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Ausgabe:

1977

Spalte:

395-396

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Lörcher, Heinz

Titel/Untertitel:

Das Verhältnis der Prosareden zu den Erzählungen im Jeremiabuch 1977

Rezensent:

Lörcher, Heinz

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395

Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 5

396

geschieht dies sehr oberflächlich und nur unter Benutzung von
Sekundärliteratur über die Erlanger. Was den Kern des
Jensenschen Denkens, die »Theologie der agape", betrifft, so
läßt Vf. kaum deutlich werden, in welch prinzipiellem Gegensatz
diese Theologie zu jenem zweiten Kreis steht, in dem
Jensen sich bewegt: seine recht gesetzlichen Vorstellungen von
Bekehrung und Wiedergeburt. Ebenso fehlt die kritische Auseinandersetzung
mit einem agape-Verständnis, demzufolge
agape - so die Thesen des Vf. (183) - sowohl „ein mögliches
Missionsmotiv" als auch „missionarisches Fundamentalprinzip"
als auch „methodisches Missionsprinzip" sein soll. Bei Jensen
ist Liebe das (nicht nur „ein mögliches") Missions m o t i v.
Daß Jensen für die Missionsarbeit daheim und draußen auch
eine regelrechte Liebes m e t h o d i k erstellt oder doch gefordert
hätte, vermag Vf. nicht überzeugend nachzuweisen. Das
mag an der Beschaffenheit der Quellen liegen. Auf jeden Fall
hätte hier das „methodische Missionsprinzip Liebe" in grundsätzlicher
Form kritisch beleuchtet werden müssen.

Noch weniger ergiebig ist der zweite Teil („Aus der Geschichte
der Breklumer Mission"). Zwar erweitert er durch die
Benutzung eines bisher unveröffentlichten Manuskripts des
langjährigen Breklumer Indienmissionars R. Tauscher (135)
unsere Kenntnisse über die Entwicklung vor allem der Jeypur-

kirche um einige interessante Aspekte. Über die Verwirklichung
des missionstheologischen Ansatzes Christian Jensens in der
Breklumer Missionsgeschichte - so ja der anspruchsvolle
Titel - vermag Vf. jedoch nicht viel Beeindruckendes aufzuführen
.

Sehr verdrießlich ist die mangelnde Fähigkeit des Vf., sich
klar und zutreffend auszudrücken. Man fragt sich, warum eine
renommierte theologische Lehr- und Forschungsstätte sich Derartiges
in einer Dissertation bieten läfjt, und wie ein Verlag,
unter ausdrücklicher Nennung des zuständigen Lektorats, so
etwas drucken kann.

Dem Buch bleibt das Verdienst, Jensen vor dem Übersehenwerden
zu bewahren. Dieser ähnelt seinem um eine Generation
älteren großen „Nachbarn" Kierkegaard, so inkommensurabel
beide in der Substanz ihres Denkens sind, formal durch seine
Einseitigkeit. Gerade so vermag jeder von beiden Korrektiv zu
sein. Solange Kirche und Mission den Strukturen, Organisationen
, Methoden und Strategien so großes Gewicht beilegen,
wie dies noch immer der Fall ist, haben sie einen Rufer wie
Christian Jensen bitter nötig, der sie immer aufs neue nachdrücklich
an 1 Kor 13, 1-3 erinnert.

Leipzig Siegfried Krügel

REFERATE ÜBER THEOLOGISCHE DISSERTATIONEN IN MASCHINENSCHRIFT

Lörcher, Heinz: Das Verhältnis der Prosareden zu den Erzählungen
im Jeremiabuch. Diss. Tübingen 1974. 304 S.

Übereinstimmungen zwischen Prosareden und Erzählungen
im Jeremiabuch (vor allem zwischen Jr 7 und Jr 26) sind schon
häufig festgestellt worden. Dennoch wurden bisher die Erzählungen
als eigenständiges Korpus behandelt (so zuletzt
Kremers, Rietzschel, Wanke), während die Prosareden in ihrem
Verhältnis zu den poetischen Stücken behandelt wurden (zuletzt
W. Thiel, H. Weippert). Demgegenüber will die vorliegende
Arbeit die Zusammenhänge von Prosareden und Erzählungen
untersuchen.

Die Untersuchung gliedert sich in drei Teile: 1. Die Kriterien
der Abgrenzung von B- und C-Stücken (ausgehend von den
Definitionen von Mowinckel und Robinson) (S. 6-43);

2. Analyse und Zuordnung der B- und C-Stücke (S. 44-141);

3. Das Korpus der C-Stücke und das Korpus der B-Stücke
(S. 142-206).

Im ersten Teil werden als Kriterien für die Abgrenzung
untersucht: Unterschiedlicher Grundcharakter der B-Stücke
(erzählend) und der C-Stücke (Reden); Er- und Ich-Stil; Überschriften
und Einleitungsformeln; Datierungen, Stilistische
Formen der Einleitung und des Abschlusses; Symbolische
Handlungen; Visionen; Stil und Aufbau der Reden.

Anhand dieser Kriterien werden im zweiten Teil zuerst verschiedene
Prosastücke behandelt, die weder den B- noch den
C-Stücken zuzurechnen sind (S. 44-60): Berufungsgeschichte;
3, 6-18; 14, 11-16; 17, 19-27; 22, 1-5; 25; 31, 23-40 ; 34, 8-22;
51, 59-64; 52.

Es folgt die Untersuchung der einzelnen C-Stücke (S. 61-84):
7, 1-15; 7, 16-28; 11, 1-14; 13, 1-11; 13, 12-14; 16, 1-13;
18, 1-12; 21, 1-10; 24, 1-10; 27, 1-11; 32, 1-15; 35, 1-19.

Schließlich finden die Kriterien Anwendung auf die einzelnen
B-Stücke (S. 85-136): 19, 1-20, 6; 26, 1-24 ; 28, 1-17; 29, 1-32;
34, 1-7; 36, 1-32 ; 37, 1-43, 7; 43, 8-13; 44, 1-30 ; 45, 1-5.
Dabei zeigt sich, daß die einzelnen B-Stücke auf C-Stücken aufbauen
(cp 19 auf 18, 1-12; cp 26 auf 7, 1-15; cp 28 auf cp 27;
cp 29 auf cp 24; 37, 11-16 auf 32, 1-15; 37, 3-38, 38a auf

cp 21; in den Erzählungen von der Zeit nach der Zerstörung
Jerusalems sind einzelne Motive aus C-Stücken aufgegriffen;
c 44 verweist zurück auf 7, 16-19). In den B-Stücken werden
die C-Stücke uminterpretiert auf die Zerstörung der Stadt
Jerusalem hin (cp 19; cp 26) und als Auseinandersetzung mit
den falschen Propheten (cp 28; cp 29).

Im dritten Teil ergibt die Darstellung der Korpora von B
und C vier Ergebnisse:

1. Die C-Stücke liegen im jetzigen Jeremiabuch in ihrer
ursprünglichen Reihenfolge vor, während die Reihenfolge der
B-Stücke verändert wurde.

2. Die Umstellungen bei den B-Stücken erklären sich daraus,
daß bei der Zusammenarbeit C die kompositorische Grundlage
bildete.

3. In den einzelnen B-Stücken werden nicht nur einzelne
C-Stücke aufgegriffen, sondern in cp 36 liegt ein Bericht über
die C-Stücke insgesamt vor (Urrolle).

4. Das B-Korpus ist insgesamt als Neuinterpretation der
C-Stücke für die Situation der babylonischen Gefangenschaft zu
verstehen. Dabei wird in B vor allem die Notwendigkeit der
Unterwerfung unter die Babylonier zentral herausgestellt: Heil
gibt es deshalb für die Gola, wenn die babylonische Herrschaft
anerkannt wird (cp 29). Drei Erzählungselemente dienen dem
B-Autor als Bekräftigung bei der Verwendung der C-Stücke:

Jeremia erweist sich in den Auseinandersetzungen mit
anderen Propheten als der wahre Prophet;

die Auseinandersetzungen um Jeremia und seine Botschaft
zeigen, daß Jeremias Botschaft nicht gehört wurde;

die historischen Ereignisse des Falls von Jerusalem und der
nachfolgenden Zeit bekräftigen die Richtigkeit der jeremia-
nischen Botschaft.

Der Erzähler der B-Stücke macht deutlich, daß die in
Jeremias Botschaft enthaltene Mahnung nach dem Fall von
Jerusalem neu gültig ist, aber von denen, die in Jerusalem
zurückgeblieben sind, von neuem nicht angenommen wird. Sic
unterwerfen sich nicht den Babyloniern und fliehen nach
Ägypten. Die Möglichkeit der Rückführung nach Israel wird
für sie ausgeschlossen.