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Ausgabe:

1977

Spalte:

356-366

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Nowak, Edward

Titel/Untertitel:

Le Chrétien devant la souffrance 1977

Rezensent:

Brändle, Rudolf

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Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 5

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ausführlich beschrieben, und de Kossi hat 1767 daraus Auszüge
veröffentlicht. Aus Meschs Formulierung darf man wohl herauslesen
, daß das Manuskript den Turiner Bibliotheksbrand
von 1904 überdauert hat.

Meschs Buch ist ein Erstlingswerk, eine Dissertation. Das
Verdienst der Arbeit besteht vor allem darin, dafj sie das
Interesse auf ungelöste interessante Probleme lenkt.

Berlin Heinrich Simon

Neusner, Jacob: A History oft the Mishnaic Law of Purities.

I; Kelim. Chapters One through Eleven. XXIV, 282 S.;
II: Kelim. Chapters Twelve through Thirty. XII, 338 S.;
III: Kelim. Literary and Historical Problems. XVI, 415 S.;
IV: Ohalot. Commentary. XVI, 350 S.; V: Ohalot. Literary
and Historical Problems. XVI, 282 S.; VI: Negaim. Mishnah-
Tosefta. XVI, 286 S. Leiden: Brill 1974-1975 gr. 8° = Studies
in Judaism in Late Antiquity, ed. by J. Neusner, Vol. VI,
Parts I-VI.

Der Autor - den Lesern der ThLZ bislang (leider) kaum
bekannt gemacht1 - überrascht immer wieder und allenthalben
nicht nur durch die Fülle und Umfänglichkeit seiner Untersuchungen
zu Geschichte und Religion des Judentums, vorab
in mischnischer und talmudischer Zeit, und zur rabbinischen
Literatur, sondern auch, und in besonderem Maße, durch
- mit J. P. M. Walsh's Worten zu reden - „his pioneering use
of form-critical methods" in der Analyse und Interpretation
eben der rabbinischen Schriften2, welchen er auch in seinem
neuesten Werk um ein weiteres Mal eindrücklich unter Beweis
gestellt hat.

Bei den hier anzuzeigenden Bänden handelt es sich um die
ersten sechs eines auf „seventeen parts" (so die Verlags Vorankündigung
) angelegten umfassenden Kommentarwerkes
über die 6. Ordnung der Mischna - Seder Tohorot. Die als
Titel genannte „History of the Mishnaic Law of Purities" gibt
denn auch nur einen Teil dessen wieder, was N. in dieser
Arbeit abgehandelt hat, wiewohl sie natürlich das Ziel aller
angestellten Untersuchungen ist. Geschichte der Reinheitsgesetze
meint hier selbstverständlich beides: die Geschichte
der Inhalte der gesetzlichen Bestimmungen wie auch die Geschichte
ihrer literarischen Ausformung bis zum Abschluß der
betreffenden Mischnatraktate. Bevor allerdings diese Geschichte
geschrieben werden kann, sind zum Teil umfangreiche
Analysen erforderlich: Um nämlich die in den Traktaten gesammelten
anonymen wie auch einzelnen rabbinischen Autoritäten
zugeschriebenen Sätze als historische Dokumente auswerten
und nutzen zu können, „we cannot avoid attending to
what is said, and not only to when a saying semms to have
been known or attested, the modes of its formulation, and the
patterns of its formal relationship to other sayings" (I, S. XII).
Von daher versteht sich, daß der Darstellung der Geschichte
der mischnischen Reinheitsgesetze eine genaue Exegese der
betreffenden Traktate vorausgehen muß, in der der Intention
des Kommentars zufolge allerdings nicht in die Diskussion
der Realia eingegriffen wird.

Daß sich N. der exegetischen Kleinarbeit an der Mischna,
zunächst am Seder Tohorot zuwendet, geschieht nicht unvermittelt
, sondern ist Konsequenz seiner bisherigen Forschungen,
die deutlich gezeigt haben, „that the best sources for the study
of early rabbinic Judaism are Mishnah-Tosefta" (I, S. XI). So
ist denn das jetzt im Entstehen begriffene Kommentarwerk
von ihm auch breit vorbereitet worden, vor allem in seinen
Büchern „Eliezer ben Hyrcanus. The Tradition and the Man"3,
„The Rabbinic Traditions about the Pharisees before 70"4 und
„The Idea of Purity in Ancient Judaism"3. Letzteres bezeichnet
er geradezu als „Prolegomenon" zu seinem jüngsten Werk
(a. a. O.). Dieses selbst nun ist so konzipiert, daß die mit einem
Traktat befaßten Bände gleichsam jeweils eine in sich geschlossene
Abteilung des Gesamtwerkes bilden; der Abhandlung
und Darstellung des Stoffes liegt indessen in den einzelnen
Abteilungen das jeweils gleiche Schema zugrunde (und

es ist anzunehmen, daß N. auch weiterhin diesem folgen wird).
Umfangreiche Indices am Ende jeder Abteilung (III, S. 385-415;
V, S. 257-282) helfen beim Erschließen des Werkes.

Im einzelnen geht N. folgendermaßen vor: Der jeweils erste
Hauptteil („exegesis, analysis, and dissection") beginnt mit
einer, eine knappe Charakterisierung des zur Verhandlung
stehenden Traktates bietenden sowie die damit verbundene
Problemsituation skizzierenden Introduction (I, S. 1-13; IV,
S. 1-17; VI, S. 1-20), auf die dann der eigentliche Commentary
folgt (I, S. 15-282; II; IV, S. 19-350; VI, S. 21-286). In
ihm wird jede Perikope (= Mischna) gesondert zunächst in
„exaet Order and sense of the Hebrew words before us" übersetzt
(I, S. 9), und zwar um den „plain-sense of the Law" festzustellen
, und sodann unter Heranziehung paralleler Aussagen
der rabbinischen Literatur nach folgenden vier Gesichtspunkten
analysiert: 1. Welche sprachlichen, terminologischen Eigenheiten
zeichnen eine Perikope aus? 2. Lassen sich bestimmte
„patterns of formulation" innerhalb der Sätze einer Perikope
erkennen? 3. Welche rabbinischen Autoritäten werden genannt
und in welchem zeitlichen Verhältnis stehen sie zueinander?
Gehören die ihnen zugeschriebenen Sätze wirklich ihrer Generation
an, oder stützen sie sich auf älteres Material? 4. Welche
redaktionellen Besonderheiten zeigt eine Perikope in sich und
im Verhältnis zu anderen, mit denen sie durch Redaktionsarbeit
verbunden ist? Ziel dieses Kommentars ist es, unter
konsequenter Anwendung der form- und historisch-kritischen
Methode die einzelnen Traktate in ihre kleinsten „units of
tradition" zu zerlegen, aus denen sie zusammengesetzt worden
sind.

Diesem analytischen folgt der jeweils zweite Hauptteil
(„historical reconstruetion"), in dem die Erkenntnisse des
ersten zu einer systematisch gegliederten Synthese vereinigt
werden. Bevor diese jedoch in Angriff genommen werden
kann, macht sich eine Betrachtung der Tosefta, in Sonderheit
der „interrelationships" zwischen Mischna und Tosefta erforderlich
(III, S. 154-160. 175-191; V, S. 108 f. 114-126), weil
- wie bei der Kommentierung der einzelnen Perikopen immer
wieder deutlich geworden - die Mischna ohne ständige Heranziehung
der Tosefta unmöglich interpretiert werden kann.
(Hier setzt N. die Bemühungen B. Cohens, A. Goldbergs und
vor allem S. Liebermans fort.) Ausgehend von einer synoptischen
Wiedergabe der Texte (in Übersetzung) von Mischna und
Tosefta (III, S. 1-153; V, S. 12-107) erklärt N. eingehend, daß
und in welcher Weise die Tosefta einerseits die Mischna voraussetzt
, diese kommentiert bzw. als deren Supplement zu betrachten
ist (III, S. 161-171. 189; V, S. 109-112), daß sie
andererseits aber auch infolge des der Mischna sachlich wohl
entsprechenden, von ihr jedoch unabhängigen Materials (Sondergutes
) - wobei übrigens nicht entschieden werden kann, ob
die Priorität auf Seiten der Mischna oder Tosefta zu suchen
ist - als eigenständiges Gesetzeskorpus neben die Mischna
tritt (III, S. 171-175; V, S. 112-114)°. Die Aufgliederung der
Toseftatexte in erwähnte zwei Gruppen ist insofern von Bedeutung
, als sie die Argumentationsbasis für die Rekonstruktion
der Geschichte der mischnischen Reinheitsgesetze erweitert
, da nämlich das Sondergut der Tosefta nicht nur als
gleichwertig neben die Mischna zu stellen ist (III, S. 191),
sondern beide - Mischna und Tosefta - gleichermaßen „depend
upon a very considerable legaey of coneepts" (V, S. 7), und
ein „common origin" der in ihnen gesammelten Materialien
nicht bestritten werden kann (III, S. XII).

Während im analytischen Teil sich die Formkritik als
äußerst nützlich erwiesen hat, versagt sie jedoch, wenn es um
die Rekonstruktion der Geschichte der Mischnagesetze geht,
da ein distinktiver, spezifischer Gebrauch der „Forms and
formulary patterns" weder in Mischna noch in Tosefta festzustellen
ist (III, S. 192-236; V, S. 131-148). Hier nun können
die „Attributions" weiterhelfen, denen ein relativer Wert
zweifelsfrei zugestanden werden muß (III, S. 237-272; V,
S. 149-157). (Relativer Wert - das heißt: Ist z.B. ein Satz
R. Aqiva zugeschrieben, darf dies nicht nur so verstanden
werden, der Satz stamme in jedem Falle von R. Aqiva selber;
wesentlich wahrscheinlicher ist, daß die Zuschreibung auf die