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Ausgabe:

1977

Spalte:

221-222

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Köberle, Adolf

Titel/Untertitel:

Karl Heim 1977

Rezensent:

Kwiran, Manfred

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Seite 1

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Theologische Literat urzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 3

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seilen Denken vermutet wird. Diese Periode grenzt Sand
berger auf die Jahre 1830 bis 1837, die Vor- und Nachgeschichte
des Leben-Jesu-Werkes, ein. Strauß' intensive,
Beschäftigung und Auseinandersetzung mit Hegel wird
auf den Herbst oder Winter 182!)/30 angesetzt. Besonders
der Briefwechsel zwischen .Strauß und Christian Märklin
ist hier ausschlaggebend. Die Briefe aus den Jahren 18150
bis 1837 werden dann hier dem Leser zur eigenen Lektüre
im dritten Teil der Arbeit erstmals vollständig vorgelegt.

Der Verfasser setzt sieh auch mit der neueren Strauß-
Forschung auseinander. Die wichtige Strauß-Studie des
WürzburgerOnlinarius Gott hold Müller (Identitätund Immanenz
. Zur Genese der Theologie von D. K. Strauß, Zürich
1068) ist ihm in seinen Cntersiichungen sehr hilfreich gewesen
. Gotthold Müller hatte u. a. besonders den Einfluß
von F. (In-. Baur, Sendling, Jakob Böhme, Justinus Ker
ner und Schleiermacher bis 1831 herausgearbeitet. Damit
stellte sieh für Sandbcrger die für ihn noch nicht genügend
ausgearbeitete Frage nach der Bedeutung Hegels für die
Entstehung des Lebens Jesu um so dringlicher.

Dieser Zeitabschnitt ist von der Hegeischen Philosophie
geprägt, was sieh dann in der kritischen Bearbeitung des
Jüchens Jesu auswirkt. Sandbcrger sieht das Erscheinen
des Lebens Jesu als den Kulminationspunkt dieser Hegcl-
IVriodc. Diese Lücke in der Strauß-Forschung (1830-1837)
s<>l I genauestens untersucht und dargestellt werden. Wichtig
für die Studie ist besonders die llegelsehe Unterscheidung
VOll Vorstellung und Begriff. Durch ein chronologisches
orgehen wird im eisten Teil der Arbeit die Rezeption der
Philosophie Hegels durch Strauß untersucht. Besonders
hilfreich sind der Briefwechsel mit Märklin, Strauß'
Doktorarbeit (1831) und einige Rezensionen in den Jahrbüchern
für wissenschaftliche Kritik. Die Doktorarbeit
wird als Bekenntnis zu Hegel gewertet, während die Tübinger
Vorlesungen (1832/33) die Synthese von spekulativer
Philosophie und Theologie aufzeigen.

Im zweiten Teil werden die Jahre 1834 bis 1837 untersucht
. Hierfür sind die Rezensionen und besonders die
Einleitung und Schlußabhandlung des Lebens Jesu (1835/
36) sowie die Streitschriften (1837) von großer Bedeutung.
Im drillen Teil werden meist noch nicht veröffentlichte
Briefe von Strauß aus dieser Periode an Christian Märklin,
K. Grüneisen, K. Daub, M. Kraus und M. Carriere abgeknickt
. Sandbergers kurze Einleitung und seine Anmerkungen
zu den Briefen sind hier äußerst hilfreich. Bisher
""bekannte Strauß-Manuskripte, die im Landeskirchlich
* m Archn in Stuttgart gefunden wurden, enthalten
die sehril'tliehen Arbeiten zur I. und 2. Dienstprüfung
(1830), Ein Abschnitt aus der dogmcngesehichtliehen
Arbeit Über die christliche Kreihc.it (Schleiermacher und
Marheineke) zur l. Dienstprüfung ist im Anschluß an die
Briefe wiedergegeben. Das Literaturverzeichnis erstrebt
diese Strauß Periode Vollständigkeit; sonst werden
n"i' die wichtigsten Veröffentlichungen und Briefe ver
Z('iehnet. Ein Verzeichnis der zeitgenössischen Werke und
Aufsätze di ;r neueren Literatur und ein Namenregister
tragen zum Wert dieser Strauß-Interpretation bei.

WOrxboig Manfred Kwiran

Köberle, Adolf: Karl Heim: Denker und Vcrkündiger aus e>«iif>c-
l'sehem Glauben. Hamburg: Furche-Verlag [IdT.i]. 240 S. 8'.
bw. dm io.kii.

Am 30. August 1058 starb Karl Heim im Alter von 84
Jahren. Er wurde bald dai.ach vergessen. Heute stehen
w'r in einer Renaissance, in einer Epoche der Wiederent-
(1(,ekung des Tübinger Theologieprofessors. Karl Heim war
akademischer Lehrer von Größe. Er war ein Seelsorger,
det für die Studenten da war. Gern wurde dieser Prediger
Evangeliums für den ganzen Menschen gehört. Aufmerksam
lauschte man in der Tübinger Stiftskirche seinen

Worten. Durch das Bemühender Karl-Heim-Gesellschaft,
durch die Neuherausgabe seines sechsbändigen Hauptwerkes
„Der evangelische Glaube und das Denken der
Gegenwart" und durch erneutes Interesse von Studenten
und Theologen an dem, was ihn beschäftigte, findet sein
Lebenswerk heute wieder gebührende Aufmerksamkeit.

Karl Heim sah die Zweifel seiner Zeitgenossen: ungelöste
Probleme in den Bereichen der Sozialethik, der modernen
Naturwissenschaft und in der vergleichenden Religionskunde
. Es war ihm peinlich, duß Theologie und Kirche
sich nur wenig mit dieser Problematik beschäftigten.
Während die damalige Theologie sich Innerlichkeit und
sittlichem Wertempfindens zuwandte, nahm Karl Heim
das direkte Gespräch mit dir Naturwissenschaft und ihren
Ergebnissen auf. Er fragte nach ihrer Bedeutung für die
christliche Verkündigung, die, wie die Theologie, sieh als
Botschaft und Wissenschaft von der ganzen Wirklichkeit

verstehen muß.

Professor Adolf Köberle, ein Karl-Heim-Kenner ersten
Ranges, bringt in diesem Werk seine Gesamtwürdigung
zu llcims hundertstem Geburtstag (20. Januar 1074). Die
erste Hälfte des Buches berichtet in zwölf Kapiteln Heims
Lebensbahn auf dem Hintergrund seiner Zeit. Köberle
versteht es, auch die wesentlichen Züge Heims in erzählerischer
und allgemein verständlicher Sprache zu vermitteln
. Seine Religionsphilosophie, die Gespräche mit den
Naturwissenschaftlern, seine Ethik-Vorlesungen, seine
exegetischen Bemühungen, sein Eintreten für die Weltmission
und sein klares Bekenntnis zu Christus werden
deutlich dargestellt. „So gewiß Heim einen überragenden
philosophischen Geist besaß, der alle Höhen und Tiefen
von Natur, Welt und Mensch zu umfassen vermochte, im
Grund wollte er zuletzt nur eines: er wollte als Professor
der Theologie, als Prediger und als Seelsorger Menschen
zu Jesus Christus hinführen, auf daß sie unter seiner Herrschaft
Erieden mit Gott und Leben aus Gott empfangen"
(Köberle, 45). Seine Botschaft von Christus hatte universale
und kosmische Weite. Auferstehung war für ihn mehr
als eine Glaubensüberzeugtmg oder gar Glaubensvollzug.
Iiier sah Heim den verborgenen Anbruch der neuen
Schöpfung.

In der Zweiten Hälfte kommt Heim selbst zu Wort.

Seine Vielseitigkeit und Eigenart wird in sieben sorgfältig
ausgewählten Aufsätzen, die heute sonst nur schwer zugänglich
sind, nochmals spürbar: 1. Zur Einführung in das
Studium der Theologie; 2. Das Gebet als ein philosophisches
Problem; 3. Der Kampf gegen den Säkularismus;
4. Die Absolutheit des Christentums und die Religionsgeschichte
; 5. Zeil und Ewigkeit, die I lauptfrage der heut igen
Esehatologie; (i. Zur Krage der Wunderheilungen;
7. Die Auferstehung der Toten.

Die Theologie darf die Bibel „nicht bloß historisch
philologisch und auch nicht bloß dogmatisch durchforschen
". Der Theologe und die Theologie muß einen „Heißhunger
nach dem Gotteswort haben". Auch der Theologe
als gläubiger Christ muß sieh täglich prüfen und aufs neue
die Nachfolge und den Glaubensvollzug wagen, zu dem ihn
der Auferstandene aufruft.

Diese interessante Einführung in Karl Heims Werk
wird dem Leser viel Freude und Hilfe bringen. Heim plädierte
nicht für eine geschlossene Systematik, er versuchte
nur ständig, mit großer Aufgeschlossenheit auf die Kragen
seines Zeitalters „nach einem letzten Halt" ernsthaft einzugehen
. Wir können von ihm in dieser Beziehung nur
lernen. Köberlcs Würdigung kann zu einer erneuten Beschäftigung
und Auseinandersetzung mit Heims Werk
auch unsere Generation führen. Es ist zu wünschen, daß
Heims Leistung und Mut zum Dialog mit den anderen
Wissenschaften auch uns ein gutes Beispiel wird und uns
dazu inspiriert. Diese dialogale Sicht kann uns nur bereichern
.

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