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Ausgabe:

1977

Spalte:

234-236

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Autor/Hrsg.:

Lukken, G. M.

Titel/Untertitel:

Original sin in the Roman liturgy 1977

Rezensent:

Bieritz, Karl-Heinrich

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Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 3

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erleben, daß soine Ordensoberen dessen Verbreitung verbieten
. Seine christozentrisohe Antwort auf die ihn bewegenden
Fragen hat auch zu seiner Habilitationsschrift
„Die Stellung Christi im liturgischen Gebet" (1925) geführt
und ihn zu einem eisten geschichtlichen Gang durch
die Liturgien des Ostens und Westens veranlaßt, wenn
auch da noch unter dem katcchetisch-kerygmatischen
Interesse. Diese Schrift war es dann, die seine Oberen dazu
bestimmte, ihm die Liturgik für seine Lehrtätigkeit besonders
ans Herz zu legen. Da P. Jungmann nun in der
jungen liturgischen Bewegung einen Weg zur Wiedergewinnung
jenes Glaubensschatzes der christlichen Frühzeit
erkannte, andererseits deren Fundierung durch gründliche
historische Studien erforderlich war, wandte er sich
intensiv diesem Gebiet zu. Als durch die Eingriffe des
Nationalsozialismus mit der Vertreibung seines Ordens
aus Innsbruck auch seine Lehrtätigkeit erlosch, konzentrierte
sich seine Forschung allen äußeren Schwierigkeiten
zum Trotz auf die genetische Erklärung der römischen
Messe, die er 1948 indem monumentalen zweibändigen
Werk „Missarum SollemniA" vorlegen konnte; schon
1961 waren davon in fünf Sprachen mindestens .'{0000
Exemplare verbreitet! Ihm stehen von 192:5 bis 1974
andere gewichtige Büchel-, eine Fülle von Kinzelstudicn
und zahlreiche Rezensionen zur Seite.

Die Beiträge des Buches vergegenwärtigen nun dies
Loben mit seinem reichen Wissenschaft liehen und in die
kirchliche Praxis hinein wirksamen Ertrag von den verschiedensten
Standorten aus. Doch als zentral für die
Beurteilung der kirchengesehiehtlichen Bedeutung P.
Jungmanns darf die Tatsache gelten, daß er mit seinem
Hauptwerk die Messe Pius' V., „ohne es eigentlich und
ursprünglich gewollt zu haben", entzaubert, „entmythologisiert
" hat. „Nachdem sein wissenschaftliches Werk
vorlag, war es nachgerade eine Frage des theologischen
Niveaus, ob man an ihrer spezifischen Form festhalten
wollte und konnte" (49). So J. A. Emminghaus in seinem
»Pia partieipatio" übersehriebenen Aufsatz, in dem er
aufzeigt, wie I'. .lungmann speziell mit den Mitteln historischer
Forschimg dem entscheidenden Anliegen der liturgischen
Bewegung, der aktiven Teilnahme der priesterlichen
Gemeinde am Gottesdienst, zum Durchbruch verhall
'. Als zu seiner eigenen Überraschung berufener „Peri-
tus" des H. Vaticanum hat er demgemäß, wie verschiedene
Aufsätze Beteiligter erweisen, tiefgehenden Einfluß
auf die Liturgiekonstitut ion wie später auf deren Ausführungsbestimmungen
geübt . Entscheidende Phasen seiner
Begegnung mit der liturgischen Bewegung, nicht ZU-
letzt seine Einstellung zur Mysterientheologie 0. Casels,
Werden in anderen Beiträgen erhellt. Aber auch das Verhältnis
des Forschers und Lehrers zu seinen Schülern,
'l('s Tirolers zu seiner Südtiroler Heimat und zu seiner
bäuerlichen Familie werden geschildert. Dem deutsehen
Luthertum hat sein Lebenswerk mit dazu verholten, den
Vo]lZUg des Gottesdienstes in bewußter Abkehr von seiner
DM dahin meist nur ästhetischen, historischen .psychologischen
Bewertung als das Gefäß eines realen Geschehens
Und der Realpräsenz Christi neu zu erfassen (vgl. 40, O.
Dietz). Die Bereitschaft zu ökumenischer Mitarbeit hat er

als aktives Mitglied der „Arbeitsgemeinschaft für gemeinsame
liturgische Texte der Kirchen des deutschen Sprachgebiets
" unter Beweis gestellt (130 f., H. von Schade).
Was dem Werk P. Jungmanns seine besondere Prägung
Und dadurch seine 'fielenWirkung gab, hat der Münchener
Liturgiewissenschaftler W. Dürig dahin gekennzeichnet:
-.Obwohl ihm das liturgische Erbe in seiner ganzen Breite
Hauptgegenstand lebenslanger, mühsamer und nüchterner
Forschungsarbeit war, war ihm die Wissenschaft nicht
Selbstzweck. Sie sollte vielmehr der pastoralen Gegenwart
dienen und den Gläubigen «Im- Liturgie als Grundvollzug
°hristlichen Lebens nahebringen. Auch in den trockensten
Studien Jungmanns klingt immer wieder an, worum es

ihm letztlich geht, daß nämlich durch die Mitfoier der
Liturgie unser Christentum wieder mehr österliches Christentum
werde und unser christliches Leben wieder stärker
aus dem Ostergeheimnis gestaltet werde" (44).

Grclfswnlcl William Nagel

Lukken, O. M.: Original Sin in ihe Roman Liturgy. Research into
the Theology of Original Sin in the Roman Sacramentaria and
the Early Baptismal Liturgy. Leiden: Brill 1973. XXIV, 432 S.
gr. 8°. Lw. hfl. 88,—.

Der aus sprach- und sozialwissenschaftlicher Methodik
geläufige Begriff der Kontentanalyso bietet sich an, um
Absicht und Begrenzung der vorliegenden Untersuchung
(deren holländisches Original bereits 1967 der Gregoriana
in Rom vorlag) zu markieren: „An cxamination of the
theological content of the liturgy" (6,8) möchte der Vf.
durchfühl en, bezogen freilieh auf einen nach Material wie
Thematik eng umgrenzten Bereich. Hatte er ursprünglich
geplant, eine größtmögliche Zahl liturgischer Quellen in
seine Untersuchung einzübeziehen (5), so beschränkt er
sich nun im wesentlichen auf die sog. frühen römischen
Sakramentare (das von Mohlberg edierte Veronense, das
sog. Leonianum; das filtere (Jelasianum, Cod. Vat. Reg.
lat. .'116; das von Lietzmann edierte Gregorianum Camera-
cense); zu den Texten wird jeweils das neue Missal« von
1970 verglichen. Besondere Aufmerksamkeit gilt natürlich
der römischen Taufliturgie; auch das österliche Exultet,
obwohl gewiß nicht römischen Ursprungs, wird doch hinzugezogen
„as the most outstanding liturgical text for the
theology of original sin". Damit ist zugleich das Thema
der vom Vf. beabsichtigten „content cxamination" angeschlagen
: Es geht um jenes theologische Terrain, das im
Deutschen durch die Lehre von der Erbsünde (sowohl das
lat. wie das engl. Äquivalent - „peccatum originale" bzw.
„original sin" - sind sachgemäßer und geben weniger zu
Mißverständnissen Anlaß) abgedeckt wirti. Der Vf. weiß,
daß er damit ein zur Zeit kaum sonderlich attraktives
Thema gewählt hat (es sei denn, man stelle ein gewisses
modisches Interesse an einer diffusen „Satanologie" in
Rechnung); mit seiner Arbeit versucht er jedoch den
Nachweis zu führen, daß in der Sicht der Liturgie der
„Ursünde" ein wichtiger, und zwar durchaus positiver
Rang in der Geschichte des Heils zukommt: „The litiu-gy
views the mystery of original sin solely in the light of the
even greater mystery of our redeinplion in Christ" (390).
Das heißt: En der „Erlösung" geht es keineswegs nur um
die Wiederherstellung, sondern vielmehr um die unvergleichbare
fjberbictung des durch den Fall zerstörten Urzustandes
(,,. . . that the redeinpl ion was inore wonderful
than the first creation", 378); hier wird eben nicht nur die
verletzte Goffebcnbildlichkeit restauriert, sondern der
Mensch «rowinnt - durch Christus ein höheres Maß an

o .......

Gottesgemcinschait („participation in divme natura ,
383), als er vor dem Fall besaß. So wird - und das ist eine
Logik, die der Vf. insbesondere im Fxultct glaubt nachweisen
zu können - die Schuld Adams geradezu zum Anlaß
, zum Auslöser jener für den Mensehen so heilsamen
Entwicklung, zur „felix culpa" und zum „neeessarium
peccatum" (391). Freilich: Das anstößige „neeessarium"
im Exultet darf nicht im Sinne einer unausweichlichen
„Notwendigkeit" interpretiert werden (das hätte fatale
theologische Konsequenzen!), sondern muß - im Zusammenhang
eines sprachgeschichtlichen Bedeutungswandels
- im Sinne von „useful, profitable" verstanden werden
(392f.); ein Beispiel für die zahlreichen interessanten
Einzelergebnisse, die der Vf. im Verlaufe seiner Untersuchung
zutage fördert.

Wie geht der Vf. nun methodisch vor ? Er weiß, daß eine
„content cxamination" sich nicht auf eine bloße Inhaltsbeschreibung
beschränken darf, sondern auf jeden Fall die