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Ausgabe:

1977

Spalte:

371-373

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Wesley, John

Titel/Untertitel:

The journal of John Wesley 1977

Rezensent:

Wendelborn, Gert

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Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 5

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the other humanists who became reformers are studied in
their own terms, it may become apparent that they were the
rule among religious leaders of the sixtenth-century, while
Luther, like all geniuses, was the exception. Perhaps, then,
they should be the Standard for judging the spirit of the age."
(a. a. O.)

Die Frage, ob die humanistischen Implikationen Capitos, die,
wenngleich als überwunden bezeichnet, wohl dann doch noch
weiterwirkten, nicht auch generell für die bleibenden Unter-
schiedenheiten zwischen Strasburg und Wittenberg zu veranschlagen
wären, stellt der Vf. nicht. Sein Verdienst ist es
zweifellos, auf die geistigen Kräfte aufmerksam gemacht zu
haben, die hier miteinander rangen und zur folgenschweren
Ausprägung einer initio in partes für die reformatorischen
Kirchen beitrugen.

Berlin Joachim Rogge

KIRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT

Parker, Percy Livingstone [Ed.]: The Journal of John Wesley.
With an Introduction by H. P. Hughes, M. A. Appreciation
of the Journal by A. Birrell. Chicago, ULs Moody Press.
419 S. 8°. $ 2.95.

John Wesley, der Begründer des Methodismus, führte von
1735 bis 1790, wenige Monate vor seinem Tode, Buch über
seine täglichen Erlebnisse. Das 26 Bände füllende Tagebuch,
das wohl aufschlußreichste autobiographische Zeugnis und
kulturgeschichtliche Dokument aus dem England des 18. Jhs.,
wurde im vollen Umfang nie veröffentlicht. Wohl aber hat
Wesley schon zu Lebzeiten große Teile für den Druck bearbeitet
, weil er durch sie den Zugang gerade zu den Herzen
einfacher Menschen erleichtern wollte. P. L. Parker gab ein
Viertel dessen, ergänzt durch die von Wesley nicht mehr gesichteten
Niederschriften der letzten vier Lebensjahre, die sehr
schwer zu entziffern waren, jetzt in den USA neu heraus. Nicht
nur die methodistische Weltfamilie weiß ihm Dank dafür,
sondern auch viele Freunde eines lebendigen Christentums in
aller Welt und viele historisch Interessierte.

Das Tagebuch legt Zeugnis ab von der Suche des jungen
Wesley nach dem rechten Glauben und der eigenen Lebensaufgabe
, dann aber in seinem überwiegenden Teil von seiner
unermüdlichen Treue gegenüber der einmal eingegangenen
Verpflichtung. Trotz seiner evangelistischen Leidenschaft ist
der Stil der Aufzeichnungen erstaunlich nüchtern. Wesley bekennt
sich nicht nur zu einem gclebten, entschiedenen Glauben
, sondern immer wieder auch zu common sense und praktischer
Lebenserfahrung. Illusionslos betrachtet er die Menschen
um sich her. Er fällt differenzierte Urteile über seine jeweilige
Hörerschaft sowie über den Zustand der anglikanischen Gemeinden
(congregations) wie der eigenen societies. Er scheut
nicht harte, ja vernichtende Urteile über berühmte Männer wie
Rousseau und Swedenborg, ja auch Elisabeth l„ während er
das negative Urteil seiner Umwelt über Maria Stuart mehrmals
korrigiert. Man wird über manche dieser Urteile gerade
in ihrer schroffen Absolutheit streiten müssen, doch ist nicht
zu verkennen, daß Wesley über eine stets wache Beobachtungsgabe
und über ein nüchternes Urteilsvermögen verfügte. Er
geht zumal als gereifter Mann nicht achtlos an den Denkmälern
einer großen Vergangenheit, die auch die britische
Insel reichlich zu bieten hat, vorüber. Wie er den Reiz einer
lieblichen oder auch majestätischen Landschaft zu empfinden
weiß, so entdeckt er für sich, wenn ihm irgend Zeit bleibt, jede
neue Stadt, vergleicht sie mit anderen und verweilt sinnend in
den vielen alten Abteien und bei berühmten Ruinen. Gerade
der Blick in eine ferne Vergangenheit gemahnt ihn freilich

auch stets an die Vergänglichkeit alles Irdischen, und der
„eschatologische Vorbehalt" bleibt immer lebendig, gepaart
mit dem jederzeit wachen religiösen Verantwortungsbewußtsein
. Angesichts der besonders lieblichen Landschaft bei New-
castle kann er notieren: „Certainly if I did not believe there
was another world, I should spend all my summers here.
I know no place in Great Britain comparable to it for pleasant-
ness. But I seek another country and therefore am content to
be a Wanderer upon the earth" (232). Stößt er auf keinerlei
Widerstand bei seinen Predigten, so ist er besorgt, ob er nicht
das Ärgernis des Kreuzes verdeckt habe, und als er in Norwich
auf das vermutlich eleganteste Versammlungshaus Europas
stößt, fragt er zweifelnd: „How can it be thought that the old,
coarse gospel should find admission here?" (226).

Wesley hat seinen Hörern die Eindeutigkeit des Glaubens
und des darauf aufbauenden christlichen Lebens nie erspart.
Das brachte bereits den jungen anglikanischen Pfarrer, der
sich nach Nordamerika begeben hatte - mit der packenden
Schilderung der Überfahrt wie der dortigen Erlebnisse beginnt
das Tagebuch -, mit seiner Gemeinde in Savannah (Georgia)
in Konflikt, wagte Wesley es doch, Gemeindeglieder wegen
unchristlichen Wandels vom Empfang des Abendmahls auszuschließen
. Er hatte sich darauf wegen Versuchs der Aufrichtung
einer geistlichen Tyrannei und Friedensbruch sowie
wegen Verleumdung unbescholtener Bürger zu verantworten
und kehrte nach nicht einmal zweijähriger Tätigkeit in der
jungen englischen Kolonie nach England zurück. Fortan sollte
er Großbritannien, abgesehen von einer kurzen Visite bei den
Herrnhutern in Deutschland und der späten Reise nach
Holland, nicht mehr verlassen. Seine ganze Kraft galt ab 1739
bis unmittelbar vor dem Tode des 87jährigen der „Feldpredigt
" in ganz Großbritannien. Wesley, der von keiner Gemeinde
seiner anglikanischen Kirche fest angestellt wurde,
bereiste ein halbes Jahrhundert lang selbst die entferntesten
Teile des Inselbcreiches, begab sich immer wieder auch nach
Irland, Schottland und Wales sowie auf die vorgelagerten
englischen Inseln, um das Evangelium zu verkünden. Wo man
ihm Gelegenheit dazu gab, predigte er in anglikanischen
Kirchen und teilte dort auch das Abendmahl aus; doch bald
verweigerte eine Kirche nach der andern ihm das Gastrecht,
und manche zur Zusammenarbeit bereiten Ortspfarrer fürchteten
den Unwillen ihres Bischofs. So predigte Wesley meist
unter freiem Himmel : auf dem Marktplatz, in der Hauptstraße
oder auch außerhalb der Stadtmauern auf freiem Feld. Er
ertrug die Unbilden der Hitze, des Regens, des Schnees und
des in England so häufigen Sturms. Jahr für Jahr legte er zu
Pferde 4-5000 englische Meilen und mehr zurück und hielt
jährlich etwa 1000 Predigten. Das war nur möglich, weil er
seinen Körper in eiserner Zucht hielt und „die Zeit auskaufte",
wie dies einige Jahrzehnte zuvor August Hermann Francke in
Halle getan hatte. Tag für Tag bis ins hohe Alter hinein stand
er um 4 Uhr auf und predigte bereits um 5 Uhr. Er hatte seinen
Körper so in der Gewalt, daß er am Abend sofort einschlief.
Lange Zeit hindurch predigte er 3mal täglich, wenn nicht noch
häufiger. Neben den Predigten vor dem zusammenströmenden
Volk stand regelmäßig der Dienst an der eigenen „Gesellschaft",
der methodistischen Kerngemeinde, die trotz ihrer Armut bald
daranging, eigene Versammlungshäuser zu errichten. Es ist
bewegend, zu lesen, wie Wesley seine Gesinnungsfreunde
immer wieder zu überzeugen suchte, daß man sich um keinen
Preis von der eigenen Kirche trennen dürfe. Noch in seinen
letzten Lebensjahren drohte er einer society, die ihre Zusammenkünfte
auf die Zeit des Kirchgangs gelegt hatte, an, sie
künftig zu boykottieren. Indes am Lebensende gestand er sich
resignierend ein, daß auf Grund des Unverständnisses und der
Feindschaft vieler Amtsträger der Church of England die Entfremdung
immer größer werde. Er selbst aber fühlte sich stets
als deren Glied und nicht als Dissenter, obgleich er für eine
gerechte und verständnisvolle Behandlung der letzteren eintrat
. Er durfte es an seinem Lebensabend erleben, daß er
von Magistraten mehrerer Städte offiziell geehrt wurde und
so viele Einladungen in anglikanische Kirchen erhielt, daß er
nicht mehr allen nachkommen konnte.