Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1977

Spalte:

260-261

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Neusner, Jacob

Titel/Untertitel:

Early rabbinic Judaism 1977

Rezensent:

Schäfer, Peter

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

259

3 Vgl ThLZ »8, 1973, 679 A. L

4 Siehe schon ThLZ 90, 1965, 727-740.

5 Vgl. Schnackenburg 296 und 292.

6 Vgl. Hegermann, Die Vorstellung vom Schöpfungsmittler im hellenistischen
Judentum und Urchristentum (TU 82), Berlin 1961, 26- 47.

7 Raum dafür wäre leicht einzusparen an den Angaben zu Arbeiten,
die in Anm. mehrmals bibliographisch vollständig angeführt werden.

Schäfer, Peter: Rivalität zwischen Engeln und Menschen.
Untersuchungen zur rabbinischen Engelvorstellung. Berlin
und New York: de Gruyter 1975. XIV, 280 S. gr. 8° =
Studia Judaica, Forschungen zur Wissenschaft des Judentums
, hrsg. v. E. L. Ehrlich, VIII. Lw. DM 78,-.

Das vorliegende Buch ist eine Frankfurter judaistische Habilitationsschrift
von 1972/73, angeregt und gefördert von A. M.
Goldberg (Frankfurt am Main). Schäfer führt ältere Forschungen
zur jüdischen Engellehre (A. Kohut, F. Weber, M. Schwab,
W. Eueken, A. Marmorstein, J. Schultz, E. E. Urbach) weiter,
indem er, im Anschluß an Marmorstein, speziell das Verhältnis
zwischen Engeln und Menschen untersucht. Da eine zusammenfassende
Darstellung der altjüdischeu Angelologie noch immer
aussteht, füllt Schäfers Werk eine gravierende Lücke; seine Bedeutung
ist um so größer, als die meisten angelologischen Aussagen
der Rabbiuen das Rivalitätsverhältnis zwischen Engeln
und Menschen betreffen.

Nach Vorwort, Inhaltsverzeichnis, Abkürzungen und Einleitung
(S. V—XIV, 1—8) gibt Schäfers Untersuchung in einem
ersten Teil einen Überblick über die Engel Vorstellung des
nachexilischen Judentums (I, S. 9—74). Die Apokryphen und
Pseudepigraphen (A, S. 10—33) befragt der Vf. nach den Themenkreisen
Angelus interpres, Engelklassen, Engel und Kosmos
, Engel und Menschen. Aus Qumran (B, S. 33—40) nennt
er die Aspekte Gemeinschaft im heiligen Krieg, Reinheit des
Lagers, Liturgische Gemeinschaft, Unter dem Stichwort „Kontinuität
und Neuaiisat/." behandelt Teil C (S. 41—74) diejenigen
Topoi der rabbinischen Engelvorstellung, die nicht eigentlich
zum Thema der Rivalität zwischen Engeln und Menschen gehören
: Gott und die Engel (Beratung mit den Engeln, Herabkunft
auf den Sinai), Erschaffung und Wesen der Engel, Na-
turcngcl, Engel und Menschen (Schutzengel, Engel als Fürsprecher
und Ankläger, Engel des Verderbens, Engel Verehrung).

Der zweite Teil des Buches gibt sich schon durch den Umfang
als Hauptteil zu erkennen; er behandelt die Rivalität
zwischen Engeln und Menschen (II, S. 75—242). Ein erstes Kapitel
(A, S. 75—218) bietet 74 rabbinische Texte in deutscher
Ubersetzung mit Analyse und Interpretation der z. T. zahlreichen
Versionen; diese Texte stammen so gut wie ausschließlich
aus Talmud, Midrasch und Targum und sind thematisch
geordnet (1 — 16: Erschaffung des Menschen und erste Generationen
; 17—18: Schilfmeer; 19—41: Mattan Torah; 42—43:
Sliftszelt; 44—60: Israel; 61—65: Der Gerechte; 66—67: Der
Hohepriester; 68: Jakob; 69—73: Moses; 74: Manasse). Das
folgende Kapitel B resümiert die Ergebnisse der Textinterpre-
talionen (S. 219—234). Ein abschließender Exkurs bietet Beobachtungen
zu Uberliefcrungsgeseliichte und Sondergui (S.
234—242). — Primär- und Sekundärliteratur nennt das ausführliche
Quellen- und Literaturverzeichnis (S. 243—254); sorg
fältige Register verzeichnen biblische und rabbinische Belegstellen
, Babbinen, Namen, Sachen und zitierte Autoren (S.
255-280).

Dankenswerterweise faßt der Autor die hauptsächlichen Ergebnisse
seiner Einzelinterpretationen systematisch zusammen
(II B, S. 219-234). Häufig stehen die Engel in Opposition gegen
den Menschen und äußern ihren Widerspruch (S. 219—224),
insbesondere bei der Erschaffung des Menschen, bei der Gabe
der Torah und bei der Ilerabkunft der Schekhinah in das Heiligtum
. Gegenüber der Sündhaftigkeit des Menschen fungieren
die Engel als Anwälte der göttlichen Strafgerechtigkeit; sie sind
eifersüchtig und neidisch auf den Menschen, und in ihrer Feindschaft
gegen den Menschen erscheinen sie als solche, die ihn zu
verführen und zu töten suchen oder die ihm verfallen können
. — Nur in Spuren ist aus einigen rabbinischen Texten zu
erkennen, daß auch die Gleichheit von Engeln und Menschen
behauptet werden konnte (S. 224- 228). Bedeutsamer als die

260

vereinzelten Aussagen über ursprüngliche, cngelgleiche Sünd-
losigkeit des Menschen sind die häufigen Vergleiche von Propheten
und Priestern mit Engeln. — Schließlich betonen zahlreiche
Belege die Überlegenheit des Menschen über die Engel
(S. 228—232). Israel hat den Engeln den Besitz der Torah
voraus; durch Erfüllung der Torah wird die Sünde überwunden
. Insbesondere der „Gerechte," ist den Engeln überlegen:
Moses und der Hohepriester.

„Die Vorstellung von der Überlegenheit des Menschen bzw.
Israels über die Engel hat sich als ein zentraler Gedanke der
rabbinischen Engel,lehre' erwiesen. Es zeigte sich, daß diese Vorstellung
nur auf dem Hintergrund einer ausgeprägten Erwäh-
lungstheologie verstündlich ist: Die Erwählung Israels und das
besondere Verhältnis zwischen Gott als dem Gott Israels und
Israel als dem Volk Gottes sieben so sehr im Mittelpunkt der
theologischen Reflexion, daß alle anderen ,Glaubcnsinhaltc'
hinter dieser Vorstellung zurücktreten bzw. darunter subsumiert
werden. Dies gilt in ganz besonderer Weise auch für die
Engelvorstellung. . . Der einzig adäquate Kontext für die rabbinische
Engelvorstellung ist das Bewußtsein von der Erwählung
Israels und der Hinwendung Gottes zu seinem Volk."
(S. 232f.)

Peter Schäfers Untersuchung, thematisch klar umgrenzt, gut
disponiert und methodisch sauber gearbeitet, bedeutet einen
echten Erkenntnisfortschritt. Kritische Anfragen in sachlicher
Hinsicht erübrigen sich fast ganz. Der Neutestamentier wird bedauern
, daß Belege aus dem Neuen Testament vollständig ausgeklammert
worden sind; so fehlen in der Bibliographie auch
wichtige Abhandlungen zur neuteslamentlichen (und jüdischen!)
Angelologie und Dämonologie (O. Everling, 1888; M. Dibelius,
1909; B. Noack, 1948). Im ersten Teil („Überblick über die
nach exilische Engelvorstellung") hätte den „bösen" Engeln b/.w.
Dämonen etwas mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden können
. — Bedauerlich ist das Fehlen eines Registers der aus
Apokryphen, Pseudepigraphen und Qumran herangezogenen
Stellen. In drucktechnischer Hinsicht stört, daß sowohl in der
Bibliographie als auch in den Anmerkungen bei Publikationen mit
mehreren Autoren die verschiedeneu Verfassernamen nicht durch
Gedankenstriche voneinander abgesetzt, sondern durch kurze
Bindestriche an die falschen Vornamen angeschlossen werden
(z. B. S. 247: „J.-Wünsche"). Andererseits verdient die Sorgfalt
des in Jugoslawien hergestellten Satzes hohes Lob.

Jedenfalls erschließt die vorliegende Abhandlung einen zen-
tralen Aspekt der rabbinischen Theologie. Der Alttestamentier

lernt ein bedeutsames Stück Nachgeschichte des biblischen Denkens
kennen; wichtige Parallelen zu Angelologie, Anthropologie
und Ekklesiologie der Urgemeinde werden dem Neutcstamenl-
lcr vermittelt. Das Werk kann durchaus als eine Art Handbuch
jüdischer Engelvorstellungen dienen, nicht zuletzt infolge seines
ausführlichen Registers der Namen und Sachen (S. 272—278).

Saarbrücken Otto Hocher

Neusuer, Jacob, Prof.: Early Rabbinic Judaism. Historie«]
Sludies in Religion, Literalure and Art. Leiden: Brill 1975.
XIII, 226 S. gr. 8° = Sludies in Judaism in Laie Antiquity,

ed. by .1. Neusnar, XIII. Lw. hfl. 76,-.

Der dt rch zahlreiche Werke zum rabbinischen Judentum bekannte
Verfasser legt mit dem hier anzuzeigenden Buch eine
Sammlung seiner Aufsätze aus einem Zeitraum von mehr als
zehn Jahren vor. Die zeitlich ältesten Beiträge (aus den Jahren
1963—1966) sind im dritten Teil des Buches unter der gemeinsamen
Überschrift „Art. Glosses on Goodenough's Jewilh
Symbols" zusammengefaßt. Sie wurden angeregt durch das
monumentale Werk von E. R. Goodenough, Jewish Symbols
in the Grecn-Roman Period, 13 Bde., New York 19531T., und behandeln
im einzelnen: „The Demise of 'Normative Judaism':
A Review-Essay" (S. 139—51); „Notes on Goodenough's Jewish
Symbols, I-VIII" (S. 152-73); „Jewish Use of Pagan
Symbols after 70" (S. 174—87); „Judaism at Dura-Europos"
(S. 188—208) und „Goodenough on Psychology of Beligion"
(S. 209-15).

Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 4