths Kritik an Hegel
in allen Aspekten richtig ist, die im ersten Teil gezeigte,
aber von Barth vernachlässigte eschatologische Zukunftsdimension
des Hegeischen Gottes- und Geschichtsverständnisses
zu verdeutlichen; damit kann sie vielleicht zum theologischen
Gespräch mit Hegel beitragen.

Maurer, Justus Hermann: Das Verhalten der reformatorisch
gesinnten Geistlichen Süddeutschlands im Bauernkrieg
1525, 2 Teile. Diss. Tübingen 1975. 395 u. 404 S.

Die Arbeit will den Zusammenhang von Reformation und
Revolution auf einem speziellen Gebiet, im Verhalten der
reformatorisch gesinnten Geistlichen Süddeutschlands im
Bauernkrieg 1525, darstellen. Vorbereitend wird festgestellt:
Die Geistlichen gingen ursprünglich nicht von ökonomischen
Fragen, sondern von der durch Luther neu entdeckten Rechtfertigungslehre
des Paulus und überhaupt von der Neuorientierung
am Bibelwort aus (Kap. 1). Sie bereiteten aber
durch ihre Kirchenkritik die Revolution vor (Kap. 2). Außerdem
griffen sie auch der Theologie ferner stehende Fragen
der Ökonomie, des Rechts und der Politik schon vor dem
Bauernkrieg auf (Kap. 3), wenn auch die Kirchenkritik
überwog. So ist es verständlich, daß die Frage, ob das Evangelium
Aufruhr errege, schon vor dem Bauernkrieg zwischen
allen Parteien heftig diskutiert wurde (Kap. 4). In dieser
Diskussion bildeten sich verschiedene Lehren über die Obrigkeit
heraus (Kap. 5), so daß die Geistlichen nachher im
Bauernkrieg meist keine unerwartete Entscheidung treffen
mußten, sondern sehr häufig den vorher erarbeiteten Standpunkt
durchhalten konnten.

Am Ausbruch des Bauernkriegs läßt sich zeigen, daß er
seine Vorgeschichte mindestens ebensosehr in der Kirchenreformation
wie in der Tradition der politischen Aufstände
der vorausgehenden Jahrzehnte hatte. Aber auch das Ziel
des Bauernkriegs war weitgehend nichts anderes als die
praktische Durchführung der Kirchenreformation (Kap. 6).
Das Verhalten der reformatorisch gesinnten Geistlichen
spaltete sich deshalb an der Revolution. War man sich einig,
daß die Revolution aus der Reformation, sei es durch die
Unterdrückung des Gottesworts, sei es durch die irrige
Schriftauslegung „falscher Propheten" hervorgegangen war,
so trat nun ein Teil der Geistlichen für eine gewaltlose
Handhabung des Evangeliums (und damit zugleich für die
gewaltsame Unterdrückung des Aufruhrs) ein, ein anderer
Teil aber für die gewaltsame Durchsetzung oder Beschirmung
des Evangeliums (Kap. 7). Die Folge war, daß in der
Katastrophe des Aufruhrs der eine Teil unterging. Aber