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Ausgabe:

1977

Spalte:

458-460

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Beintker, Horst

Titel/Untertitel:

LaRondelle, Hans K., Perfection and perfectionism 1977

Rezensent:

Beintker, Horst

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457

Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 6

458

BK der ApU und der unter schwierigsten Bedingungen
arbeitenden Kirchlichen Hochschule in Berlin zuteil. Die Politik
Theodor Heckeis und seiner Mitarbeiter im Kirchlichen
Außenamt sollte noch kritischer beleuchtet werden
(112). Eingehend werden die Gutachten von Universitätstheologen
zum Arierparagraphen analysiert, wobei das Gutachten
der Marburger Fakultät eine verdiente Würdigung
findet (114), während das von Reinhold Seeberg ausgearbeitete
Berliner Gutachten als „ungeheuerliches Dokument"
gekennzeichnet wird (115). Treffend wird das Reichskonkordat
als ein Triumph der Politik Hitlers betrachtet (120), und
von Pius XII. heißt es, er habe in seiner Geistigkeit an Erasmus
und in seiner diplomatischen Klugheit an Metternich
erinnert. In seiner Bekämpfung der Linken habe er sich ungewollt
im politischen Schlagschatten des deutschen und italienischen
Faschismus bewegt (121). Scharfe Kritik erfährt
mit vollem Recht sein Schweigen zu den Massenmorden an
orthodoxen Serben, das über der Judenfrage leicht übersehen
wird (122). Übrigens könnte der Hinweis nicht schaden
, daß nicht nur der kroatische Staat jener Zeit faschistisch
und streng katholisch zugleich war und daß das Gesellschaftsbild
der großen katholischen Sozialenzykliken gegen
einen faschistischen Mißbrauch nicht hinreichend geschützt
war.

Bischof Wurms „Einigungswerk" — Ku. spricht von einem
Einheitswerk — vermag ich nicht so positiv zu sehen wie er,
da sich in ihm bereits die Wiederanknüpfung an die bis
1933 bestehenden kirchlichen Bedingungen ankündigte. Dagegen
stimme ich in der Kennzeichnung der offiziellen deutschen
evangelischen Kirchenpolitik nach dem 2. Weltkrieg
mit ihm völlig überein, wenn auch in einer ausführlichen
Darstellung Differenzierungen angebracht wären. Jetzt trat
die CDU als „politischer Rückenschutz" an die Stelle der
alten DNVP (129), wenn auch nicht übersehen werden
sollte, daß sich die CDU der DDR völlig anders entwickelte.
Die Kirche wurde sogleich wieder zur „hierarchischen Institution
" (123), die mit ihrem in der Atmosphäre des kalten
Krieges verfestigten Antikornmunismus die Fronten noch
verhärtete (130). Die Kirchentage seien zwar beispiellose
„Massenthings" gewesen, doch stellten sie keine echte
Laienbewegung dar, und es ging keine reformerisch anregende
Verlebendigung der Gemeinden von ihnen aus (131).
Theologisch spricht Ku. von „Barths ebenso großartiger wie
einseitiger Konzeption einer christologisch bestimmten Tri-
nitätslehre" (135) und deutet in einer erfreulich fairen Beurteilung
Bultmanns dessen Entmythologisierungspro-
gramm richtig als Bestandteil seiner existentialen Interpretation
(136), während die Bewegung „Kein anderes Evangelium
" seinen berechtigten Unwillen erregt. Die folgenden
theologischen Entwicklungen im deutschen Protestantismus
hat Ku. nicht mehr registriert. Auch die ökumenische Bewegung
nach dem 2. Weltkrieg wird in ihren Grundzügen
dargestellt, wobei mit Recht die einseitige Westorientierung
der Anfangsjahre beklagt wird. Doch sollte man sehen,
daß sich der neue Kurs des ÖRK nicht erst in Uppsala 1968,
sondern schon in Neu-Delhi 1961 anbahnte. Die CFK wird
erfreulich positiv bewertet, und auch über ihre Krise 1968/70
wird sachlich berichtet (142 ff.). Ku. beschließt sein Werk
mit der Ermunterung, die Säkularisierung nicht primär als
Bedrohung von außen, sondern als vom Evangelium selbst
intendierte Befreiung der Botschaft aus „gottlosen Bindungen
dieser Welt" zu begreifen, die die Kirchen zwar kleiner
an Zahl, aber reicher an innerer Substanz werden lasse
(148 f.).

An kleinen Versehen führe ich an: Der Geheimsekretär der Maria
Stuart hieß nicht Rizzlo, sondern Rtccio (IV 22). Die spanische
Armada wurde nicht 1680, sondern 1588 von der englischen Flotte
besiegt (31). Unmöglich können der spanische Statthalter Reque-
sens und sedn Nachfolger d'Austria am selben Tag, der eine an
Typhus, der andere an Flecktyphus, verstorben sein (54). Das
Unionskonzil von Florenz tagte nicht 1430, sondern 1439 (65). 92/93
steht „Erwähnungslehre" statt der gemeinten Erwählungslehre. Der
orthodoxe Streittheologe hieß nicht Calow, sondern Calov (123). Die
Universität Halle wurde nicht 1794, sondern 1694 gegründet (127). Der
lutherische Reformtheologe an der Wende zum 17. Jh. hieß Johann
Arnd(t) (ebda). Bengel erwartete die Wiederkunft Christi nicht für

1835, sondern für den 18. 6. 1836 (138). Joh. Jänicke wird in V 10 richtig
, in 9/10 aber Jaenicke geschrieben. Schleiermachers Hauptwerk
„Der christliche Glaube" erschien in 1. Aufl. schon 1821, 1830 aber
bereits in 2. Aufl. (V 17). Die von Stoecker nach seinem Austritt aus
dem ESK gegründete Organisation nannte sich Freie Kirchlichsoziale
Konferenz (67). Naumanns National-sozialer Verein wurde
nicht 1902, sondern 1903 aufgelöst, und dieser trat darauf der Freisinnigen
Vereinigung (nicht: Partei) bei (68). Rittelmeyer wirkte
zunächst jahrelang neben Geyer in Nürnberg, bis er nach einem
Streit mit der bayerischen Kirchenleitung nach Berlin übersiedelte
(79). Es ist unmöglich, daß die bayerische luth. Kirche nach dem
1. Weltkrieg zugleich das Bischofsamt einführte und ablehnte (82).
Die erste Weltmissionskonferenz tagte in Edinburgh nicht 1911, sondern
1910 (83). Siegmund-Schultzes Zeitschrift „Die Eiche" erschien
nicht erst nach der Stockholmer Konferenz 1925. sondern auch schon
vor dem 1. Weltkrieg (85). Hromädka war nicht Prof. der Prager
theol. Fak., sondern der Fakultät der Böhmischen Brüderkirche,
die vor dem 2. Weltkrieg Hus-Fakultät hieß, jetzt aber den Namen
Comenius-Fak. führt (110). In Fanö im August 1934 waren auch der
Präses der BK-Synode Karl Koch und vor allem Bonhoeffer zugegen
, der hier sogar ein als Friedensappell in die Geschichte eingegangenes
Hauptreferat hielt (112). Freilich war eine offizielle BK-
Delegation hier nicht vertreten, wohl aber im August 1936 in Cham-
by, wo insgesamt 3 deutsche Delegationen zusammentrafen. Das
Wort des Bruderrates der BK zum politischen Weg unseres Volkes
wurde nicht 1948, sondern schon 1947 veröffentlicht (124). Der Leipziger
Kirchentag fand nicht 1953, sondern erst 1954 statt; 1953 kam
man in Hamburg zusammen (13!). Treysa ist einmal (135) falsch geschrieben
. Die Bemerkung, die ökumenische Bewegung sei seit 1925
ein loser Zusammenschluß der protestantischen Kirchen unter Mitbeteiligung
der orthodoxen gewesen, ist inkorrekt, denn einmal
fehlen in der Aufzählung die anglikanischen Kirchen völlig, zum
andern organisierten sich die beiden großen Zweige „Faith and Order
" und „Life and Work" schon 1920 in Genf (140). Visser't Hoofts
Vorname ist Willem (141). Die slowakische Hauptstadt heißt Bratislava
. Konfessionell bestimmte Weltzusammenschlüsse gibt es
nicht nur bei Lutheranern und Reformierten (146), sondern auch bei
Methodisten und Baptisten, von der Lambeth-Konferenz der Angli-
kaner ganz abgesehen, während der Internationale kongregationa-
listische Rat sich 1970 in Nairobi dem Reformierten Weltbund anschloß
.

Rostock Gert Wendelborn

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

La Rondelle, H. K., Th. D.: Perfection and Perfectionism.

A dogmatic-ethical study of Biblical perfection and phe-
nomenal perfectionism. Berrien Springs, Michigan: Andrews
University Press 1971. VII, 348 S. gr. 8° = Andrews
University Monographs, 3. Lw. $ 8,95.

Die Heiligkeit und Vollkommenheit, die der christliche
Glaube aus dem biblischen Zeugnis vom Schöpfer- und Versöhnergott
erfährt, läßt die Frage nach der Heiligkeit und
Vollkommenheit des Christen immer wieder neu durchdenken
. Worin besteht die Heiligkeit der an den Offenbarer-
Gott Glaubenden? Wer reinigt, oder was bewirkt die Reinigung
, die dazu gehört? Und worin besteht die Vollkommenheit
, die Jesus Mt 5,48 denen abverlangt, die ihm folgen
wollen? Die vorliegende dogmatisch-ethische Studie geht
solchen Fragen nach und sucht die geschichtlich gegebenen
Antworten mit dem überall dann auch auftauchenden Phänomen
des Perfektionismus zu konfrontieren. Dazu wird im
Sinne einer großen Lösung der hierbei anstehenden dogmatisch
-ethischen Zusammenhänge das biblische Gedankengut
ausführlich analysiert. Mit I. Orientierung (1—34) findet
sogar das Streben nach menschlicher Vollkommenheit in
Mesopotamien und Ägypten, im griechisch-römischen Lebensideal
und in dem daran anschließenden modernen Humanismus
eine kritische Würdigung. Das dient der Klärung
des Ausgangspunktes, denn u. U. meinen gleiche Worte nicht
dasselbe. Die biblische Heiligkeit bzw. Vollkommenheit ist
bedingt durch die biblische Lehre von der Sünde. Bei ihr
geht es um die Gott-Mensch-Beziehung. Die philosophische
Sicht gehe davon aus, daß der Mensch Gott ergreife, die
biblische davon, daß er im Glauben von Gott ergriffen
werde. Der Ausgangspunkt für eine Lösung der Vollkommenheitsfrage
sei im Blick auf Gottes Heilsplan theozen-
trisch, nicht anthropozentrisch zu wählen. „Den Ausgangspunkt
in den Menschen, auch den religiösen, zu setzen, ist
eine unrealistische Abstraktion von der unaufhebbaren Beziehung
(inalienable relation)" des lebendigen Schöpfers
(living Creator) mit dem Menschen und werde unweigerlich
zu falschen Auffassungen von seiner Bestimmung führen
(33).