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Ausgabe:

1977

Spalte:

450-451

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Kempff, Dionysius

Titel/Untertitel:

A bibliography of Calviniana 1959 - 1974 1977

Rezensent:

Koch, Ernst

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Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 6

450

Bizers Zentrumbestimmung für die Theologie Luthers erinnert
, wenn es auch Neuser von Calvin her um die „Theologie
des Wortes" geht. Materialiter wird dieses Wortverständnis
von der Rechtfertigungslehre her gefüllt (S. 17). In
Abwehr von H.-E. Webers Thesen vergleicht der Vf. Calvins
Ansatz der Worttheologie denn auch mit den Entsprechungen
bei Luther und Melanchthon und bringt damit ein weiteres
Mal einen Argumentenkatalog für die zentralen Gemeinsamkeiten
der Reformatoren bei. Eine ganze Anzahl
hier adäquater Begriffspaare, z. T. unter kritischer Aufnahme
der einschlägigen Arbeit W. Krusches, wird erneut
untersucht. Neuser wehrt eine Verselbständigung der Geistlehre
Calvins und damit auch W. Krusches These ab, der Reformator
kenne eine „Alleinwirksamkeit des Wortes ...
nicht" (S. 30). Gerade in Anbetracht des Sakramentsverständnisses
meint er festhalten zu müssen, daß „das Wort
allein wie auch Wort und Geist zusammen wirken". „Here
Calvin is in accord with Luther" (S. 37). Diesem Ergebnis
ist zuzustimmen, auch wenn Calvin — wie Neuser keinesfalls
verschweigt — hier und da Ansätze für einen wortfernen
platonischen Dualismus erkennen läßt.

A. Ganoczy wendet sich der Hermeneutik des Reformators
zu (Calvin als paulinischer Theologe). Nach einer Analyse
der Paulusinterpretation — vornehmlich des Römerbriefes
— bei Calvin kommt der katholische Theologe, der
bereits durch bedeutende einschlägige Forschungen hervorgetreten
ist, zu dem Resultat, nach dem Selbstverständnis
Calvins läge wie bei allen Reformatoren „rein biblische
Theologie" vor (S. 66). Die alleinige Bemühung um die sachgemäße
Auslegung der Heiligen Schrift mache die herme-
neutische Problematik zu einem beherrschenden Thema der
Calvinforschung. Damit zusammenhängend weist Ganoczy
auf die noch zu bewältigenden Aufgaben hin, Beziehungslinien
zu den anderen Reformatoren, zur kirchlichen Tradition
und zum zeitgenössischen Humanismus aufzuspüren.

D. Nauta gibt in bekannter Meisterschaft einen Einblick in
den „Stand der Calvinforschung". Er weist auf Bibliographien
, Editionen der Werke des Reformators und dann besonders
auf eine Vielzahl von neuen Monographien zur
Theologie Calvins hin, die sich zum großen Teil außerhalb
des deutschen Sprachgebietes finden.

Hier hat man eine Fundgrube vor sich, deren Inhalt nicht
zuletzt auch den Beitrag römisch-katholischer Forscher zu
erkennen gibt.

W. van't Spijker handelt über „Prädestination bei Bucer
und Calvin". Martin Bucer, „der dritte deutsche Reformator
", wie ihn H. Bornkamm nennt (in: Das Jahrhundert der
Reformation, Göttingen 19611), ist gerade für eines der
Hauptthemen Calvins von hoher Bedeutung. Van't Spijker
weist die Wechselseitigkeit der Beeinflussung beider Reformatoren
auf. Er tut das für die verschiedenen Phasen der
Entwicklung, etwa angesichts der Fortschritte, die sich in
den Institutio-Ausgaben abzeichnen. Der Vf. meint, bei Calvin
eine straffere, die doppelte Prädestination einschließende
Lehre (S. 110 f.) finden zu können, während Bucer
zumeist „nicht so weit geht" (S. 108) und in größerer Offenheit
„gegenüber dem lutherischen Standpunkt" (S. 110) mehr
Rücksicht nimmt auf Frömmigkeit und „practical ministry"
(S. 111).

H. H. Eßer greift eine These auf, die in Verfolg der Debatte
um den Unitarier Michael Servet vor vier Jahrzehnten
von Ernst Wolf geäußert worden ist: Calvin habe eine „leise
modalisierende Trinitätslehre" (S. 113). Eßer geht in feinsinniger
Weise der Berechtigung dieses Vorwurfs nach, der
auf einen Streitpunkt in der altkirchlichen Christologie zurückgeht
. Die Uberlieferung seit der Alten Kirche wird genauso
herangeholt wie das Argumentationsinstrumentarium
aus Calvins Trinitätslehre selbst. Die Intention des Reformators
kulminiert für den Vf. in folgendem Satz: „Was
anders will Christus, wenn er im Namen des Vaters und des
Sohnes und des Heiligen Geistes zu taufen befahl, als daß
man mit einem Glauben an den Vater und den Sohn und
den Geist glauben soll? Und was ist das anderes, als deutlich
zu bezeugen, daß Vater, Sohn und Geist ein Gott sind?"
(Opera Selecta III, 130, 17-21, s. hier S. 125). Eßer spricht
sich im Gegensatz zu Wolf dafür aus, daß Calvin die „Eigenheit
der Personen" der Trinität durchaus gewahrt habe und
somit der Verdacht einer „leise modalisierenden Trinitätslehre
" zurückzuweisen sei (S. 126). Es ist interessant zu
sehen, wen er dabei auf seiner Seite und wen er gegen sich
hat (Anm. 81).

Der Aufsatz von J. Boisset trifft noch einmal ein bedeutsames
Thema: „Justification et Sanctiflcation chez Calvin".
Beide so häufig verhandelten Begriffe mit den durch sie bezeichneten
Wirklichkeiten werden stark zusammengesehen
mit Luthers „simul iustus, simul peccator" (S. 147). Beides,
Rechtfertigung und Heiligung, ist determiniert durch die
Souveränität Gottes und die göttliche Alleinwirksamkeit.
Hier ist das Problem menschlicher Passivität gegeben. Calvin
kann in dem 2. Buch der Institutio viele Aussagen über
die Möglichkeit menschlicher Wirkungen in den Dingen dieser
Welt machen, weil der Mensch das Licht der Vernunft
dazu erhalten hat. Dieses Tun grenzt immer wieder an die
göttlichen Dinge. Zwischen Wirken und Wirkenlassen hat
die menschliche Existenz ihr Wesen in einer auf Gott und
Welt bezogenen „communion avec Jesus-Christ qui est
»justice et sanctiflcation« (S. 145). So kommt Calvin zu seiner
paradoxen Formulierung: „ ... les fideles besognent
passivement..."

Die Referate haben den Theologen Calvin erneut vor Augen
— und in den Bezugshorizont unserer Zeit hinein — gestellt
. Es ist nicht gut anders möglich, als daß sich künftige
Calvinkongresse an dieser Bilanz messen lassen müssen.

Berlin Joachim Rogge

Kempff, D.: A Bibliography of Calviniana 1959-1974. Leiden
: Brill 1975. 249 S. gr. 8° = Studies in Medieval and
Reformation Thought, ed. by H. A. Oberman, XV. Lw.
hfl. 40,-.

Diese Bibliographie ist aus der Arbeit des Instituts zur
Förderung des Calvinismus (IAC) in Potchefstroom'Süd-
afrika entstanden, das sich mit dieser Publikation erstmals
öffentlich der internationalen Calvinforschung vorstellen
möchte. Die Bibliographie versteht sich als Weiterführung,
teilweise aber auch als Ergänzung der Calvinbibliographie
1900-1959 von W. Niesei, München 1961 (vgl. ThLZ 88, 1963
Sp. 210). Schon von daher ergibt sich ihre intendierte Bedeutung
. Ähnlich wie Nieseis Bibliographie ist sie nach Sachgebieten
geordnet: Calvin selbst (Werke einschließlich
Ubersetzungen; Veröffentlichungen, die Calvin betreffen:
u. a. Biographisches, Themen seiner Theologie und seines
Wirkens, Beziehungen zu anderen Ländern und Personen)
und Calvinismus (begrenzt bis etwa 1650; Reformatoren neben
Calvin — ohne Luther und Zwingli; Länder; Sachgebiete
; Gegner). Die schätzungsweise 4000 Titel wurden nicht
numeriert, um, wie es im Vorwort heißt, Ergänzungen bis
hin zur Drucklegung zu ermöglichen. Wahrscheinlich wäre
eine Numerierung nach dem Beispiel ähnlicher Bibliographien
jedoch im Blick auf Zitierbarkeit und mit Rücksicht
auf platzsparende Querverweisungen günstiger gewesen;
jetzt werden u. U. platzaufwendige Titel an anderen Stellen
mehrfach neu verzeichnet.

Schon bei einer ersten Durchsicht fällt auf. daß eine Reihe
von Grundsätzen, die die Bibliographie sich gestellt hat,
nicht eingehalten worden sind. So hat der Grundsatz, ..rather
to err per excessum than per defectum" (S. 14), zwar dazu
geführt, eine sehr große Anzahl von Artikeln aus Gemeindeblättern
— speziell des niederländischen Sprachraums — aufzunehmen
, größere Gesamtdarstellungen des Zeitraums
aber, in denen auf die Bedeutung Calvins und des Calvinismus
eingegangen wird, werden nicht berücksichtigt. Es
fehlt etwa — wie schon bei Niesei — das Werk von H. Rößler:
Europa im Zeitalter von Renaissance, Reformation und Gegenreformation
1450—1650, München 1956, mit seinen ein-