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Ausgabe:

1977

Spalte:

391-393

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Friedli, Richard

Titel/Untertitel:

Fremdheit als Heimat 1977

Rezensent:

Althausen, Johannes

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Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 5

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Unvollkommenheiten der ökumenischen Bewegung unausweichlich
und nachhaltig zum Ausdruck" (S. 134).

Zum Thema „Frieden und Versöhnung" sowie „Engagement
für eine bessere Welt" enthält das Buch Dokumente der
IV. Vollversammlung des ÖRK in Uppsala 1968 und der vorausgegangenen
Weltkonferenz für Kirche und Gesellschaft,
Genf 1966, der „Vereinigenden Generalversammlung des
reformierten Weltbundes und des internationalen Kongregationalistischen
Rats", Nairobi 1970, der V. Vollversammlung
des Lutherischen Weltbundes, Evian 1970, des Zentralausschusses
des ÖRK, Addis Abeba 1971, besonders hinsichtlich der
Fragen um die Menschenrechte und des Rassismus, die zum
Programm zur Bekämpfung des Rassismus führten, der Konferenz
Europäischer Kirchen, Nyborg 1971, und der Vierten
Allchristlichen Friedensversammlung, Prag 1971, sowie ökumenischer
Konferenzen zu Entwicklungsfragen in Beirut 1968
und Montreux 1970.

Zu den weiteren Themen werden vornehmlich Berichte und
Studienergebnisse der Theologischen Kommission über Gottesdienst
sowie über Tradition und Traditionen an die 4. Weltkonferenz
für Glauben und Kirchenverfassung in Montreal
1963 sowie Studienergebnisse der Kommission für Glauben
und Kirchenverfassung Bristol 1967 und Löwen 1971 vorgelegt.

Jede Auswahl hat selbstverständlich ihre Chance und ihre
Gefahr; die Chance einer raschen und konzentrierten Orientierung
; die Gefahr einer möglichen Vereinfachung oder
Akzentverschiebung hinsichtlich der Kompliziertheit des Gesamtkomplexes
. Wir meinen aber, es ist den Herausgebern,
voran dem Direktor des Ökumenischen Instituts Berlin, Dr. Johannes
Althausen, gelungen, eine anregende, instruktive und
wesentliche Elemente ökumenischer Arbeit und Verpflichtung
treffende Übersicht und Charakteristik im Rahmen eines
solchen Buches angeboten zu haben.

Hinsichtlich der nun inzwischen stattgefundenen V. Vollversammlung
des ÖRK, Nairobi 1975, wird besonders auch der
vierte Themenkreis „Ökumenismus und Konziliarität" von Bedeutung
. Der Begriff einer „conciliar fellowship" für die
anzustrebende Einheit der im ökumenischen Rat verbundenen
Kirchen, der in Löwen 1971 ausführlich erörtert wurde, ist in
der Sektion II von Nairobi weiter entwickelt worden. Eine der
Empfehlungen dieser Sektion an die Mitgliedskirchen: „Wir
ersuchen die Kirchen, die Voraussetzungen für ein sorgfältiges
Studium und die Klärung des Begriffs der „konziliaren Gemeinschaft
" als Ausdruck der Einheit der Kirchen zu schaffen",
stellt Aufgaben; auch dafür wird diese Dokumentensammlung
hilfreich.

Die Bedeutung und die gegenseitige Abhängigkeit der
Fragen nach der Verkündigung und der Entwicklung, nach der
vielzitierten „Vertikalen" und „Horizontalen", wie sie bei der
Weltkonferenz für Weltmission und Evangelisation, Bangkok

1973 und bei der Weltkonferenz für Evangelisation, Lausanne

1974 wesentlich zur Debatte standen, werden im vorliegenden
Buch konkret und herausfordernd angegangen.

Innerhalb einer nicht zu umfangreich zur Verfügung stehenden
Literatur zu ökumenischen Fragen bietet diese Dokumentensammlung
eine gute Hilfe und einen eindrucksvollen
Überblick sowohl als Einstieg in die Beschäftigung mit der
ökumenischen Bewegung unserer Tage wie auch zur Weiterarbeit
an wesentlichen Themen und Aufgaben.

Radebeul Ulrich von Brück

Friedli, Richard: Fremdheit als Heimat. Auf der Suche nach
einem Kriterium für den Dialog zwischen den Religionen.
Zürich: Theologischer Verlag [1974]. 214 S. gr. 8°. Kart.
DM 28,-.

Innerhalb der Mitgliedskirchen des ORK gibt es seit einigen
Jahren sehr wichtige Dialoge mit nichtchristlichen Religionen.
Seit 1969 sind diese ausgewertet, stimuliert und zum Teil auch
zusammengefaßt in einem „Dialog-Programm" des ORK,

dessen Direktor Professor Samartha/Indien, und dessen ehrenamtlicher
Vorsitzender Professor Margull/BRD ist. Was in den
Kirchen getan wird, wird durch Friedli in einer wissenschaftlichen
Untersuchung theologisch begründet. Sein Buch ist aber
darüber hinaus bedeutsam. Es ist eine missionswissenschaftliche
Monographie von bester Qualität (übrigens auch in der
äußeren Gestalt der Zuordnung von Text und Anmerkungen)
mit vorwärtsweisender Aussage.

Mit Hilfe einer interdisziplinären Methode, die an sich schon
erfrischend ist, wird ein neues eigenständiges und aufregendes
Koordinatensystem für Begriffe wie Mission, Religion, Dialog
u. a. entworfen. Vf. nennt das die totale Hermeneutik der
christlichen Sendung (S. 21). Dafür gibt es bisher kaum ein
so gut gelungenes Beispiel. Die Studie ist also induktiv gearbeitet
.

Vereinheitlichungserscheinungen in der Welt und Interdepen-
denzen sind viel diskutiert und weithin anerkannt. Weniger
anzufangen weiß man meist mit der Tatsache interkultureller
Begegnungen und Beziehungen. Sie sind Gegenstand des Interesses
von Friedli. Eine globale, aber überzeugende analytische
Studie zum Eingang stellt den Prozeß der sozio-kulturellen
Zirkulation dar, also der Phänomene, in denen Kulturen einander
begegnen, befruchten, beeinflussen, verändern und
durchdringen. In ihm werden Menschen und Gruppen von sich
selbst entfremdet. Sie werden bei sich und anderen Fremde.
Solche Erfahrung betrifft vor allem auch die religiösen Menschen
. Religion, und zwar jede der „klassischen" Religionen
nimmt teil an der sozio-kulturellen Zirkulation. Um mit dem
Geschehen leben zu können, müssen Verhaltensmuster entwickelt
werden, die von allen übernommen werden. „Weltinnenpolitik
" ist das Stichwort, unter dem die liberalen
demokratischen Vorstellungen Friediis dafür besprochen werden
.

Für die Kirchen - so fragt der Verf. sodann im zweiten
Teil - ergibt sich in diesem Kontext die Notwendigkeit einer
neuen Standortbestimmung, besonders auch gegenüber den
anderen Religionen. Hier werden zunächst die einschlägigen
Texte von Vaticanum II und Uppsala untersucht und ihre
konvergierenden Tendenzen herausgearbeitet. Die Christen
können nicht mehr den Anspruch erheben. Höchstes und
Bestes zu sein. Was aber ist dann ihr Verhältnis zu den
Religionen theologisch? Zwischen der Kritik der dialektischen
Theologie an den Religionen und der Erfüllungstheologic, bei
der das Christentum als Erfüllung dessen angesehen wird, was
letztlich in den Religionen schon immer schlummert, bietet Vf.
ein neues Interpretationsmodell für eine Theologie der
Religionen. Es baut auf, auf der von der Analyse der kulturellen
Zirkulation her gewonnenen Bewertung des Fremderlebnisses
als einer ursprünglich religiösen Erfahrung. Nach einer
psychologischen und religionspsychologischen Untersuchung
dieses Fremderlebnisses werden die alttestamentlichen Anschauungen
über den Fremden und das Fremdsein, besonders
anhand der deuteronomistischen Gesetzgebung betrachtet, um
daraus den Schluß zu ziehen, daß „Fremd-Sein nicht nur
religionsgeschichtlich, sondern auch theologisch das Kriterium
jeder gläubigen Existenz" ist (S. 149). Zwei religionswissenschaftliche
Parallelstudien bestätigen das: Der Hinayana-
Buddhismus und die Imana-Stammesreligion in Rwanda,
letztere mit für den Laien manchmal etwas gewollter Argumentationsweise
. „Fundamentale Hoffnung, Toleranz für die
,anderen'. Vorläufigkeit der Dinge" und die Bewährung der
Religionszugehörigkeit in einer ausziehenden Lebensführung
sind die Kategorien, die das Fremdsein ausmachen und also
Religionen angesichts ihrer gemeinsam gestellten Aufgabe in
der kulturellen Zirkulation neu interpretieren sollen.

Die Kirche, die das Christusereignis zu bezeugen hat, ist mit
gefangen. Sie begegnet aber auch überall um sich herum dem
Fremden, dem die Botschaft gilt. „Die Verhülltheit von Gottes
Gegenwart macht aus dem Fremden . . . einen privilegierten
Ort der Gottesbegegnung" (S. 203). So ist Mission außer dem
„zentrifugalen Weitergeben der Botschaft" auch „Evangelisation
der Christen durch Nichtchristen" (a. a. O.). Und die Suche
nach dem Heil führt zu einem „Heilsdialog", der zuerst „Dienst