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Ausgabe:

1977

Spalte:

358-359

Kategorie:

Judaistik

Titel/Untertitel:

The Testament of Job 1977

Rezensent:

Walter, Nikolaus

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357

Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 5

358

Generation verweist, innerhalb derer ein Satz formuliert ist.)
Die Zuschreibungen versetzen uns in die Lage, die Materialien
von Mischna-Tosefta auf die einzelnen Generationen aufteilen
zu können (vor 70 n.Chr.; Yavneh ca. 70-120; Uscha ca.
130-170; die Zeit Rabbis)7, und dies ermöglicht, die eigentliche
Rekonstruktion der Geschichte zu beginnen. Den Prozeß
der sprachlichen und literarischen Ausformung zeichnet N.
einleuchtend in „The Weaving8 of the Law: Yavneh and Usha
(III, S. 273-327; V, S. 158-197) nach. Lassen sich hierbei gelegentlich
auch die dabei von einzelnen Autoritäten geleisteten
Beiträge erkennen („The Weavers of the Law:" III, S. 328-349;
V, S. 198-217), so halten jedoch die Thesen, Kelim sei von
R. Jose (so D. Graubart, J. N. Epstein) und Ohalot entweder
ebenfalls von R. Jose (so J. N. Epstein), oder aber zu wesentlichen
Teilen von R. Meir (so A. Goldberg) redigiert worden,
der kritischen Überprüfung nicht stand (III, S. 349-354; V,
S. 217-219): „The fundamental strueture and the underlying,
organizing coneeptions (hinsichtlich der Endredaktion der
Traktate) are the work of people whose namens we do not
know" (V, S. 219).

Haben die bisherigen Untersuchungen gezeigt, daß die
sprachliche und literarische Ausformung der Reinheitsgesetze
nicht wesentlich vor dem Jahr 70 n. Chr. begonnen hat, widmet
sich N. in „Kelim before 70" (III, S. 355-384) bzw. „Ohalot
before 70" (V, S. 220-234) der Vorgeschichte, der inhaltlichen
Ausformung, der Mischnavorschriften. Dabei gelangt er zu
dem Ergebnis, daß die mischnischen Vorschriften zwar mit den
entsprechenden Bestimmungen der Priesterschrift (zu Kelim:
Lev 11, 29-35; 15, 4.6.9-12.19-24; Num 19, 14-15; 31, 19-24;
zu Ohalot: Num 19, 11.14-16.22) in Beziehung stehen; die
diesen zugrunde liegenden Konzeptionen aber sind von jenen
völlig verschieden. Auch die Heranziehung der exegetischen
Literatur (Sifra, Sifre) vermag hier keine Brücke zwischen den
beiden Konzeptionen zu bauen. Aus dieser Einsicht zieht N.
den Schluß: „It is an accurate Statement of the fact to regard
Leviticus and Numbers as a Torah, Kelim and Ohalot as another,
separate but correlative one" (V, S. 238). Diese Feststellung
endlich bildet das Leitmotiv der abschließenden Synthese:
„History of the Mishnaic Law of Purities: Kelim, Ohalot", die
zunächst die „History of Kelim" (V, S. 238-242) und die
»History of Ohalot" (V, S. 242-251) resümiert und sodann zu
der Frage überleitet: In welchem Verhältnis stehen die beiden
geschiedenen Konzeptionen der Mischna und der Priesterschrift
(der mündlichen und der schriftlichen Tora also) hinsichtlich
Kelim und Ohalot zueinander? Auf diese Frage gibt
N. in „Two Torahs - One Whole Torah" (V, S. 251-256) die
höchst bemerkenswerte Antwort: Kelim und Ohalot liefern
»the picture of the relevance and importance of uncleanness
as it must have existed before the Priestly lawyers took all
modes and forms of uncleanness and turned them into a Single
cultic concern. In Mishnah, as in the time before the Priestly
Code, uncleanness is everywhere consequential, not merely in
the cult. .. Mishnaic law seems, therefore, to carry us back
to the Situation prcvailing before the Priestly reformulation
°f purity. It not merely complements Scripture but reverses
and revises Scripture's basic assumptions" (V, S. 255).

Es versteht sich von selbst, daß im begrenzten Rahmen
einer Rezension unmöglich auf Einzelheiten des umfangreichen
Werkes eingegangen werden kann. Indessen bedarf es wohl
kaum größerer Vorstellungskraft, um aus dem gebotenen
knappen Überblick über Aufbau und Inhalt ersehen zu können,
daß hier ein Mischnakommentar im Entstehen begriffen ist,
der sich infolge der in ihm angewandten - in der Bibelwissenschaft
ja längst vertraut gewordenen - form- und historischkritischen
Methoden als auch hinsichtlich seiner Zielsetzung
deutlich von den bisher bekannten abhebt und so zu einer
Fülle neuer Erkenntnisse über die behandelten Texte verhilft.
Gerade die zuletzt zitierten Sätze erwecken besondere Aufmerksamkeit
und lassen den Leser die Lektüre der bisher vorlegenden
Bände mit einem Gefühl der Neugier beenden, jener
Neugier nämlich, in Erfahrung zu bringen, wie die hier begonnenen
Linien der historischen Rekonstruktion unter Zugrundelegung
detaillierter Analysen weiterer Traktate ausgezogen
werden, bis sich am Ende das fertige Bild der „History
of the Mishnaic Law of Purities" dem, der es betrachten
möchte, präsentiert.

Da N. selber nun mehrfach zu verstehen gegeben hat - hin
und wieder betonte er es geradezu -, daß er die Ergebnisse
bislang immer nur unter dem Vorbehalt kritischer Überprüfung
mittels Untersuchungen der folgenden Traktate vorträgt
, wird man sich fairerweise an dieser Stelle denn auch
eines Urteils über das Gebotene enthalten. Zum Schluß sei
daher nur noch darauf hingewiesen, daß dieses Kommentarwerk
sich über das Genannte hinaus auch dadurch besonders
auszeichnet, daß N. in beträchtlichem Maße in ihm die Ergebnisse
der Bemühungen der großen Gelehrten vergangener
Jahrhunderte (angefangen von Maimonides bis zu denen,
deren Werke in der wohl bis heute nicht übertroffenen
Rommschen Edition der Mischna und des Babylonischen Talmud
, Wilna 1887, wiederabgedruckt sind) nicht nur nebenbei
erwähnt, sondern ihnen oft in Gestalt auch längerer Zitate den
ihnen gebührenden Platz einräumt. Auf diese Weise wird dem
Leser zugleich ein beachtlicher Einblick in die „klassischen
Kommentare" zur Mischna gewährt, der ihm sonst sicher nicht
immer ohne weiteres möglich sein wird.

Für die hier geleistete immense Arbeit muß man dem
Autor aufrichtigen Dank sagen.

Naumburg/Saale Stefan Schreiner

1 Vgl. ThLZ 89, 1964 Sp. 750 ; 97, 1972 Sp. 43« (= 2. Aufl. desselben

Werkes).

2 Rezension über: J. Neusner, From Politics to Piety: The Emergence of
Pharisaic Judaism, 1972, in: AMERICA Vol. 128 No. 9 S. 224.

1 2 Vols., Leiden 1973 = Studies in Judaism in Late Antiquity Vols. III-IV.
1 3. Vols., Leiden 1971.

r' Leiden 1973 — Studies in Judaism in Late Antiquity Vol. I.

* Gelegentlich scheint auch die Mischna die Tosefta zu glossieren (III, S. 175).

7 Daten nach III, S. XIII. Ist es ein Druckfehler, wenn die Daten nach V,
S. 158 lauten: Yavneh ca. 70-140; Uscha ca. 140-170?

8 N. wählt diese Vokabel auf Grund des Terminus massekhat (= Gewebe;
III. S. 273-274).

Kraft, Robert A.: The Testament of Job. According to the SV
Text, Greek Text and English translation edited with
H. Attridge, R. Spittler, J. Timbie. Missoula, Montana:
Society of Biblical Literature and Scholars' Press 1974. V,
87 S. 8° = Texts and Translations, 5. Pseudepigrapha
Series, 4.

Im „Testament Hiobs" erzählt der sterbende Hiob seinen
Kindern rückblickend sein Leben in einer an das biblische
Hiobbuch angelehnten, aber mit manchen eigenen Zügen ausgestatteten
Fassung. Man ist heute weitgehend der Meinung,
daß dem (griechischen) Text ein jüdischer, wahrscheinlich
essenischer Midrasch, wohl aus dem 1. Jh v. Chr., zugrunde
liegt, der später frei und mit zusätzlichen Einlagen ins
Griechische übertragen wurde. Strittig ist, ob der Autor der
griechischen Fassung, der jedenfalls auch die Septuaginta benutzte
, christliche Wendungen und Gedanken in den Text einbrachte
. In deutscher Übersetzung war die Schrift bisher nur
zugänglich bei P. Rießler, Altjüdisches Schrifttum außerhalb
der Bibel (1928); für die Sammlung „Jüdische Schriften aus
hellenistisch-römischer Zeit" bereitet B. Schaller eine neue
Bearbeitung vor.

Der griechische Text ist in drei Handschriften (P, S und V)
erhalten, von denen P der Neuausgabe durch S. P. Brock
(PsVTGr II, Leiden 1967) zugrunde lag, während der Herausgeber
des anzuzeigenden Heftes, R. A. Kraft, die Handschrift S
bevorzugt, die nach seinem Urteil von absichtlichen Text-,,Verbesserungen
" relativ frei ist und so zwischen P und V, aber
näher bei V steht. Dem griechischen Text ist eine englische
Übersetzung gegenübergestellt, die in ihrem Grundbestand auf
eine Dissertation von R. Spittler (Harvard University 1971;
vgl. HarvThR 64, 1972, 574 f.) zurückgeht, aber an den hier
vorgelegten griechischen Text angepaßt wurde. Ein Apparat
verzeichnet die wichtigeren Textvarianten und Konjekturen
(teils in Umschrift, teils in englischer Übersetzung, daher