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Ausgabe:

1977

Spalte:

23-25

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Konzil und Papst 1977

Rezensent:

Kleineidam, Erich

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Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 1

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Während Schwinge seine Arbeit durch zwei Register erschlossen
und dadurch erst recht zu einem Nachschlagewerk
gemacht hat, ist von Raffelt auf Register verzichtet worden.
Eine Anleitung zum wissenschaftlichen Arbeiten sollte aber
auch zum Anfertigen von Registern anhalten und sie selbst
verwenden.

Beiden Vf. ist zu danken, daß sie dem Theologen helfen,
die ihm zur Verfügung stehenden Hilfsmittel rasch zu finden
. Dabei erweist sich die Arbeit von Raffelt für Studenten
der römisch-katholischen Theologie als brauchbar, das Nachschlagewerk
von Schwinge hingegen für alle deutschsprachigen
Theologen als äußerst wertvoll.

Leipzig Helmar Junghans

[Tüchle, Hermann:]Konzil und Papst. Historische Beiträge
zur Frage der höchsten Gewalt in der Kirche. Festgabe
für Hermann Tüchle, hrsg. v. G. Schwaiger. München—Paderborn
-Wien: Schöningh 1975. IX, 687 S., 1 Porträt gr. 8°.
Kart. DM 78,-.

Das Buch ist als Festgabe Hermann Tüchle zum 70. Geburtstag
gewidmet. Dieser ist der eigentliche Erbe der alten
Tübinger Kirchengeschichtsschule, die von A.Möhler und
liefele ihren Anfang nahm und von dem kritischen Franz
Xaver Funk mit seinem! „Lehrbuch der Kirchengeschichte"
(1886) zu einem beherrschenden Faktor im Bereich der katholischen
Kirchengeschichtsschreibung gemacht wurde. Dieses
Lehrbuch wurde später von K. Bihlmeierund ab 1948 von
Hermann Tüchle herausgegeben. Es hat drei Generationen
von Theologen als Lehrbuch gedient und ist heute mit seiner
englischen, französischen, italienischen, polnischen und portugiesischen
Übersetzung in ganz Europa führend.

Die Festschrift enthält 23 Beiträge aus der fast 2000jähri-
gen Geschichte der Kirche. Der erste Aufsatz von Joseph A.
Fischer ist dem „sog. Apostelkonzil" (1—17) gewidmet. K. S.
Frank zeigt in seinem Beitrag „Vita apostolica und dominus
apostolicus. Zur altkirchlichen Apostelnachfolge" (19—41),
wie sich imMönchstum und imBischofsamt in verschiedener
Form die apostolische Nachfolge ausprägt. Der Aufsatz von
Jakob Spiegl „Das entstehende Papsttum, die Kanones von
Nizäa und die Bischofseinsetzungen in Gallien" (43—61) lehrt,
wie frühzeitig sich die Gefahr einer Ausweitung von „einer
subsidiären Letztverantwortung zu einer überall mitredenden
Hauptverantwortlichkeit" zeigt. W. Gessel weist nach,
daß „das primatiale Bewußtsein Julius' I. im Licht der Interaktionen
zwischen der Cathedra Petri und den zeitgenössischen
Synoden" (63—74) von der Uberzeugung getragen sei,
daß sein petrinisches Amt „Garant und Wächter universalkirchlicher
Einheit" sei. P. Stockmeier legt sachkundig dar,
wie sich allmählich „die Übernahme des Pontifex—Titels im
spätantiken Christentum" (75—84) vollzog. Der Beitrag von
J.—A. Jungmann „Der Bischof in der Kanzleisprache der
spätrömischen Antike" in der Aufderbeck-Festschrift „Einheit
und Vielheit" (Leipzig 1974) bietet zu diesem Thema
eine wertvolle Ergänzung. H. J. Vogt erörtert das Verhältnis
von „Papst Coelestin und Nestorius" (85—101), deren beider
Hauptanliegen nicht eine spekulative Christologie, sondern
eine soteriologische Satisfaktionslehre gewesen sei, auf
eieren Boden eine Verständigung hätte möglich sein müssen.
Joseph Staber legt in einer umfassenden Quellenauswertung
dar, wie „Gregor VII. und der Investiturstreit im Licht der
hochmittelalterlichen Geschichtsschreibung" (102—145) gesehen
wurde. Dem 12. Jahrhundert ist eine eingehende Untersuchung
von Odilo Engels über „Kardinal Boso als Geschichtsschreiber
" (147—168) gewidmet. Für das 13. und 14.
Jahrhundert findet sich kein Beitrag; dafür ist das 15. Jahrhundert
um so reichlicher vertreten. W. Brandmüller schreibt
über „Die Gesandtschaft Benedikts XIII. an das Konzil von
Pisa" (169—205), deren Endbericht über ihre Konzilstätigkeit
er in Barcelona entdeckt und hier veröffentlicht hat. Er
kommt zu dem Schluß, daß in Pisa durchaus die Möglichkeit
bestanden habe, das Papstschisma per viam cessionis
zu lösen, daß aber die konziliare Ideologie damals so stark

war, daß man diesen Weg ernstlich gar nicht versucht hat.
Josef Leinweber hat in Turin „ein neues Verzeichnis der
Teilnehmer am Konzil von Pisa" gefunden, das er hier veröffentlicht
(207-246). A. Leidl unterrichtet über „die Verhandlungen
über die Struktur eines Unionskonzils im 15.
Jahrhundert" (247—276). Er meint, daß diese Diskussionen
„nicht ohne Bedeutung (seien) für alle gegenwärtigen und
zukünftigen Bestrebungen, ein universales Konzil aller Christen
zu veranstalten" (247). R. Bäumer widmet seinen Aufsatz
einem Mann, der zu Beginn der Reformation eine
Schlüsselposition einnahm, jedoch von der Geschichtsforschung
bis vor kurzem sehr stiefmütterlich behandelt wurde:
„Silvester Prierias und seine Ansichten über das ökumenische
Konzil" (277—301). Prierias vertrat, wie zu erwarten
war, einen durchaus papalistischen Standpunkt und verschuldete
so mit die konzilsfeindliche Haltung in Rom, die
die Einberufung des Trienter Konzils so lange verzögerte.
Theobald Freudenbeiger stellt aus seiner profunden Sachkenntnis
heraus, welche Bedeutung „Papst und Konzil in
der Kirchenpolitik des Kurfürsten Moritz von Sachsen"
(303—341) gehabt haben. Moritz trat für die Konzilspläne des
Kaisers ein, stellte aber zugleich so hohe Bedingungen, daß
das Trienter Konzil sie unmöglich erfüllen konnte, ohne sich
selbst aufzugeben. Seine Einstellung diente ganz seiner Politik
, die den Kaiser an den Rand des Unterganges bringen
sollte. H. Wolter weist in seinem Aufsatz „Das Interim von
von 1548 und die Reichsstadt Frankfurt am Main" (343-356)
nach, daß dieses das katholische Leben in Frankfurt wieder
ermöglicht hat und die Kirchen zum größten Teil katholisch
blieben. Eine interessante Frage berührt K. Ganzer in seinem
Aufsatz „Zur Frage der ökumenizität der Konzils von
Trient. Eine Auseinandersetzung zwischen Stanislaus Orze-
chowski und Stanislaus Hosius" (357—372). Dieser polnisch-
ruthenische katholische Priester bestritt die ökumenizität
des Konzils, weil die Ostkirche auf ihm nicht durch ihre Patriarchen
vertreten sei. J. Metzlcr zeigt, daß der „päpstliche
Primat als pastorale Verantwortung und missionarischer
Auftrag in den frühen Dokumenten der Propaganda-Kongregation
" aufgefaßt sei (373-386).

Die größte Aufmerksamkeit widmet die Festschrift dem
19. Jahrhundert. R. Zinnhobler dokumentiert, wie „Pius IX.
in der katholischen Literatur seiner Zeit" (387—432) dargestellt
wurde; der Beitrag will „ein Baustein zur Geschichte
des Triumphalismus" sein. M. Weitlauff befaßt sich mit der
„Dogmatisierung der Immaculata Conceptio (1854) und (der)
Stellungnahme der Münchener Theologischen Fakultät"
(433—501), die sich gegen die Definierbarkeit aus grundsätzlichen
theologischen Erwägungen aussprach. H. J. Pottmeyer
will durch die ideologiekritische Frage die Untersuchungs-
methoden der Dogmengeschichte erweitern. In diesem Sinne
sucht er den Satz „Auctoritas suprema ideoque infallibilis"
als „Mißverständnis der päpstlichen Unfehlbarkeit als Souveränität
" zu interpretieren (503—520). E. Iserloh klärt auf
Grund unveröffentlichter Stellungnahmen, wie „Wilhelm
Emmanuel von Ketteier zur Infallibilät des Papstes" gestanden
habe (521—542). Der Aufsatz zeigt, mit welchem Verantwortungsbewußtsein
die deutschen Bischöfe die Frage behandelten
und auch vor dem Vorwurf einer „inexcusabilis
temeritas, eines unverantwortlichen Leichtsinns" nicht zurückschreckten
. R. Reinhard stellt dieselbe Frage bei Bischof
Hefele in seinem reich dokumentierten Aufsatz „Hefeies
Konziliengeschichte im Lichte seiner Korrespondenz mit
Benjamin Herder" (543—583). H. Fries stellt als ökumeniker
grundsätzlich zur Diskussion „Das Papsttum als ökumenische
Frage" (585—610). Er geht von K. Rahners Ansicht aus,
daß es, abgesehen von der Frage des Papsttums, zwischen
den christlichen Kirchen kein theologisches Problem mehr
gebe, das man als kirchentrennend bezeichnen könnte, und
schließt mit einem längeren Zitat von W. Pannenberg, wie
das Papsttum als Repräsentant der ganzen Christenheit
Glaubwürdigkeit auch außerhalb der katholischen Kirche
gewinnen könnte. Den großen, zusammenfassenden Schlußartikel
schreibt der Herausgeber Georg Schwaiger: „Suprema
Potestas. Päpstlicher Primat und Autorität der Allgemei-