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Ausgabe:

1977

Spalte:

283

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Görres, Ida Friederike

Titel/Untertitel:

Weltfrömmigkeit 1977

Rezensent:

Holtz, Gottfried

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Seite 1

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283

KIRCHEN- UND
KONFESSIONSKUNDE

Corres, Ida Friederike: Wellfrömmigkcil. Aus dem Nachlaß
hrsg. v. B. Klaiber. Frankfurt/M.: Knecht [1975]. 240 S. 8°.
DM 19,80.

Das Buch ist aus dem Nachlaß herausgegeben, und es wäre
schade, wenn es unterblieben wäre, auch wenn manche Teile
aphoristischen Charakter behielten. Ein abschließendes Kapitel
über die heule zum Durchbruch drängende christliche Weltfrömmigkeit
kam nicht mehr zur Ausführung. Worum geht es?
Der falschen Askese und der heuchlerischen Frömmelei wird
der Kampf angesagt, bisweilen unter schockierender Illustration
— so wenn die Verfasserin eine „fromme" Schwester anführt,
die zu einer Frau in den Qualen einer sechsten Geburt gesagt
hätte: „Das haben Sie nun von einem Augenblick der Lust!"
Doch sagt Frau Görres öfter, es lohne sich nicht, oft Angeprangertes
endlos zu wiederholen. Durch die „Anzichungsmacht der
Gnade" seien uns „Schönheiten und Pflichten der Natur" reich
erschlossen, so daß die „Abwertung der Welt" verboten sei.
Wohl gehöre, ein tiefes Sündenbewußtsein neben dem Streben
nach Heiligkeit als „zweite Großmacht" zur Geschichte der
christlichen Frömmigkeit. Doch sei es für die Kirche segensreich
geworden, daß ihr in Gnosis und Manichäertum respektable
Gegner erstanden seien. Die echten Heiligen und Mönche hätten
der Welt die Treue gehalten. Ihre „Gottleidenschaft" hätte sie
zu einer „getauften Wellfrömmigkeit" geführt, wofür aus der
Kirchengcschichtc Beispiele zu erbringen leicht ist. Wenn der
Satan noch als Abtrünniger ein Geschöpf Gottes bleibt, so ist
der Christ als gläubiges Kind Gottes rechtmäßiger Erbe der
leben- und freudenreichen Schöpfung. Der Kampf gegen sein
eigensüchtiges Ich bleibt ihm im ganzen Leben aufgegeben.
Franz von Sales hätte die „schmunzelnde Weisheit" ausgesprochen
: „Die Eigenliebe stirbt erst eine halbe Stunde nach
unserm Tod." Nach einein Wort Karl Bahners bleibt „diese
bedingte Welt das unbedingt vom Unbedingten Geliebte". S. 19
wird Hans Asmusscn zitiert: „Der Heilige Geist ist der, der die
Werke des Vaters und des Sohnes versöhnt" — im Menschengeist
und -herzen.

Bei ihren reichen Ausflügen in die Kirchengcschichtc versucht
Frau Görres in wiederholten Anläufen, eine Periodisie-
rung in der Geschichte der Weltfrömmigkcit aufzudecken. Sic
liebäugelt mit dem Gedanken verschiedener, sich ablösender geschichtlicher
Phasen: unter dem Eindruck der gottväterlichen
Macht in der Schöpfung; der Weltabkehr unter dem Eindruck
des Erlösungswcrkes des Sohnes; der dritten Welle unter einem
neuen Einhauch des Geistes. Eine geschichtliche Periodisierung
vermögen wir nicht zu sehen. In jedem Jahrhundert gab es
gesundes und krankes Christentum. Leider ist auch heute die
„Verleumdung der Erde" unter Christen nicht verschwunden.
I. F. Görres nennt wiederholt als Gleichgesinnten Teilhard de
Chardin, dem sie übrigens zwei selbständige Schriften gewidmet
hat, die nach einer Anmerkung der Herausgeberin als Vorarbeiten
des ausgebliebenen abschließenden Kapitels unseres Buches
anzusehen wären. Als dritter im Bunde wird einmal Johannes
XXIII. genannt, der aber doch wohl in einen andern
Bang gehört. Der mehrstimmige Buf zur getauften Weltfrömmigkeit
möchte nicht wieder verlorengehen!

Rostock Gottfried Holtz

Fouyas, Melhodios, Ph. D. (Man.), Hon. D. D. (Edin.): Ortho-
doxy, Roman Catholicism and Anglicanism. London —
New York - Toronto: Oxford University Press 1972. XXI,
280 S. 8° Lw. £ 4,50.

Sozusagen am Vorabend der 3. Vollversammlung des ökumenischen
Rates der Kirchen (Neu-Dehli, 19. November bis
5. Dezember 1961, geplant war u. a. der Beitritt der Bulgarischen
Orthodoxen Kirche, der Rumänischen Orthodoxen Kirche

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und der Hussischen Orthodoxen Kirche) und angesichts der laufenden
Vorbereitungen der römisch-katholischen Kirche auf das
II. Vatikanuin versammelten siel) auf Initiative des ökumenischen
Patriarchen Athenagoras von Konstantinopel die Vertreter
fast aller orthodoxen Kirchen auf der Paulus-Insel Rhodos
zur 1. Panorthodoxen Konferenz (25. Sept. bis 1. Oktober
1961). Sie gab Gelegenheit zur orthodoxen Selbstbesinnung und
Selbstfindung im Blick auf die Bewegungen in der Wellchristenheit
und die Herausforderungen der Moderne. Die außerordentlich
umfangreiche „Themculiste für die bevorstehende
Prosynode" thematisiert unter V. „Weichselbeziehungen der orthodoxen
Kirchen mit der übrigen christlichen Welt"1.

Die 2. Panorthodoxe Konferenz (Bhodos, 26. bis 30. Sept. 1963)
war nur dem Verhältnis der orthodoxen Kirchen zur römisch-
katholischen Kirche gewidmet. Nachdem sowohl katholisch-orthodoxe
als auch innerorthodoxe Schwierigkeiten angesicht-; der
„Frage der Entsendung oder Nichtentsendung von Beobachtern
zu der zweiten Sitzungsperiode von Valikanum II" entstanden
waren, entschied Bohos II, „daß eine jede orthodoxe Kirche in
dieser besonderen Sache ungefesselt handeln solle". Damit war
das Verfahren der Bussischen und Georgischen Orthodoxen
Kirche legitimiert, die zu allen Sessionen des Konzils Beobachter
entsandten. Zur 3. und 4. Session delegierten auch das ökumenische
Patriarchat und das Patriarchat von Alexandrien, zur
4. Session auch die Bulgarische und Serbische Orthodoxe Kirch»
ihre Beobachter. Schließlich bot Rhodos II der römisch-katholischen
Kirche „den Beginn eines Dialogs zwischen den beiden
Kirchen unter gleichen Bedingungen an"2.

Die 3. Panorthodoxe Konferenz (Rhodos, 1. bis 15. Nov. 1964)
behandelte besonders die Beziehungen der orthodoxen Kirchen
zu der Anglikanischen, der Altkatholischen und den alten orientalischen
Kirchen (Nonchalccdoncnsern); beschlossen wird die
„Fortsetzung der thologischen Gespäche zwischen unserer orthodoxen
Kirche und der Anglikanischen Kirche" bzw. „der Alt-
katholischen Kirche". Für jedes der Gespräche werden sofort
interorthodoxe Kommissionen gebildet, „die aus theologischen
Fachleuten ... zusammengesetzt sind". Sic haben in Absprache
mit den orthodoxen Kirchen die Dialoge vorzubereiten, die endgültigen
Themenlislen zu fixieren, den Beginn der Gespräche
vorzuschlagen3.

Seit Anfang der siebziger Jahre verzögert sich die Entwicklung
in Bichtung auf ein panorthodoxes Konzil, geblieben sind
aber u. a. die interorlhodoxen Kommissionen für den üialog
mit der Anglikanischen und Altkatholischen Kirche. Beide Kommissionen
sind im Gespräch mit Vertretern der Gegenseite weit
vorangekommen4. Die orthodoxe Kirche ist also in Bewegung
geraten.

Der Autor des vorliegenden Buches, Melhodios Fouyas, griechisch
-orthodoxer Erzbischof von Aksum, Vertrauter des regierenden
Patriarchen von Alexandrien, Nikolaos VI., dem das
Buch gewidmet ist, den er auf seinen Beisen zum Erzbischof
von Canterbury, Dr. Ramsey, und zur Kirche von Schollland
(Mai 1970, S. 50) begleitet, ist Mitglied der Orthodoxen Theologischen
Kommission für das Gespräch mit der Anglikanischen
Kirche (S. 248). Das vorgelegte Buch kann als Frucht persönlicher
Studien in Athen, München und Manchester (Ph. D. von
Manchester, D. 1). honoris causa von Edinburgh) und als theologische
Grundsalzreflexion des anglikanisch-orthodoxen Dialogs
im besonderen, der ökumenischen Öffnung, orientiert auf
die anglikanische und katholische Kirche, im allgemeinen, verslanden
werden. Diese Reflexion versucht, anhand eines breit
aufgefächerten Materials die historischen und sehr oft auch
systematischen Entwicklungen von der Urkirche bis zur Gegenwart
zu verfolgen. Die Überlegung gewinnt methodisch wie
sachlich ungemein dadurch, daß sich der Vf. nicht auf die orthodox
-anglikanischen Beziehungen und Gespräche beschränkt,
sondern die vielfachen anglikanisch-orlhodoxen-katholischen Wechselbeziehungen
in sie einbezieht. Das gilt für alle drei Teile des Buches
, sowohl den ersten, stärker historischen (S. 1—109), den
zweiten, systematischen mit seiner Darstellung der Ekklesiolo-
gie (S. 110-175) und Sokramentslehre (S. 176-199) als auch
den dritten, ökumenischen Teil mit der Ubersicht über die
Dialoge zwischen Vertretern des römischen Einheitssekretariats
und der Orthodoxen Kirche, zwischen Vertretern des Einheits-

Theologische literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 4