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Ausgabe:

1977

Spalte:

427-429

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Gilmer, Harry W.

Titel/Untertitel:

The If-You form in Israelite law 1977

Rezensent:

Boecker, Hans Jochen

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Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 6

428

hältnis der elohistischen Quellenschrift im Hexateuch zur
Religion Kanaans. Der Vf. konzentriert seine Untersuchung
auf neun als kanaanäisch bezeugte Kultelemente bzw. mythische
Vorstellungen, wobei selbstverständlich nur solche
Erscheinungen berücksichtigt werden, die in der alttesta-
mentlichen Auseinandersetzung mit der kanaanäischen Religion
eine bedeutende Rolle spielen. Im einzelnen werden
behandelt Traum, Gewittertheophanie, Teraphim, Massebe,
heiliger Baum, die eherne Schlange, Menschenopfer, Stierbild
und der Kult des Baal Peor. Eine ausführliche Darstellung
des religionsgeschichtlichen Sachverhaltes leitet die Bearbeitung
jedes dieser neun Themen ein. Dabei erfahren
auch die archäologischen Bezeugungen, einschließlich bildlicher
Darstellungen entsprechender Kultszenen, angemessene
Berücksichtigung. Das archäologische Material wird
nahezu vollständig dargeboten, abgesehen von unsicheren
Belegen. Einer gründlichen Auswertung unterzogen wird
weiterhin die ältere und neuere Spezialliteratur. Das Literaturverzeichnis
beansprucht allein mehr als 60 Seiten (S. 435
bis 496). Insgesamt vermittelt der Vf. eine ausgezeichnete
Zusammenfassung und Auswertung dessen, was die Forschung
bislang jeweils über die betreffenden Kultgegenstände
und -bräuche im alten Kanaan an Ergebnissen zu
verbuchen hat. Im großen Umfange wird auch außerka-
naanäisches Material zur Deutung herangezogen. Weiterhin
finden entsprechende Zeugnisse neuzeitlicher .Volksreligion'
Beachtung, ebenso wie religionspsychologische Begründungsversuche
zu den einzelnen Kultphänomenen — nicht
immer hinreichend kritisch — gewürdigt oder wenigstens
doch registriert werden. Der Darstellung des religionsgeschichtlichen
Sachverhalts folgt dann jeweils eine Wiedergabe
und Interpretation der Äußerungen der elohistischen
Quellenschicht zum betreffenden Thema, wobei die Traditionsgeschichte
, soweit sie zu erhellen ist, ausführlich berücksichtigt
wird.

Im Endergebnis ergibt die Untersuchung J.s ein recht anschauliches
Bild von der unterschiedlichen Einstellung des
Elohisten zu bestimmten Erscheinungen der kanaanäischen
Religion. Mit Recht lehnt der Vf. eine Scheidung von E in
zwei Quellen oder Traditionsströme gemäß den Unterschieden
in der Ablehnung bzw. Adaption kanaanäischer Kultelemente
ab. Uberhaupt arbeitet er, im wesentlichen überzeugend
, ein positives Verhältnis der Quelle E zur kanaanäischen
Religion heraus. E lehnt nur dann die kanaanäische
Religion ab und verurteilt sie, „wenn ihm keine andere
Möglichkeit mehr bleibt" (S. 402). In dieser Position hat E
keinen Nachfolger in der späteren Tradition gefunden. Aufgenommen
, ausgedehnt und verschärft wird lediglich seine
Kritik an der kanaanäischen Religion durch Hosea, das Deu-
teronomium und den Deuteronomisten. Die Entstehung von
E setzt J. in die Zeit nach Jehu. Diese zeitliche Festlegung
gestattet es, bestimmte Positionen des Elohisten gegenüber
kanaanäischen Kultelementen aus der zeitbedingten religionspolitischen
Situation einleuchtend zu erklären. Insbesondere
gelingt das dem Vf. im Hinblick auf die Ablehnung
des Kultes des Baal Peor (S. 390 ff.).

Das Buch ist flüssig, lebendig und anregend geschrieben;
anregend nicht zuletzt durch die Fülle von guten Beobachtungen
und die zumeist vorsichtig geäußerten Vermutungen.
Die Debatte um die Existenz einer elohistischen Quellenschrift
und ihre theologische Eigenart hat durch K. Jaroä
eine nützliche Bereicherung erfahren.

DDR Berlin Karl-Heinz Bernhardt

Gilmer, Harry W.: The If-You Form In Israelite Law. Mis-
soula, Montana: Scholars Press for Society of Biblical
Literature [1975]. VIII, 139 S. 8° = SBL Dissertation Series,
ed. by H. C. Kee and D. A. Knight, 15.

Der Verfasser hat sich die Aufgabe gestellt, eine, wie er
meint, bisher nicht ausreichend beachtete Form des alttesta-
mentlichen Rechts zu untersuchen. Er beginnt seine Arbeit

mit einem Forschungsbericht, in dem die gattungsgeschichtliche
Erforschung der alttestamentlichen Rechtsformulierungen
, angefangen von C. A. Briggs (1897) bis hin zu G. Fohrer
und W. Richter, ausführlich dargestellt wird. Zu den noch
offenen Fragen im Bereich der Gattungsgeschichte des alt-
testamentlichen Rechts, die der Vf. auf S. 25 zusammengestellt
hat, gehört für Gilmer die Frage nach der Bedeutung
und Herkunft der „If-You form". Gilmer versteht darunter
kasuistisch formulierte Rechtssätze, die nicht in der für das
kasuistische Recht üblichen objektiven Stilform abgefaßt
sind, sondern sich der 2. Person, also der Anredeform, bedienen
. Bekanntlich sind derartig strukturierte Rechtssätze vor
allem im deuteronomischen Gesetzbuch anzutreffen, vgl. Dt
15,12—15. Man hat im Blick auf diese Fälle meist von sekundärer
Stilveränderung des kasuistischen Rechts gesprochen
bzw. bei den Fällen, bei denen in der Protasis ein Konditionalsatz
, in der Apodosis ein Prohibitiv steht, eine Mischform
postuliert; W. Richter hat für die zuletzt beschriebenen Fälle
die Bezeichnung „eingekleidete Prohibitive" vorgeschlagen,
vgl. Recht und Ethos (1966), S. 85 zu Ex 22, 24-26.

Gilmer ist anderer Meinung. Für ihn ist die „If-You form"
keine sekundäre Bildung, auch keine Mischform, sondern
eine eigenständige Rechtsform, die seit alter Zeit gebraucht
wurde.

G. beginnt seinen Beweisgang mit einer Auflistung der
alttestamentlichen If-You-Formulierungen, soweit sie
außerhalb der Rechtsliteratur vorkommen. Dazu werden die
erzählenden Partien des Alten Testaments. Prophetentexte
und die Weisheitsliteratur herangezogen (Kap. II, S. 27—43).
Als Ergebnis arbeitet G. die „If-You form" als ein Sprachmuster
heraus, das in verschiedenen Intentionen Anwendung
findet. G. nennt — in den verschiedenen literarischen
Bereichen verschieden stark vertreten — die folgenden fünf
inhaltlichen Kategorien, in denen die „If-You form" vorkommt
: Bitte (request). Abkommen (agreement), Drohung —
Verheißung (threat — promise), Ratschlag (counsel) und Anweisung
(directive). Diesen Teil der Arbeit liest man mit
Gewinn.

Dagegen wird man im Blick auf den Hauptteil der Arbeit
und die in ihm vertretene These erhebliche Bedenken nicht
unterdrücken können. In Kap. III (S. 45—81) stellt der Vf.
die If-You-Formulierungen der gesetzlichen Texte zusammen
. Er tut es im wesentlichen nach inhaltlichen Kriterien
ohne exakte formale Differenzierungen. Das ist ein wesentlicher
Nachteil. Die oben bereits angesprochene Satzform,
bei der ein Konditionalsatz einem Prohibitiv vorangestellt
ist. wird auf diese Weise z. B. neben die rein kasuistische
Formulierung gestellt, bei der lediglich die Umsetzung des
Er-Stils in den Du-Stil erfolgt ist. Nicht daß G. die innerhalb
der If-You-Formulierungen bestehenden formalen Unterschiede
übersähe, aber er zieht daraus unzureichende Konsequenzen
. Wie eine formgeschichtliche Untersuchung nicht
ohne Berücksichtigung der Aussageebene durchgeführt
werden kann, so gewiß auch nicht ohne wesentliche Beachtung
der formalen Struktur der Texte. An dieser Stelle liegt
der gravierende Mangel der Untersuchung von G.

G. teilt den Rechtsstoff inhaltlich in vier verschiedene
Gruppen ein und erörtert die verschiedenen Verwendungsmöglichkeiten
der „If-You form" : Humanitätsbestimmungen
, Zeremonialbestimmungen, Anweisungen zum Sachbereich
Heiliger Krieg und Rechtsbestimmungen im Zusammenhang
des Rechtsverfahrens. Danach — in der Überschrift
ein auffallenden Stilbruch! — folgt ein letzter Abschnitt des
Kapitels, dessen Inhalt formal definiert ist durch die Zusammenstellung
von If-You-Formulierungen ohne Imperativ
.

Was die Herkunft der If-You-Formulierungen angeht, so
stellt G. immer wieder eine Nähe zu den Prohibitiven fest,
wie sie gattungsmäßig vor allem von E. Gerstenberger beschrieben
worden sind. Er sieht demgemäß vor allem für die
Rechtssätze, die er zur Kategorie der Anweisungen zählt,
das Sippen- bzw. Familienethos als Herkunftsort an. Diese
Feststellung trifft allerdings nicht für alle If-You-Formulie-