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Ausgabe:

1977

Spalte:

419-421

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Kehnscherper, Günther

Titel/Untertitel:

Kreta, Mykene, Santorin 1977

Rezensent:

Wagner, Siegfried

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419

Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 6

420

Linie im Rahmen des paulinischen Verständnisses von
Kirche lediglich eine zweitrangige Bedeutung zukommt.
Nicht zu übersehen ist ja, daß Paulus seine ekklesiologi-
schen Aussagen keineswegs im Sinne des Motivs vom „Leib
Christi" systematisiert hat, sondern im Zusammenhang
ekklesiologischer Aussagen immer wieder — und somit nicht
nur zufällig oder im Sinne eines bloßen Zugeständnisses an
die judenchristliche Tradition — auf heilsgeschichtliche
Sachverhalte zu sprechen kommt. Gerade so aber gewinnt
die paulinische Ekklesiologie nun zugleich eine paradigmatische
Bedeutung für bestimmte Grundstrukturen der Theologie
des Paulus insgesamt: Christologie und Heilsgeschichte
sind im Gesamtzusammenhang der paulinischen Theologie
nicht zwei Themenbereiche nebeneinander, sondern stehen
bei Paulus in dem Sinne in einem unauflöslichen Zusammenhang
miteinander, daß gerade der christologische Ansatz
und die christologische Begründung der Ekklesiologie
die Dimension der Heilsgeschichte eröffnen, die „heils-
geschichtlich-eschatologische" Linie der vorgegebenen judenchristlichen
Ekklesiologie neu zur Geltung bringen und
auf diese Weise endlich auch und gerade die Kirche als
„Leib Christi" unter die Zusage der Treue Gottes zu seiner
Verheißung stellen, die nach Rom 9, 6 auch für Israel nicht
hinfällig geworden ist. Zugleich aber zeigt solche unauflösliche
Verbindung von Christologie und Heilsgeschichte im
Zusammenhang der Ekklesiologie des Paulus an, in welchem
Maße die paulinische Ekklesiologie — auch wenn Paulus
nur aus jeweils gegebenem Anlaß und somit nur „fragmenthaft
" auf das Thema der Kirche zu sprechen kommt — von
seiner Rechtfertigungstheologie her bestimmt und entworfen
und somit in den Gesamtzusammenhang seines theologischen
Denkens integriert ist. Das „solus Christus" ist die
das paulinische Kirchenverständnis bestimmende Kategorie
. Gerade dieses „solus Christus" aber ist Aktualisierung
und zugleich Bestätigung des die Kontinuität der Heilsgeschichte
konstituierenden und gewährleistenden „sola
gratia".

I Neukirchen-Vluyn 1972, S. V.

* In: Paulinische Perspektiven, Tübingen 1969, S. 108—139.

* A. Anm. 1 a. O., S. 284-301.
' A. a. O., Sp. 368.

' A. a. O., Sp. 364; vgl. auch Sp. 365.

' Vgl. dazu P. Stuhlmacher, Theologische Probleme gegenwärtiger
Paulusinterpretation, in: ThLZ 98, 1973 Sp. 721-732, bes. Sp. 731.

7 E. Käsemann, Das theologische Problem des Motivs vom Leibe
Christi, in: Paulinische Perspektiven, S. 178-210, bes. S. 185 ff., Zitat
S. 190.

■ A. a. O., Sp. 365.

* Vgl. darüber hinaus die problematische Stelle IKor 10,16 f.; dazu
E. Käsemann, a. a. O., S. 191 ff.

'• Vgl. bes. aeth. Hen., Test. Levi 18,11.14 sowie das Schrifttum
der Gemeinde von Qumran; dazu H. Braun, Qumran und das Neue
Testament II, Tübingen 1966, S. 146 f.; G. Delling, Merkmale der
Kirche nach dem Neuen Testament, in: ders., Studien zum Neuen
Testament und zum hellenistischen Judentum, Berlin 1970, S. 371
bis 390, bes. S. 377 f.

" Vgl. auch noch IKor 16,1; 2Kor 8,4; 9,1.12 sowie E. Käsemann,
An die Römer, Tübingen 1973 (Handbuch zum Neuen Testament 8a),
S. 381.

" Vgl. die Belege bei G. Delling, a. Anm. 10 a. O., S. 377 f., und bei
H. Lietzmann, An die Römer, 3. Aufl. Tübingen 1928 (Handbuch zum
Neuen Testament 8), S. 121 f.

u Vgl. K. Weiß, Paulus — Priester der christlichen Kultgemeinde,
in: ThLZ 79, 1954 Sp. 355-364.

" Für das Judentum vgl. 1QM III 2; IV 9 f.: qeru'e 'el. Vgl. G. Delling
, a. Anm. 10 a. O., S. 379.

II Vgl. dazu H. Schlier, Zu den Namen der Kirche in den paulinischen
Briefen, in: ders., Besinnung auf das Neue Testament. Exegetische
Aufsätze und Vorträge II, Frelburg-Basel-Wien 1964, S. 294
bis 306, S. 298; H. Conzelmann, Der erste Brief an die Korinther,

Göttingen 1969 (Krit.-exeget. Komm, über das Neue Testament,
5. Abt., 11. Aufl.), S. 36, Anm. 32.

'• So H. Conzelmann, a. Anm. 15 a. O., S. 96 f.; vgl. auch G. Delling
, a. Anm. 10 a. O., S. 380 f.; K. Weiß, a. Anm. 13 a. O., Sp. 359.
" Vgl. bes. die Qumran-Texte; dazu: H.Braun, a. Anm. 10 a. O.,

1, S. 190 zu IKor 3,16 f.; H. Conzelmann, a. Anm. 15 a. O., S. 97,
Anm. 2. Falls der Abschnitt 2Kor 6,14-7,1 als paulinisch gelten kann,
wäre hier der Zusammenhang mit der Jüdischen Tradition besonders
offenkundig. Vgl. J. Gnllka, II Cor 6,14-7,1 im Lichte der Qum-
ranschriften und der Zwölf-Patriarchen-Testamente, in: Neutesta-
mentliche Aufsätze. Festschr. für J. Schmid zum 70. Geb., Regensburg
1963, S. 86-99.

11 W. Schräge, Ekklesia und Synagoge. Zum Ursprung des urchristlichen
Kirchenbegriffs, in: ZThKBO, 1963, S. 178-202; ders. in: ThWNT
VII, S. 798 ff.

'» Vgl. bes. die wörtliche Entsprechung in der Rede von der qchal
'el = „Versammlung Gottes" in 1QM IV 9 ff., hier neben 'adat 'el
(Z. 9) und qcru'e 'el (Z. 10 f.)); vgl. G. Delling a. Anm. 10 a. O., S. 376.

" Vgl. in diesem Sinne A. Oepke, a. a. O.; ders., Das neue Gottesvolk
, Gütersloh 1950, S. 198-230, bes. S. 224; N.A.Dahl, Das Volk
Gottes, Oslo 1941 (Neudruck: Darmstadt 1963), S. 226; F. Neugebauer,
In Christus, Berlin 1961, S. 93 ff.

11 Vgl. auch E. Käsemanns Bemerkung (Paulinische Perspektiven,
S. 187), „daß Paulus vom Gottesvolk ausschließlich im Anschluß an
alttestamentliche Zitate, typologisch in paränetischer Warnung oder
in direkter Auseinandersetzung mit dem Judentum spricht"; und
ebd.: „Im antinomistischen Streit wird das Thema des Gottesvolkes
aufgegriffen, um die Kirche als das wahre Gottesvolk herauszustellen
..."; vgl. auch G.Haufe, Gemeinde im Neuen Testament, In:
Zeichen der Zeit 1972, S. 161-171, bes. S. 161.

" So H. Conzelmann, a. Anm. 15 a. O., S. 194.

" So E. Käsemann, An die Römer, S. 250.

" Vgl. E. Käsemann, An die Römer, S. 250 f.

■ Vgl. hier bes. die ständigen Hinweise auf den Willen Gottes.

!1 So E. Käsemann, An die Römer, S. 261 f.

" Gegen E. Käsemann, An die Römer, S. 261.

" Vgl. E. Käsemann, Paulinische Perspektiven, S. 108-139.

" Vgl. in diesem Sinne H. Schlier, Der Brief an die Galater, Göttingen
1962 (Krit.-exeget. Komm, über das Neue Testament, 7. Abt.,
12. Aufl.), S. 283.

» Vgl. F. Mußner, Der Galaterbrief, Leipzig 1974 (Herders Theologischer
Komm, zum Neuen Testament IX), S. 416 f.

" Vgl. in diesem Sinne auch das ek tou theou in Rom 2,28 f.

" Zu beachten ist dabei, daß hagios bei Paulus nur im Plural, also
im ekklesiologischen Sinne, im Blick auf die „Gemeinde der Helligen
" gebraucht wird.

" Vgl. Ex 19,6 usw.; H. Conzelmann, a. Anm. 15 a. O., S. 36, Anm. 33.

" Der Gebrauch des Aorist-Partizips ist möglicherweise ein Hinweis
darauf, daß die „Heiligung" der Christen in der Taufe geschehen
ist. Vgl. bes. IKor 6,11.

'* Vgl. dazu die Formulierung von E. Jüngel, Paulus und Jesus,

2. Aufl. Tübingen 1962, S. 49 (zu 2Kor 5,21): „Das Sein . . . des am Sein
Gottes . . . partizipierenden gerechtfertigten Sünders ist ontologisch
gesehen ein Passivum, das seinen Ort im Medium des en Christo
hat."

« Vgl. G. Delling, a. Anm. 10 a. O., S. 377 f.

" Oder handelt es sich hier lediglich um einen abgeschliffenen
Sprachgebrauch: „die christlichen Gemeinden in Judäa"? Vgl.
F. Mußner, Der Galaterbrief, S. 98, Anm. 10; G. Delling, a. Anm. 10
a. O., S. 377, vermutet, daß in IThess 2,14 das en Christo Iesou um
der Unterscheidung von den Jüdischen Gemeinden willen hinzugefügt
worden ist.

" Zu den Vorstufen einer solchen individuellen Deutung im Alten
Testament (Jer 33,22; Jes 53,10) vgl. F. Mußner, Der Galaterbrief
, S. 239 f.

*» Vgl. in diesem Sinne H. Schlier, Der Brief an die Galater, S. 146,
mit Hinweis auf die Adam-Christus-Typologie: Christus als „Inbegriff
aller Glaubenden" (Rom 5,14; IKor 15,22.44 ff.).

" Vgl. F. Mußner, Der Galaterbrief, S. 266; zur „ekklesiologischen
Dimension des christologischen Sprachgebrauchs" in Gal 3,26.29 vgl.
auch G. Klein, Individualgeschichte und Weltgeschichte bei Paulus,
in: ders., Rekonstruktion und Interpretation, München 1969, S. 180
bis 224, S. 208 mit Anm. 103.

" Möglicherweise liegt in Gal 4,29 - kata pneuma gennetheis -
wiederum eine typologische Bezugnahme auf die Taufe vor; vgl.
F. Mußner, Der Galaterbrief, S. 329.

" Vgl. A. Jaubert, La notion d'alliance dans le Judaisme aux
abords de l'ere chretienne, Paris 1962, S. 209 ff.

" Zur christologischen Differenz zwischen Judentum und Christentum
in dieser Hinsicht vgl. A. Jaubert, a. a. O., S. 462 ff.

*' Vgl. W. Marxsen, Das Abendmahl als christologisches Problem,
Gütersloh 1963, S. 11; H. Schürmann, in: E.Schott (Hrsg.), Taufe
und neue Existenz, Berlin 1973, S. 28 f.; A. Jaubert, a. a. O., S. 447
bis 449.

" Vgl. P. Stuhlmacher, Gerechtigkeit Gottes bei Paulus, Göttingen
1965, S. 213 f.; G.Haufe, a. Anm. 21 a. O., S. 161-163.

" Vgl. E. Käsemann, Paulinische Perspektiven, S. 185 ff., bes.
S. 188 f.; ders.. An die Römer, S. 296 f., sowie P. Stuhlmacher, a. Anm.
45 a. O., S. 213 f.

ALLGEMEINES. FESTSCHRIFTEN

Kehnscherper, Günther: Kreta, Mykene, Santorin. Leipzig-
Jena-Berlin: Urania-Verlag [1973]. 167 S. m. zahlr. Abb.,
32 Tal, 24 färb. Taf. gr. 8°. M 15,80.

Populärwissenschaftliche Bücher sind wichtig und willkommen
, stellen sie doch die Vermittelung zwischen exakter
wissenschaftlicher Forschung und dem interessierten Laien
dar. Sie tragen eine hohe Verantwortung, da der Leser sicher

sein muß, sachgerecht über die Ergebnisse der wissenschaftlichen
Bemühungen informiert zu werden. Die eigene Auffassung
des Autors hat weitgehend zurückzutreten hinter
das Referat des wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses. K.
unterzieht sich dieser schwierigen Aufgabe zu einem Gegenstand
, der gegenüber Darstellungen der großen Kulturen an
Nil, Euphrat und Tigris in der Popularisierung sicher zu Unrecht
zurücksteht. Es gelingt dem Vf., einen lebendigen Eindruck
von der hohen Kultur Altkretas und des mykenischen
Hellas zu vermitteln. Ihm kommt dabei eine reiche Bildaus-