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Ausgabe:

1977

Spalte:

351-355

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Mesch, Barry

Titel/Untertitel:

Studies in Joseph Ibn Caspi 1977

Rezensent:

Simon, Heinrich

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Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 5

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beschreiben, von vorgegebenen und zeitlich nicht auf einer
Linie liegenden Verhältnissen ausgehen.

Nach Meinung des Rez. hat Hans-Jürgen Zobel dem Verständnis
den Weg geebnet mit seiner leider noch ungedruckten
Habilitationsschrift „Israel und die Völker - eine Untersuchung
der Völkersprüche des Pentateuchs", 1967; vgl. a. ders.. Das
Selbstverständnis Israels nach dem Alten Testament, ZAW 85,
1973, 281-293 (beides von V. nicht herangezogen; im Literaturverzeichnis
fehlt auch K. Seybold, Das Herrscherbild des
Bileamorakels Num 24, 15-19, ThZ 29, 1973, 1-19). Zobel hat
uns durch seine exakten Beobachtungen im Formalen die überlieferungsgeschichtliche
Tiefenstaffelung der in den Bileam-
sprüchen vorliegenden Letztgestalt israelitischer Völkersprüche
sehen gelehrt und sie sachgerechter inhaltlich ausgewertet
und geschichtlich verankert. Demgegenüber führt V.s Arbeit
nicht über Zobel hinaus.

Für die Kommentarwerke „Kurzgefaßtes exegetisches Handbuch
zum Alten Testament" (so der Titel statt „Das kurz gefaßte
exegetische ...") und „Kurzer Hand-Commentar (nicht
„Handkommentar") zum Alten Testament" sollte man doch die
gängigen, auch in der 3. Auflage der RGG so notierten Abkürzungen
KeH und KHC (statt KEHAT, KHAT) gebrauchen.

Leipzig Wolfram Herrmann

JUDAICA

Mesch, Barry: Studies in Joseph ibn Caspi. Fourteenth-Century
Philosopher and Exegete. Leiden: Brill 1975. IX, 116 S.
gr. 8° = Etudes sur le Judaisme Medieval, dir. par G. Vajda,
VIII. Lw. hfl. 36,-.

Josef ibn Kaspi, der gegen Ende des 13. Jhs. in Südfrankreich
geboren wurde, war ein vielseitiger Gelehrter, der sich
vor allem mit hebräischer Philologie, Bibelexegese und Philosophie
befaßte. Mesch bezeichnet den Autor als „eine sehr
vernachlässigte Figur in der Geschichte des mittelalterlichen
jüdischen Denkens" (S. 1) und stellt fest, daß zwar umfassende
Arbeiten über ihn im 19. Jh. erschienen und seine Bibelexegese
sowie seine Sprachwissenschaft Gegenstände monographischer
Betrachtung im ersten Drittel des 20. Jhs. gewesen seien,
jedoch eine Untersuchung der Werke Kaspis unter dem Aspekt
der Entwicklung der jüdischen Philosophie bis heute fehle
(vgl. S. 1 f.). Das ist gewiß richtig; Kaspi spielt in den gängigen
Darstellungen der jüdischen Philosophie des Mittelalters keine
wesentliche Rolle, und nur eine detaillierte Untersuchung
könnte erweisen, ob seine Bedeutung bisher unterschätzt
worden ist.

In der vorliegenden Arbeit ist allerdings die gestellte Aufgabe
enger gefaßt; der Vf. hat die Lücke, deren Vorhandensein
er beklagt, nur zu einem sehr geringen Teil füllen wollen. Die
Untersuchung befaßt sich mit zwei Problemen, nämlich mit
den literarischen Aktivitäten des Josef ibn Kaspi und mit
seinen Ansichten über Prophetie als Beitrag zur Auseinandersetzung
zwischen Vernunft und Offenbarung.

Über seine Werke berichtet uns Kaspi selbst ausführlich in
seiner Schrift ,Kwuzat Kesef, die in zwei stark voneinander
abweichenden Versionen vorliegt. Nachdem der Text zuerst
von Benjacob in Dewarim Atiqim (Leipzig 1844) nach der
Münchener Handschrift Nr. 265 (Steinschneider) ediert wurde,
publizierten dann Renan und Neubauer ein anderes Manuskript
(Parma, De Rossi 755) in der Schrift ,Les'Ecrivains
Juifs Francais du XIVe siecle' (im 31. Band der ,Histoire
Litteraire de la France', 1893) mit Angabe der Varianten der
Münchener Handschrift und des mit dieser im wesentlichen
übereinstimmenden MS Cambridge Nr. 64 (Schiller-Szinessy).

In seiner Schrift ,Kwuzat Kesef bietet Kaspi eine Liste von
zwanzig Werken, die er insgesamt als Kle Kesef (Silbergeräte)
bezeichnet und die jeweils eine aus dem Bibeltext genommene
Zusammensetzung mit dem Wort Kesef (Silber) als Titel tragen.
Mit der hebräischen Vokabel für ,Silber' hängt ja auch sein

eigener Name, der von seinem Geburtsort Largentiere hergeleitet
ist, zusammen.

Mesch liefert zunächst eine Übersetzung dieser vorwiegend
bibliographischen Schrift (S. 7-42), wobei er den von Renan-
Neubauer edierten Text von MS Parma zugrunde legt und bei
wesentlichen Abweichungen die Version der Münchener Handschrift
parallel in einer zweiten Kolumne bietet. Die Handschriften
beschreibt Mesch nicht, und das ist bei dem Anliegen
seiner Arbeit vielleicht auch nicht nötig, aber trotzdem wäre
es angebracht, sofern man sich auf Manuskripte bezieht,
wenigstens auf den jeweiligen Katalog zu verweisen. Die Angabe
, „Renan-Neubauer also use a Cambridge Ms. C" (S. 3
Anm. 10) ist zu dürftig; daß diese Handschrift eine Kopie der
Münchener sei (vgl. ebd.), müßte belegt werden, sofern es
darüber bisher überhaupt Untersuchungen gibt. Renan-Neubauer
weisen nur darauf hin, daß beide Handschriften dieselbe
Version des Textes enthalten. Daß MS Cambridge nicht von
MS München abhängen kann, wie Mesch behauptet, ergibt sich
daraus, daß er selbst in seiner Übersetzung eine Variante der
Handschrift C erwähnt, die in MS M fehlt (vgl. S. 13 Anm. 68).
Wie aus dem Anmerkungsapparat der Edition von Renan-Neubauer
hervorzugehen scheint - wenn man dort den Text an
Hand der Liste der Corrigenda ändert -, ist an der betreffenden
Stelle in MS München ein Stück Text durch Homoioteleuton
ausgefallen.

Einige weitere kleinere Mängel in der Übersetzung und den
Anmerkungen seien hier in der Reihenfolge ihres Auftretens
angemerkt: Zum im Text genannten Sefer ha-riqma (vgl. S. 8)
wäre m.E. als Anmerkung der Name des Autors notwendig;
daß das Buch von Yona ibn Ganäh stammt, erfährt man erst
auf S. 50. (Die Transliteration Ganah ist mir fremd.)

Die Bibelstelle, nach der Kaspis Werk .Kesef Sigim' benannt
ist, findet sich nicht, wie S. 7 Anm. 5 angegeben, Prov. 1, 2,
sondern Prov. 26, 23. (Warum in Meschs Umschrift ,Siggim'
mit doppeltem G? Im Hebräischen ist der Buchstabe nicht verdoppelt
.)

In der Liste der zwanzig Werke Kaspis ist der 17. Titel von
MS Parma, .Retuqot Kesef, in der Übersetzung ausgefallen
(vgl. S. 10, linke Kolumne).

Wenig Sinn gibt Fußnote 64 (S. 12); als Äquivalent für
.intentions' werden zwei Vokabeln, die angeblich beide in MS
Parma stehen sollen, geboten: .kawwanot' und .behinot'. Nach
Renan-Neubauer ist ,kawwanot' die Lesart von MS Cambridge,
die als die wohl richtige in den Text aufgenommen ist, während
,behinot' als Variante von MS München angeführt wird; für
diese Handschrift nennt Mesch eine andere Lesart. Da mir
der auf Grund der Münchener Handschrift gedruckte Text nicht
zugänglich ist, kann ich nur auf diese Unstimmigkeit hinweisen
.

Fußnote 123 (S. 26), nach der ,sefer' statt ,safeq' zu lesen
sei, bezieht sich nicht, wie angegeben, auf eine Textstelle der
Münchener Version (rechte Kolumne, Z. 5 v. u.), sondern ist
eine Korrektur von MS Parma und gehört zur linken Kolumne
Z. 2 v. u.

In Fußnote 145 (S. 33) bietet Mesch einen ausführlichen
Exkurs über Kaspis Ansichten von der Entstehung und dem
Wesen der Sprache; darin legt er die Ansichten von Piaton,
Aristoteles und Epikur zu diesem Problem dar. Er stützt sich
dabei auf die Ausführungen von H. A. Wolfson (Religious
Philosophy, Cambridge, Mass. 1961, S. 224 ff.), aber es kann
doch wohl weder den historischen Tatsachen noch der Darstellung
Wolfsons entsprechen, wenn Mesch aus dessen Ausführungen
herauslesen will, die Ansichten des Philon, des
Jehuda Halevi und des Maimonides seien hinsichtlich der
Frage, ob die Sprache physei oder thesei sei, alle identisch
„in reflecting the position of Epicurus". Keiner der genannten
jüdischen Philosophen hat sich zu Epikurs Ansichten von einer
natürlichen, spontanen Entstehung der Sprache bekannt, und
selbstverständlich ist das auch den Darlegungen Wolfsons zu
entnehmen.

Die beiden Versionen des Textes von ,Kwuzat Kesef nennen
im wesentlichen dieselben Werktitel, jedoch hinsichtlich der
Inhalte der betreffenden Werke haben sie völlig voneinander