Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1977

Spalte:

306-307

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Neill, Stephen

Titel/Untertitel:

Geschichte der christlichen Mission 1977

Rezensent:

Althausen, Johannes

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

305

Theologische Litcraturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 4

306

voll ist in diesem Zusammenhang die Unterscheidung, die Vf.
zwischen der „afrikanischen Variante der Mystik" einerseits wie
auch an der neu testamentlichen Christologie und Ekklosiologio
andererseits gegenüber der indischen Identitätsmystik Vornimmt
Heide bleiben sie , s o m a -bezogen' gegenüber einem spirituellen
Verständnis einer unio mystica, die im Hinduismus
in die Vereinzelung führt. Mangelhaft bleibt die lediglich the-
tisch postulierte kritische Gegenüberstellung zwischen Mystik
und „Wortverkündigung", Gerade weil Vf. sich im Namen der
afrikanischen Dcnklraditionen gegen die kurzschlüssige Alter-
native F.. Brunners in diesem Zusammenhang wendet, wäre hier
eine ausführlichere Begründung des theologischen Zusammenhanges
beider Elemente angebracht gewesen. Zu den theologisch
relevanten Ergebnissen gehört die Hervorhebung der Kategorie
des ,en-Christo'-Seins, die dem ontologischen Denken in den
afrikanischen Traditionen entgegenkommt und gegenüber einer
einseitig existenlinlcn Theologie neue Bedeutung gewinnt.

Wer zentrale theologische Themen heute nicht mehr allein im
begrenzten Ubcrlieferungszusammenhang abendländischer Gei-
Itesgeschidlte behandeln will, wird das Buch von Häselbarth als
eine begrüßenswerte Bereicherung werten. Welche theologischen
Impulse und Bürkcrinnerungcn an rezessiv gewordene biblische
Zusammenhänge auch aus der Begegnung und Auseinandersetzung
mit den Beligionen Afrikas zu gewinnen sind, wird hier
di iiilich belegt. Dafl sich Vf. einer anschaulichen und lebendigen
Sprache bedient, läßt hoffen, dal.! der Band auch außerhalb
theologischer Fachkreise Freunde findet.

München Horst üilrkle

Arnold, Walter [Hrsg.) : Evangelisatiou im ökumenischen Gespräch
. Beitrüge eines Symposiums (Genf 1973). übers, v.
H. Becher. Erlangen: Verlag der ev.-luth. Mission [197'ii.
112 S. 8° = Eilanger Taschenbücher, 29.

Beul. Ans Joachim Van der: Die Kirchen und die Eine Welt.
Eine Herausforderung des Ökumenischen Bales der Kirchen.
Deutsch von W. Müllcr-Rümheld. Erlangen: Verlag der ev.-
lulh. Mission [19711. 128 S. m. 2 Tai. 8' = Erlanger Taschenbücher
, 31.

Schon in der Auswahl der Redner halte das Symposium des
ÖBK über Evangclisation gezeigt, wo Evangelisation heute zu
diskutieren ist. linier acht Beiträgen kommen vier von Vertretern
der sog. ..dritten" Welt plus einem weißen Südafrikaner.
Aus sozialistischen Ländern kommen zwei Vertreter zu Wort.
Außerdem hat der ehemalige Generalsekretär des ÖRK einen
Aufsatz beigesteuert. Den Vorsitz führte der Herausgeber
(BBD). Auch das konfessionelle Spektrum ist weit. Der orthodoxe
Beitrag ist außerordentlich anregend, ebenso wie die
Stimme des Laien aus Afrika. Als besonders lesenswert sei der
Aufsatz der katholischen Theologin aus der VR Polen, Haiina
Bortnowska, hervorgehoben. Unter dem Titel „Der hermeneu-
hsche IVo/.eß in der Evangclisation" wird auf dem Hintergrund
Jahrelanger Praxis reflektiert und allgemeinverständlich beschrieben
, was Hermeneutik für einen Silz im Leben hat. Die
verantwortlichen Organisatoren des Symposiums sollten die an-
Kcfangene Diskussion fortsetzen.

Im Grunde bestätigt die Sammlung, was hier und da schon
vermutet wurde: Die „cvangelikal-ökumenikale" Spannung ist
mehr Ausdruck innerchristlicher Verstehensschwierigkeiten als
ewc Spaltung im Grundsatz. In den Beiträgen dieses Bändchens
S^ben die M einungsverschiedenheiten jedenfalls quer durch.
Visscr't Hooft hat in seinem Schlußwort die Vermutung ausgesprochen
, daß die Aufrichtung der vermeintlichen Fronten
weithin durch die Massenmedien erfolgte. Ihr berechtigtes Interesse
an den politischen und gesellschaftlichen Aktivitäten des
"RK führte zu einer einseitigen Berichterstattung und zu falscher
Einschätzung, auch bei gutmeinenden Kritikern. Es ist
K"t, daß die Beiträge des Symposiums hier ein besseres Bild
'eigen, „1s es weithin durch die demagogischen antiökumenischen
Bcyerhuus-Publikationen entstanden ist. Es sollte no<h
mehr Stimmen dieser Art geben.

Praktiker und Theoretiker ökumenischen Handelns beschreiben
oder kritisieren den ÖRK jeweils vom eigenen Standpunkt
aus. Der Rat ist so viel, wie die Kirchen aus ihm machen. Das
ist eine alte Weisheit. Sie wird heute gern zitiert, nicht immer
zu Becht. Ans van der Beut versucht umgekehrt, vom weltweiten
Horizont her zu fragen, was der ÖRK ist und ob er
seiner Aufgabe gerecht wird. Das ist allein schon Grund genug,
das Buch zu empfohlen. Das Stichwort ist Wellgemeinschaft.
Was das ist, läßt sich nicht eindeutig sagen. Vf. knüpft bei
modernen liberalen Vorstellungen an und diskutiert von diesem
Hintergrund her aktuelle religiöse und ideologische Modelle
der Weltgemeinschaft. In diesem Kontext muß auch die Arbeit
des ÖRK gesehen werden. Was hat er beizutragen? Wirkt er
progressiv oder destruktiv?

Als langjähriger Bibliothekar des ÖRK hat der Vf. eine weitgehende
Intimkenntnis der Arbeit und Denkweise dieses Rates.
Wenn er also gelegentlich sehr kritisch gegen den Rat wird,
weiß er, was er sagt. Aber im Grunde sind die Mitgliedskirchen
dabei mehr kritisiert als der Rat seihst. Die entscheidende
P'rage ist die nach den offenen Grenzen zwischen ÖRK und
Menschheit, oder anders gesogt, das Verhältnis zwischen Kirche
und Welt auf der internationalen Ebene, die Kommunikation
zwischen Christen und Nichtchristen und ihre Zusammenarbeit.
Der darstellende Teil des Büchleins schenkt dem Dialogprogramm
des ÖBK, nicht der Kommission für Wellmission oder
dem Sekretariat für Kirche und Gesellschaft, besondere Aufmerksamkeit
. Doch ist natürlich klar, daß Dialogfühigkeit nicht
nur in den einschlägigen Programmen zu bewähren ist. Die
Absicht des klug geführten Seziermessers liegt darin, die ideologische
Befangenheit des ÖRK insgesamt in seiner Institutio-
nalisicrung und in seiner Anti-ldeologic-Hallung freizulegen.
Diese Stimme hört man selten. Darum sollte man sie sehr ernst
nehmen. Die Passagen über den christlich-marxistischen Dialog
bleiben westeuropäisch liberal. Immerhin wird jeglicher Anti-
kominunismus entschieden als unchristlirh und antidialogisch
abgetan. Zu fragen bleibt freilich, ob man über Ideologie so unpolitisch
wie van der Bent reden kann. Der Sozialismus kommt
Vf. als politischer Faktor auf dem Wege der Menschheit zur
Weltgemeinschaft jenseits der Frage nach der Ideologie (im
Verständnis des Vfs.) und eben darum als nicht-individualistisches
System auch im ideologischen Bereich äußerst virulent
und herausfordernd nicht iti den Blick. Es ist das gute Recht,
ja der Vorzug einer solchen Streitschrift, einseitig zu sein. Weil
das gewagt und gekonnt ist — ein Lob hier auch dem Ubersetzer
, der den Duktus gut übertragen hat —, gehört das Büchlein
zu den erfreulichen vorwärtshelfenden jüngeren Publikationen
über den ÖRK.

Errata: S. 79 Zeile 15: Es gibt keine Untereinheit „Dialog
und Kirchenverfassung". S. 117 Zeile 8 ..allein er kennt.,
statt „erkennt".

Merlin .Totianncn Mllinusen

IVeill, Stephan: Geschichte der christlichen Mission, hrsg. u.
ergänzt von N.-P. Moritzen, übers, v. P.-G. Nohl. Erlangen:
Verlag der ev.-luth. Mission [1974]. 416 S. 8" = Erlanger
Taschenbücher, 14.

Die deutsche Ausgabe des in der Reihe der Penguin Bookl
1964 erschienenen Buches kann ein Beitrag zum Gespräch zwischen
englischer und deutscher Missionswissenschaft sein. Was
es bisher im protestantischen Bereich deutscher Zunge an mis-
sionsgeschichtlichen Überblicken gab, war meistens so sehr aus
der Sicht des Beitrages deutscher Missionen zur Weltmissinn
geschrieben, daß einem dasselbe aus der Sicht eines Engländers
guttut. So wird z. B. die Gestalt des gelegentlich sehr schnell
glorifizierten China-Missionars Gützlaff nüchterner gesehen (S.
192). Der lutherischen Mission in Afrika wird der ihrer Größenordnung
angemessene Platz eingeräumt. Die geographischen
Dimensionen verschieben sich, /.. B., indem der Begriff Europa
stets so verwendet wird, daß Großbritannien nicht unbedingt
dazugehören muß. Der meiste Raum wird der Missionsgeschiehle
Indiens und Chinas gewidmet, wohl weil in diesen beiden I.än
dem mehr als ein Drittel der Menschheit wohnen. Daß es ee-