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Ausgabe:

1977

Spalte:

313-315

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Flach, Wilfried

Titel/Untertitel:

Die religiöse Sprache und ihr Sinn. Ein Versuch der Sinndeutung der religiösen Sprache unter besonderer Berücksichtigung des Gottesbegriffs und in Auseinandersetzung mit der analytischen und

Rezensent:

Flach, Wilfried

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Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 4

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weit festzulegen, daß sein Nachfolger Falk wohl oder übel den
ihn) vorg--zeichneten Weg beschreiten mußte.

Auch der wenig später zum Präsidenten des EOK ernannte
Kirehenrechtler Emil Herrmann verwirklichte in der Kirche
der ApU nur die zwischen 1866 und 1869 von Mathis, Hoff-
uiann und Dorncr entwickelte und im Kompromißverfahren
mit Mdhler und Bismarck ausgehandelte Konzeption, deren
Durchführung zu einem früheren Zeilpunkt nur an der ungünstigen
politischen Konstellation gescheitert war.

Als Bismarck sich im Frühjahr 1873 ganz auf den Kulturkampf
konzentrierte und fortan dem evangelischen Aspekt der
Kirchenpolitik keine nähere Aufmerksamkeit mehr schenkte,
waren alle grundlegenden Entscheidungen für die nächsten fünf-
iindvierzig Jahre bereits gefallen:

Die Provinzialkirchen Alt- und Neupreußens blieben bis 1918
verwaltungsmäßig getrennt, besaßen jedoch durch die uneingeschränkte
Beibehaltung des landesherrlichen Kirchenregimentes
eine einheitliche Spitze. Aufgrund dieser Regelung überstanden
der Evangelische Oberkirchenrat und die Altprcußischc
Union ihre letzte große Existenzkrise, und der Gedanke einer
strikten Trennung von Staat und evangelischer Kirche verlor
jede Aussicht auf Verwirklichung. Schließlich setzte sich in dem
genannten Zeitraum das Prinzip der konsistorial-synodalcu
Mischverfassung in Preußen durch und fand kurz darauf unter
Falk in allen preußischen Kirchenprovinzen Eingang.

Erst der Zusammenbruch des Kaiserreiches und die Weimarer
Republik brachten eine grundlegende Veränderung dieser
kirchlichen Verhältnisse mit sich.

Flach, Wilfried: Die religiöse Sprache und ihr Sinn. Ein
Versuch de» Sinndeutung der religiösen Sprache unter besonderer
Berücksichtigung des Gottesbegriffes und in Auseinandersetzung
mit der analytischen und insbesondere der
sprachanalytischen Philosophie. Dim. Jena 1974. LXV, I 49 S.,

25 S. Anni.

Die Dissertation setzt sich mit der analytischen bzw. der
sprachanalylischen Philosophin über den Sinn der religiösen
Sprache, insbesondere über den Sinn des Gottesbegriffs, aus-
einonder. Im t. Kapitel wird auf eine frühe Phase dieser philosophischen
Bewegung, auf den logischen Positivismus oder Neopositivismus
, eingegangen, weil hier die entscheidenden Ansichten
formuliert wurden, die bis heute in der Diskussion eine
Holle spielen. Diese Ansichten bestehen vor allem in bestimmten
Auffassungen hinsichtlich eines empiristischen Sinnkriteriums
, mit dessen Hilfe über Sinn oder Sinnlosigkeit von Sätzen
entschieden werden soll. Die Arbeit geht im 1. Kapitel den
verschiedenen Fassungen dieses Kriteriums nach. Als vorläu-
nges Ergebnis wird festgestellt, daß R. Carnaps Weg, eine
empirische Sprache zu konstruieren, in der sinnlose Sätze gar
nicht vorkommen können, der beste ist. Das empiristische Sinn-
kriterium besagt dann, daß ein Satz mir sinnvoll ist, wenn er
in solch eine empirische Sprache übersetzt werden kann.

Im 2. Kapitel wird dargelegt, daß ein in dieser Weise formuliertes
Sinnkriterium eine große Gefahr für den Gollcsbe-
gnlf darstellt. Denn nun zeigt sich folgendes Dilemma: Entweder
wird der Gotlesbegriff in mythologischer Weise empirisch
faßbar interpretiert oder gegen empirische Kontrolle immunisiert
. Im erstcren Falle würde es sich bald erweisen, daß es
»•ich allen bisherigen Erfahrungen keinen objektiven Bezug für
den Begriff „Gott" in der Realität gibt. Im zweiten Falle
konnte gerade mit. Hilfe des empiristischen Sinnkriteriums dargestellt
werden, daß der Gottesbegriff völlig sinnleer geworden
Mit der Formulierung dieses Dilemmas bin ich m. E. auf
0|n sehr wichtiges Problem der modernen Theologie, gestoßen,
auf ein Problem, mit dem sich auch deutschsprachige Theologen
wie G. Ebeling seit dem Streit um den kritischen Rationalismus
"ust-inandersetzen.

Ans dem eben dargelegten Dilemma führen nun nicht —
dieses nach zu weisen ist Aufgabe des 3. Kapitels — Verweise
M»f den Glauben, auf die Wunder, auf die Person Jesu und auf
den analogen Gebrauch der rebgiösen Sprache heraus. Auch der
Verweis auf religiöse Erfahrung führt zu keinem befriedigenden
Ergebnis.

Im 4. Kapitel wird auf das Problem der Kontradiktion in der
I heologie eingegangen. Es wird nachgewiesen, daß kontradiktorische
Definitionen nichts anderes darstellen als eine bestimmte
Immunisierungsstrategie gegen empirische Kontrolle,
als eine bestimmte Weise der Sinnentleerung von Aussagen
bzw. Begriffen. Der Erweis der Widerspruchsfreiheit ist deshalb
zwar keine hinreichende, aber doch notwendige Bedingung für
den Erweis der Sinnhaftigkeit jedweder, also auch der religiösen
Sprache. An Hand des Theodizeeproblems wird diese These
veranschaulicht. Das Thcodizeeproblcm besteht demnach in erster
Linie in dem Problem, einen Widerspruch zwischen drei
Aussagen zu vermeiden, daß Gott unendlich gut und allmächtig
ist und es in der Welt trotzdem Übel gibt.

Die Vermeidung dieses Widerspruchs geschieht m. E. am
besten dadurch, daß Güter logisch höherer Ordnung postuliert
werden, für die die Übel dieser Welt logische Voraussetzung
siud. Solche Güter können die göttliche Vergebung und die
menschliche Willensfreiheit sein.

Im 5. Kapitel wird schließlich gezeigt, daß die von L. Wittgenstein
inaugnrierte sprachanalytische Philosophie in der Tage
ist, die Probleme zu bewältigen, die mit dem empiristischen
Sinnkrilerium hinsichtlich der religiösen Sprache aufgetaucht
waren1. Vor allem gibt die sprachanalytische Philosophie die
Ansicht auf, daß das empiristische Sinnkriterium das einzige
Kriterium wäre, mit dessen Hilfe über den Sinn oder die
Sinnlosigkeit von Sprache entschieden werden könnte. Der
Sinn sprachlicher Zusammenhänge wird vielmehr erhellt, indem
die Regeln ihres Gebrauches herausgearbeitet werden. Hierfür
kann das empiristische Sinnkriterium von Nutzen sein, muß
es aber nicht, überall, wo wir es mit nichtdeskriptiven Sprachfunktionen
zu tun haben, ist es ein ungeeignetes Mittel für die
Analyse. Aber auch bei deskriptiven Sprachfunktionen (Benennen
. Behaupten, Feststellen von Tatsachen usw.) kann es nicht
in undifferenzierter Weise gebraucht werden. Eine jeweilige
Spezialuntersuchung, die den deskriptiven Gehalt eines sprachlichen
Zusammenlanges herauszuarbeiten bemüht ist, tritt an
die Stelle einer pauschalen Messung mittels des empiristiselten
Sinnkriteriums.

Von hier aus ergeben sich zwei Wege, die aus dem Dilemma,
in das die Debatte über den Sinn der religiösen Sprache geraten
war, wieder herausführen. Auf dem ersteren Weg gelangen
wir zur Erhellung aller nichtdeskriptiven Sinnregeln der
religiösen Sprache, die mittels des empiristischen Sinnkriteriums
ga* nicht erfaßt werden konnten (Kapitel 6). Zu solcher Erhellung
kommt man z. B. auf Grund einer Analyse performativer
Äußerungen innerhalb der Sprache des Glaubens (vgl. J. I..
Austin und D. D. Evans). Daneben ist Braithwaites Analyse
zu beachten, die davon ausgeht, daß religiöse Sätze in ihrem
Sinn den moralischen ähnlich sind. Der Sinn religiöser Sätze
bestehe in Regeln, kraft derer sie gebraucht werden können,
um Absichtserklärungen künftigen Handelns auszudrücken. Neben
diesen Analysen werden noch Analysen von A. Maclutyre
und W. Tfordern diskutiert. Wie wertvoll nun aber auch diese
Analysen für die Sinnerhellung der religiösen Sprache sind, es
muß doch eingestanden werden: Zur vollen Sinndeutung religiöser
Sprache gehört die Erhellung und Klärung ihrer deskrip-
tiveu Sinnregeln.

Im 7. Kapitel der Arbeit wird nun versucht, solche deskriptiven
Sinnregeln vor allem für den Gottesbegriff herauszuarbeiten
. Indem dies getan wird, wird der zweite Weg, den wir
oben angedeutet hatten, beschritten. Bei dieser Aufgabe wird
von zwei verschiedenen, sich aber nicht gegenseitig ausschließenden
Ansätzen ausgegangen. Einmal wird davon ausgegangen
, daß die deskriptiven Sinnrcgeln für das Wort „Gott" besagen
, daß dieses Wort sich in bestimmter Weise auf ganz bestimmte
Musler von Ereignissen in Geschichte, Natur und
menschlichem Seelenleben bezieht. Das andere Mal wird davon
.iiisgegangen, daß die Sinnregeln besagen, daß dieses Wort auf
ein dem menschlichen Bewußtsein ähnliches Bewußtsein bezogen
werden muß. Man kann dann sagen: Das Wort „Gott" hat
insofern deskriptiven Sinn, als es Regeln besitzt, kraft derer
es gebraucht werden kann, um auf das Universum hinzuweisen
insofern dieses in Geschichte und Natur und menschlichem
Seelenleben nach bestimmten Mustern strukturiert ist und ihm