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1977

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

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Neuerscheinungen

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Theologische Li teralurzei tung 102. Jahrgang 1977 Nr. 4

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Nicht ohne wesentliche Veränderung ihrer Grundlagen hat J. A. beide Seiten, das jeweils Eigentümliche ,momenlan' zu denken

Möhler (125(1.) versucht, sie auf den Hoden römisch-katholischer und sich auf diese Weise des Ineinanderseins, wenn man so

Theologie zu verpflanzen. Angeregt auch von seinem Lehrer will: der geschichtlichen coincidenlia oppositorum bewußt zu

J. S. Drey und offensichtlich als Reaktion auf die Vorlesungen werden. Die Einheit der christlichen Kirche ist für Baur in der

Baurs beginnt auch Möhler in der Tübinger katholischen Fakul- Einheit der Geschichte verankert, und die Einheit der Ge-

tät 1830, gleichsam Wand an Wand mit seinem protestantischen schiebte bat ihren Grund in der Einheit des göttlichen Geistes,

Kollegen, dieses Thema mit großem Erfolg vorzutragen; litera- den weder der Katholizismus noch der Protestantismus für sich

risclie Frucht ist die erste Auflage seiner berühmten „Symbolik" allein gepachtet hat" (188).

1832 (133ff.). Mühler hatte seine romantische Phase bereits Freilich wollte sich 1836 auf diese „Zumutung" niemand mehr
hinter sich und war bei einer stark kirchlichen Kestauralions- sehr gern einlassen. „Auf beiden Seiten, im Katholizismus und
theologie angelangt. Er versuchte, die Lehrbegriffe der ver- im Protestantismus, «rollte man damals weithin schon nichts
sebiedenen Konfessionen so darzustellen, daß dabei der abso- mehr wissen von dieser freien Luft des Geistes, die für Baur
Inte Charakter der katholischen Kirche zum Ausdruck kam. das Element aller theologiechen Arbeit und damit auch das
Alle Union ist Wiedervereinigung mit der römisch-katholischen Element der Symbolik war" (190). Es ist somit für den ZuKirche
. Zum ersteil Mal in der katholischen Kontrovcrslitcratur rückschauenden kein Zufall, daß die geistvolle Konzeption
wird jedoch alles von einer Grundidee her verstanden: die Hanrs nicht wirksam geworden ist, sondern fast völlig ver
Kir. he ist die „andauernde Fleisch werdung Christi", ist „auf gessen wurde, während Möhlers Buch in seiner Kirche weiter-
cinc abbildlich-lebcndige Weise der durch alle Zeiten erschei- lohte und auch in unserem Jahrhunderl wiederentdeckt und
nende und wirkende Christus". Im Protestantismus dagegen noch mehrfach aufgelegt wurde. Wenn auch Möhler voryati-
erbob sich das Individuelle zur allgemein gültigen Norm, das konischer Theologe war und nach 1870 anders hätte schreiben
Belative setzt sich selbst absolut, wobei Möhler die Parallele müssen, so halte er doch den stark „kirchlichen'- Grundzug der
zwischen Protestantismus u nd „Gnosticismus" stark unter- Zukunft erfaßt, Baurs imponierender Entwurf dagegen hatte
streicht. Das Werk war - im Gegensalz zur Auffassung Baurs schlichtweg die Zukunft gegen sich, die wirkliche. Geschichte hat
— ein Symptom für den wiedererstarklen Konfessionalismus über die dialektisch-idealistische Schau der Geschichte gesiegt,
des vorigen Jahrhunderts. Als solches trug es auch spürbar Die erregende Kontroverse zwischen diesen beiden Männern ist
polemische Züge. Episode geblieben und hat die Konfessionen nicht berührt.

Baur konnte nicht umhin, zu reagieren. Noch 1833 erschien 0ie Besprechung diese, sorgfältig gearbeiteten Buches konnte

sein „Gegensatz des Katholicismus und Protestantismus" in we,lhl" Uef<'rat ^ D."MU?'2? ^ebn.s dunW;

erster Auflage (145«.). Baur stellt r.unächst die methodische *U™.»timmW ,st- £>, ffl,U ™< F"rschu"? l'™

Pmhm nh o,.," l-»i..i:.u,__a • l l • c u ri arbeitet cm vernachlässigtes Kapitel der Kirchen- und 1 heolo-

' Mge, (.1) es .oll kalnohschcm Hoden überhaupt eine Symbolik . ... . , , , , . ... . , •

.,.!.„„ i ;;..„. iv ,„„ lr. • j , " ,, , gicgcschichle des vorigen Jahrhunderts anschaulich heraus. i.ei-

genen kenne. Diese l'rage wird verneint, von Möhlers Buch " fo .... , „ f . . . . „ ,,,, »».. „ j

„in. ■ , i ui -i . • c . ... . , , „ „ , .... der enthalt das Buch zahlreiche Druckfehler. Mit Bedauern

gm. „es ist und bleibt seine Symbolik eine bloße Polemik . . . . o _ »• • n r> •• i

n„„ i,„.i u c • j r. .... • nimmt man zur Kenntnis, daß wohl aus finanziellen Gründen

"ns katholische bvstem wird von Baur letztlich auf seinen „ , . „, . • . . d. c i ri

...i, • • , /■ i ... t- , • . ,• ein Schlußkapitel fortgelassen worden ist. das Baurs Symbolik-

petagianiscnen t.iundzug zurückgeführt. Es geht nicht um die to,c7% ■ n »i .__.i.:„it n„. vr

pu, . , •.. , ,. „ . . Vorlesung von 1846 47 im vollen Wortlaut enthielt. Der Vf.

1 rage nacfl der sichtbaren, sondern um die l'rage nach der . . , . ,. ,r , • , „• „ «„, n:i„.,," (t(i

.. „i, l.« i I n. n ■> ' . . • • ,,„«, , „ . bezeichnet diese. Vorlesung einmal als „eine Art Bilanz (lb).

wahren Kirche! Die Beforination ist nicht hol.! Abschaffung ein- , , ,. , • . , . . n • „i,, ,„„ i _„.

. ,.,„. „ . t» . . L'm so bedauerbclier ist es deshalb, dal) nicht statt des nur
gerissener Mißbrauche o a., sondern ein völlig neues Prinzip ^ . .^.^ umfas3endcn wNachworts« (191) auf einigen Sei-
' 'lor ,lZ ™ ,hC Frafte "?* dw.h«d»^«n «Otodieideildeil m wcni u.ns ein knappes Referat dicse, Vorlesung geboten
Aulornät. Der I ro.estan.isinus kann „.cht (he Kirche, sondern wie oft h(U diege spatere Vorlesung noch vor-
"ür Wort nls letzte untrügliche Autorität anerken- ? ITut w Motz 3einer gegenteiliger, Erfahrungen" (189)
■>en. Dabei bemüht sich Baur um einen neuen, vergeistigten ^ m den späteren Jahren „„ seiner opt;mist;scl,on Grund-
Begriff der Tradition. Von hier aus ist eine Wiedervereinigung aMchaunng festgehalten?
nicht nur denkbar, sondern sogar liir beide l'eile geschichtlich

notwendig. ma Gottfried Maren

Die zweite Phase der Kontroverse zwischen Baur und Möhler
machte eine starke Verschärfung des Tones mit sich. Möhler
MUworlete auf Baurs Schrift 1834 in seinen „Neuen Untersuchungen
" (169ff.), in denen Möhler zur Überraschung Baurs
sehr persönlich gefärbte, polemische Töne schon im Vorwort

anschlug. Möhler kann in der Darstellung Baurs nur „die _ _ ,, „ ,a._

Unterschiede des Banrismai vom Katholicismus finden. .Nichts Kr"f: l'ra"z. Anlon Mesmer (1734-1815) und seine

weiter" V__i , r» , . , „ . ... Ausstrahluug m Europa und Amerika. München: hink 19/b.

Ann h' ?'Wl ffUnn7CHhne °" Rns,s a,,s se' kR,no U S. gr. 8» = Abhandlgn der Marbi.rgcr Gelehrten GeseU-

'^nnaherung an den Katholizismus möglich. scliaft, Jg. 1973, Nr. 2. DM 10,-.

Haue antwortet Zunächst in einer kürzeren „Krwiderung"' Heller, Florian: Die Familie Schwer: Geschichte einer im Terri-

'834 (I74ff.), um schließlich 1836 eine zweite, mehr als 700 Sei- torium Nürnberg heimisch gewordenen Exulanten-Familio von

*en umfassende Auflage seines „Gegensatzes" herauszubringen Schnitzern und Drechslern aus Berchtesgaden (Mitteilungen

vi»«.). Der Text der ersten Auflage ist nach den Untersuehun- Ver«™ >«' Geschichte der Stadt Nürnberg 63. 1976

S ,wwVfr weYr(lnrhRhC"' S d?" frTl,früngCn ^k! Hehnrefch/Ernst C: Die Veröffentlichung der „Denkschri.t der

/ inzwischen erfolgte Rezeption Hegels deutlich. Baur zieht Vorläufigen Leitung der Deutschen Evangelischen Kirche an

Linien aus: dem ursprünglichen Protestantismus wider- den Führer und Reichskanzler, 28. Mai 1936" (ZKG 87, 1976

streitet nichts mehr als alles dasjenige, was unter dem allge- s, 39—53).

hiei.ien Namen des f'elagianismus begriffen wird. Dieser pela- Marty. Myron A.: Pulpits. Propaganda, and the American

B*nUch« Dualismus läßt übrigens im Gegensatz zu den Auf- revolution (Currents in theology and mission 3, 1971! S.

Teilungen Möhlers lediglich eine relative Betrachtungsweise zu. 196—204).

A»sführlich äußert sich Baur über das Verhältnis der Konfes- MüUer. Norbert: Schwierigkeiten mit Paul Gerhardt? (ZdZ

8'«nen zur Philosophie (184ff.). Baur hatte inzwischen bei He- ,T.1976- S- .^T,170^ , r, , j. nj7 iotc a ni

fiel eino,, • n u L« • r- . j i t a„.. Niemann, Arnold: Pari Gerhardt ZdZ 1976 S. 171—177;.

hu (inen gewissen „liubepunkt seiner Entwicklung gefunden. . . . n. — ,____ ,___,__. . '.

Der vr l • , „ »ii a Norden, Gunther von: Die Kntstchung der reformierten Zions-

' W. kennzeichnet die Stellung Baurs folgendermaßen: ^meinde in Ronsdorf und die Stellung der Obrigkeit dazu

""er ganze Gegensatz zwischen Katholizismus und Protestanlis- (ZKG 87. 1976 S. 16—38).

WU wird hier konsequent in den Prozeß der Geschichte einbe- Tsoulknnake, Naukrätions: Ioannes 'otoii Ioännoudidaskalostes

^'gen und der Selbstbcwegung des göttlichen Geistes unterstellt en Thessalonikej Sholes (Klerouomia 7, 1975 S. 353-386).

abei gela os keineswegs um eine Nivellierung der konfessio- Volk, Ludwig: Der Heilige Stuhl ind Deutschland 1945 - 1949

»eilen Gegensätze, sondern um die konkrete Zumutung an (StZ 101, 1976 S. 795-823).