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Ausgabe:

1977

Spalte:

366-367

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Leaver, Robin A.

Titel/Untertitel:

Luther on justification 1977

Rezensent:

Beintker, Horst

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Theologische Litcraturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 5

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verhalte zugleich - mindestens im Prinzip - als auf zwei ver- Verwunderlich ist, daß Nowak nicht eingegangen ist auf die

schiedenen Tendenzen beruhend angeschen werden könnten. außerordentlich zahlreichen Stellen im Werk des Johannes, die

Und bei der Konzeption von der Integrität des Leibes sollte sich mit der Perikopc Mt 25, 31-46 auseinandersetzen. Mit

man m. E. viel stärker, als B. es tut, mit der Einwirkung der Hilfe einer eigenständigen Interpretation dieser Perikope gibt

ägyptischen Vorstellung von der Wiedervereinigung der Chrysostomos seiner Überzeugung Ausdruck, daß Christi

Glieder, auf die B. ja selber ausdrücklich hinweist, als eines Passion weiter dauert. Die Vorstellung, daß Christus heute in

zentralen Motivs des Osirisglaubens rechnen. den Armen leidet, um uns zur Menschlichkeit zu gewinnen,

ist für Theologie und Ethik des Chrysostomos zentral. (Ein

ellln Hans-Martin Schenke Bcjspici wenigstens sei genannt: In ep.ad Rom.h.16 (15),6,

PG 60, 547 f.) Von daher hätten die Ausführungen Nowaks
über das Leidensverständnis des Johannes viel an Tiefe gewinnen
können. Das Urteil, daß der Gedanke der Gemeinschaft
des Leidenden mit Christus bei ihm nur in Ansätzen begegne,

Nowak, Edward: Le Chretien devant la souffrance. Etüde Sur la erweist sich bei Berücksichtigung der vielen von Mt 25, 31-46

pensee de Jean Chrysostomc. Paris: Beauchcsne (1972). geprägten Stellen als unhaltbar.

239 S. 8" = Theologie Historique, dir. par Ch. Kannen- ' Zum Schluß ein paar kritische Bemerkungen zur Methode,

gießer, 19. Nowak verzichtet darauf, die Sicht des Chrysostomos mit der

Nowak untersucht in der vorliegenden Studie die Auße- anderer Väter zu konfrontieren. Daraus folgt, daß Eigenart

rungen von Johannes Chrysostomos zum Problem des Leidens. und Bedeutung von Johannes Chrysostomos nicht recht greif-

Er beschränkt sich auf die Schriften, die aus der konstantino- bar werden. Nowak gibt relativ oft pauschale Übersichten und

politanischen Zeit und aus dem Exil stammen. Begründet wird stützt sich dafür crst noch auf Lexikonartikel (z. B. S. 29; 45;

diese Beschränkung mit dem Hinweis, daß dieser Zeitabschnitt 52 r-' 91S 120)- Er zitiert pseudochrysostomisehe Schriften als

für den Bischof von Konstantinopel gekennzeichnet ist durch authentisch (S. 121; 171; 194). Auf S. 123 ist ein sinnstörender

persönliches Leiden. Diese Begrenzung ist auch angesichts der Druckfehler zu finden. In Catechese III, 6, 4-6 (Sources chre-

Füllc chrysoslomischer Texte verständlich. In bezug auf das tiennes 50, ed. A. Wenger, S. 154) ist zu lesen: „nous baptisons

zu untersuchende Thema ist sie indes problematisch. Nowak meine les petits enfants, bien qu'ils n'aient pas de peches". Bei

läßt so die Hauptmasse der chrysostomischen Homilien außer Nowak ist der Singular „peche" zu lesen. Für die spätere Dis-

acht und stützt seine Argumentation auf eine relativ schmale kussion ist es von entscheidender Bedeutung, daß Chrysosto-

Basis, zur Hauptsache auf die drei Exilsschriften: „Quod nemo mos hier den Plural gebraucht hat.

lacditur nisi a sc ipso", „Ad cos qui scandalizati sunt" und die Buus (Schweiz) Rudolf Brändle
Briefe an Olympias (alle Texte sind in der Sammlung .Sources
chretienncs" erschienen). Positiv festzuhalten ist, daß Nowak

seine Arbeit klar gegliedert hat und eine präzise Sprache i/ioruCMrccruirUTC

schreibt. Er geht sein Thema von drei Seiten her an: dem KIRCHENGESCHICHTE:

philosophischen, dem theologischen und dem ethischen Aspekt REFORMATIONSZEIT

des Leidens. Am Ende eines jeden Abschnitts gibt er eine

instruktive Zusammenfassung. ...... - .... „ . .

1. Aspekt (S. 25-88). Das Böse in der Welt hat seinen Leaver, Robin A.: Luther on Justification St. Louis - London:
Ursprung nicht in Gott, auch nicht im Teufel, sondern im Concord.a Publishing House [1975]. 84 S. 8°. Kart. $ 3,95.
Willen des Menschen. Das Leiden rührt von der falschen Sicht „Sehr nützlich", vor allem auch in ihrer Bescheidung „auf
der Dinge her. Hier ist der stoische Einfluß auf das Denken einige hundert Lutherzitate", wertet Gordon Rupp (Cambridge)
des Chrysostomos deutlich greifbar. die Arbeit des englischen Pfarrers. In der Tat kann in der

2. Aspekt (S. 89-137). Das Leiden ist in den Zusammenhang anglikanischen Sprachwelt die Wiedergabe von originalen
der Vorstellung von der göttlichen Vorsehung zu stellen. Das Luthertexten mehr ausrichten als eine Übersetzung von wis-
Lciden ist eines der Mittel, mit denen Gott die Menschen zum senschaftlichen Darstellungen über Luthers theologisches Den-
Hcil führt. ken. Leaver legt Hauptformcln der Reformation Luthers den

3. Aspekt (S. 139-220). Das Leiden hat einen positiven Wert fünf Kapiteln zugrunde „iustificatio sola fide per Christum"
für den Menschen. Er kann durch geduldiges Ertragen Ruhm und kompliziert sein Vorhaben, solchen „bekannten, aber so
erwerben vor Gott und den Menschen. Das Leiden hat zudem oft mißverstandenen" formelhaften Aussagen in Kompilation
eine stärkende und belehrende Funktion. Schließlich legen die ausgewählter Luthertexte eindeutig Ausdruck zu geben, durch
Christen mit dem Ertragen der Leiden Zeugnis ab für Christus Zerschlagung der Formel.

und treten mit ihrem Herrn in Verbindung. Dieser letzte Im ersten Kapitel, „Justification" überschrieben, geht es um
Aspekt ist nach der Meinung des Autors bei Johannes die Entdeckung des reformatorischen Sinnes vom Rm 1,17,
Chrysostomos nur ansatzweise zu finden (S. 206). um Datierung und Wertung, ob sie Neuprägung oder WiederNowak
ist im Gegensatz zu anderen Forschern (zitiert werden holung mittelalterlicher Lehre sei. Das zweite Kapitel „Sola"
D- Amand, M. Villcr und K. Rahner) der Meinung, daß setzt die begonnene Problemstellung fort. Leaver schließt den
Chrysostomos tief beeinflußt gewesen ist von der kynisch- einleitenden Hinweisen zur ersten Folge der reformatorischen
stoischen Diatribc. Seine Konzeption des Leidens habe darum Lehrbildung, nämlich mit dem Ablaßstreit, eine knappe Skizze
eincn ausgeprägten rationalen Charakter. Johannes Chrysosto- des römisch-katholischen Justifications-Vcrständnisses (Thomas
mos ist für Nowak zeit seines Lebens der griechischen Kultur von Aquino, Hans Küng) an. Er arbeitet das „Allein" Luthers
«n hohem Maß verpflichtet geblieben. Er habe sich bemüht, gegen die Tradition heraus, setzt es von „Thomas Aquinas'
die aus seiner Erziehung und Schulung überkommenen Sola" ab (19), zieht die Linie der „Justification: Basis of All
Elemente in seine christliche Sicht der Dinge einzuordnen. Doctrines" (22 f.) weiter mit Luthers Versuch, den Glauben der
Gerade hier hätte Nowak m.E. differenzierter vorgehen sollen. Väter dazu begründend anzuführen, aus. Mit „Fide" über-
°cr philosophische Einfluß auf Chrysostomos ist nicht zu bc- schrieben, setzt die Verbindung von kontroverser Stimme
streiten, besonders in den Werken des Anfangs und inter- (Henry Newman) mit Aneinanderreihung der Luthertextaus-
pssanterweise auch in den letzten Schriften ist er unverkenn- wähl zum Kapitelstichwort sich fort. Die Zwischengliederung,
bar. Das wichtige Problem, das aus dem Zusammentreffen von die unserer redaktionellen Aufgliederung von Zeitungsartikeln
griechischer Philosophie und christlichem Glauben bei Chry- ähnelt, lautet hier: „Misplaced Stress"; „Faith Is God's
sostomos und anderen Vätern der Kirche entstanden ist, ist Activity"; „Faith Unites with Christ"; „Theses on Faith". Der
aber nicht mit der Erklärung gelöst, Chrysostomos hätte die umfangreichere letzte Teil des Kapitels gibt, etwas anders ge-
aus philosophischer Tradition übernommenen Elemente mit ordnet, im wesentlichen die Thesen de fide von 1535 wieder
Hilfe der Bibel harmonisiert (so Nowak S. 88). (28-41).