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Ausgabe:

1977

Spalte:

376-378

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Wagenhammer, Hans

Titel/Untertitel:

Das Wesen des Christentums 1977

Rezensent:

Birkner, Hans-Joachim

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Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 5

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der Inhaltsaspekte in Nitzschs Predigten waren mit einer Vernachlässigung
der kommunikationstheoretischen Faktoren verbunden
. Die Stärken und Schwächen von Nitzschs Predigten
liegen insofern eng beieinander.

Nitzsch hat einst für die Praktische Theologie die gegenseitige
Ergänzung der ,begrifflich-ideellen', der «empirischhistorischen
' und der ,regulativ-technischen' Methode gefordert.
Diese drei Aspekte sind in der vorliegenden Arbeit unter
gegenwärtigen wissenschaftstheoretischen Fragestellungen berücksichtigt
worden. Die solide und ergebnisreiche Untersuchung
von H. Theurich hat nicht zuletzt aus diesem Grund
eine unmittelbar aktuelle Bedeutung.

Göttingen Friedrich Wintzer

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Arts, Herwig: Moltmann et Tillich. Les fondements de
l'esperance chretienne. Preface de Roger Mehl. Gembloux:
Duculot (1973.]. 178 S. gr. 8° = Recherches et syntheses.
Sections d'oecumenisme. II. bfr. 350,-.

Der Untersuchung von H. Arts liegt seine im Jahre 1970 von
der Protestantischen Theologischen Fakultät der Universität
Strafjburg angenommene Dissertation zugrunde. R. Mehl hebt
in seiner Einführung (Preface, p. 5-8) hervor, daö die entscheidende
Frage, die heute an eine theologische Konzeption
zu richten sei, nicht die nach ihrer konfessionellen Ausrichtung,
sondern nach ihrem Offenbarungsverständnis sei. Es gehe
jeweils darum, festzustellen, .welchen Platz eine Theologie einnimmt
innerhalb eines Prozesses, der zur Universalität zurückführe
(„... que la theologie chretienne est en train de retrouver
sa dimension universelle" - p. 5). Von daher erhält das Unterfangen
von H. Arts, zwei profilierte Theologen, die von verschiedenen
Grundansätzen her ihre Theologie entwickeln, zu
konfrontieren, seine besondere Bedeutung.

In einem ersten Hauptteil (Moltmann. Plaidoyer pour une
hermeneutique eschatologique. - S. 17-71) wird Jürgen Moltmann
im Gespräch mit Bultmann, Pannenberg und Karl Barth
vorgestellt. Der Verfasser expliziert Moltmanns Unterscheidung
von drei wesentlichen Gruppierungen in der modernen
Theologie, die durch die vorgenannten Namen repräsentiert
werden und die von einem jeweils differenzierten „VorVerständnis
'" (vgl. S. 25) zu voneinander abweichenden Auffassungen
über die Offenbarung und dementsprechend auch über
das Verhältnis von Geschichte und Eschaton gelangen.

Arts versteht es ausgezeichnet, die auf die Offenbarung bezogenen
wesentlichen Momente, wie sie sich in der Sicht von
Moltmann darstellen, und wie sie wiederum relevant werden
für solche Fragen wie nach der „Beweisbarkeit' Gottes sowie
für die Hermeneutik und für die eschatologische Problematik,
herauszuarbeiten. Moltmanns kritische Auseinandersetzung
mit den drei Gruppen führte ihn unter Abweisung der rein
existentiellen Bezogenheit des Offenbarungsgeschehens wie auch
der Interpretation der Geschichte als indirekter Offenbarung
am ehesten in die Nähe Barths, für den Offenbarung mit
.„Gottes Selbstoffenbarung'" (vgl. S. 34 ff.) gleichzusetzen sei.
Arts untersucht Moltmann sodann hinsichtlich seiner Methode,
biblische Texte nach ihren Aussagen über die Offenbarung zu
befragen und legt auch hier wiederum dar, wie die Auseinandersetzung
mit der Hermeneutik bei Bultmann, Pannenberg
und Barth erfolgt, um von dort aus zur eschatologischen
Fragenstellung überzugehen, in deren Beantwortung die
Relation von Geschichte und Offenbarung von Moltmann in
genau umgekehrter Richtung wie bei Pannenberg dargestellt
wird.

Der zweite Hauptteil (Tillich. Une theologie methodiquement
correlative. - S. 73-137) befragt das religionsphilosophische
und theologische Werk Tillichs hinsichtlich der Prolegomena
des Offenbarungsverständnisses und des Verhältnisses von

Geschichte und Eschatologie. Die Abhängigkeit Tillichs von der
Philosophie der Offenbarung des späten Sendling, seine onto-
logische Grundlegung, die Korrelation von Frage und Antwort
in ihrer Relevanz für die Offenbarung als Antwort auf die
existentiellen Fragen werden in stark komprimierter, aber
doch durchsichtiger Form dargestellt.

Einzelne Komplexe allerdings werden nicht immer in der
Bedeutung, die sie für das Gesamtproblem besitzen, berücksichtigt
. Das trifft z. B. zu für die Rolle des Ekstatischen beim
Erleben der Offenbarung oder auch für die Tillichschc
Dialektik von Essenz und Existenz, die zu einem tiefergehenden
Verständnis des im Abschnitt „Histoire et eschatologie
selon Tillich" (p. 105-137) Ausgeführten vorausgesetzt werden
müfjte. Es gelingt Arts sonst jedoch vorzüglich, einsichtig zu
machen, in welcher Weise die Ansichten von Moltmann und
Tillich divergieren. Das gilt sowohl im Blick auf die Methode
(Tillich gehe die angesprochene Problematik systematisch und
synthetisch an, während Moltmann die von ihm in den Mittelpunkt
gerückte eschatologische Fragenstellung monographisch
behandele), als auch grundsätzlich.

Tillich beschreite den Weg der Anpassung an die Sprache
und das Denken des modernen Menschen, Moltmann wolle
eben diesen modernen Menschen zurückführen zu den ewigen
geoffenbarten Wahrheiten. Man wird Arts nicht bis zur letzten
Konsequenz folgen können. Das philosophische Prolegomenon
Tillichs wird recht formal kritisiert, während die eigentliche
weltanschauliche Komponente u. E. nicht erschöpfend berücksichtigt
wird.

Das gilt auch für die von Arts bejahte Konzeption Moltmanns
. Es könnte nach Arts so scheinen, als wäre die Molt-
mannsche Eschatologie das Resultat eines reinen, von Prämissen
freien Theologisierens, das seinen Quellort lediglich
im Offenbarungsgeschehen selbst hat: „La revelation - et eile
seule - est donc de toute evidence, le point de depart de Moltmann
" (S. 167). Moltmann fordere die Rückkehr von der
apologetischen Theologie, die eine philosophische Grundlegung
benötige. Dafj er aber letzten Endes Tillich und Moltmann
bei aller Verschiedenheit der Denkweise in ihrem weltanschaulichen
Vorverständnis so weit konform gehen, dafj sie
beide in ihrem Gcschichts- und Zukunftsverständnis zu weltanschaulichen
Apologeten ihrer gesellschaftlichen Umwelt
werden, wird in dem Buch trotz des Hinweises auf Moltmanns
„Politische Hermeneutik" - (vgl. etwa S. 54) nicht reflektiert.

Potsdam-Babelsberg Ilse Bertinetti

Wagenhammer, Hans: Das Wesen des Christentums. Eine begriffsgeschichtliche
Untersuchung. Mainz: Matthias-Grünc-
wald-Verlag (1973). 262 S. gr. 8° = Tübinger theologische
Studien, hrsg. v. A. Auer, W. Kasper, H. Küng, M. Seckler,
2. Kart. DM 38,-.

Herkunft, Geschichte und Funktion der Formel „Wesen des
Christentums" ist im Gefolge der Debatte über A. v. Harnacks
berühmtes Buch (1900) zum Gegenstand intensiveren Interesses
geworden. E. Troeltsch, dessen grofjer Aufsatz „Was
heifjt /Wesen des Christentums'?" (Christliche Welt 1903; Ges.
Schriften II) die methodischen Probleme der Wesensfrage
analysierte, machte Romantik und Idealismus als Ursprungsbereich
namhaft. H. Hoffmann hat dann in seinem Beitrag zur
Harnack-Festschrift (1921) „Die Frage nach dem Wesen des
Christentums in der Aufklärungstheologie" verfolgt. In jüngerer
Zeit hat R. Schäfer einen umfassenden Überblick gegeben
(ZThK 1968; Historisches Wörterbuch der Philosophie I) und
eine genealogische Linie skizziert, die in den (lutherischen)
Pietismus führt.

Die vorliegende Arbeit, eine im WS 1971/72 vom Tübinger
Fachbereich Katholische Theologie angenommene Dissertation,
unternimmt es, das Bild der Begriffsgeschichte zu bereichern
und zu korrigieren, indem sie lateinische „Äquivalente" und
mittelalterliche Vorformen einbezieht. Sie gliedert sich in