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Ausgabe:

1977

Spalte:

210-213

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Kaczynski, Reiner

Titel/Untertitel:

Das Wort Gottes in Liturgie und Alltag der Gemeinden des Johannes Chrysostomus 1977

Rezensent:

Goltz, Hermann

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Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 3

210

Sinnfeld erstreckt" (S. 2). So eröffnet Vf. seine Arbeit mit
einem Uberblick über die ävdaraais .-in ea«r/.xfj-Vorstellung
(S. 3-40). Hier wird der stoische Hintergrund des nfeSfKt-
Begriffes angedeutet, werden Bemerkungen zum Verständnis
der Sakramente als eine Verbindung von sarki-
schem und pneumatischem Wesensteil des Menschen und
damit dem ersten Stadium der üvdamaig und der damit
verbundenen Läuterung der Sarx durch die wahre Gnosis
gegeben. Dieser Bericht fußt vor allem auf den Stroma-
teis, zitiert und erläutert aber keinen Text gründlich. Sehr
knapp ist der /.weile Teil, der unter dem Thema steht
..Der Tod als Ausrichtung des leiblich-seelischen Oefüges
auf die geistige Wcsensmiftc der Person (Interferenz von
»dvaios und iyäataatg)" (S. 41^7). Hier scheint mir Vf.
noch schneller auf eine systematische Eindeutigkeit hinzuarbeiten
, trotz seiner einleitenden Bemerkung (S.41),
daß gerade dieses Thema von Klemens sehr undeutlich
behandelt wird,

Der dritte Teil (S. 18 128), der die ttsq- und nveSfia
Vorstellung des Klemens untersucht und sich um eine
Herleitung ans philosophischen und gnostischen Vorbildern
bemüht, ist- der wichtigste des ganzen Buches und
kann der Klemensforschung manche Anregung geben. Vf.
zeigt sich hier in der wissenschaftlichen Sekundärliteratur
sein' bewandert. Hier bemüht er sich auch um eine Interpretation
von Texten (vor allem Ecl. 26, Exe. 27 und einzelne
Stellen aus Strom. V). Wertvolle Hinweise auf
Parallelmaterial in philosophischen und gnostischen
Schriften werden gegeben. Die Schlüsse, die Vf. für die
Anschauung des Klemens zieht, sind jedoch nicht genügend
unterhaut und nicht mit überzeugender Methode gewonnen
. Notwendige, kritische Vorfragen (Authentizität
und Tendenzen) sind nicht oder nicht ausreichend gelöst.
Die Interpretation der Stellen aus ihrem Kontext wird
nicht versucht. S. 122ff. z. B. will Vf. die „Modifikation
der valentinianischen Lehre durch Klemens unter dem
Einfluß platonischer Gedanken" mit Hilfe des Textes
Exe. 27 nachweisen. Diese Stelle wird vom Vf. als klemen-
tinisch gefaßt und in postmortalem Sinne gedeutet. Ohne
ausreichende Argumente werden dabei en passant andere
erwägenswerte Deutungen abgetan: A. Mehat hatte diese
Stelle auf die antemortale Läuterung bezogen. Auf die
Hypothese von S. R. C. Iii IIa (Clement of Alexandria. A
Study in Christian Platonism and Gnosticism, Oxford
1971), Theodotos sei Verfasser dieses Abschnittes, geht
Vf. nur in einem Nachtrag kurz ein. Schmöles Dissertation
war erst 1972/7:1 abgeschlossen. Man kann also eine gründliche
Auseinandersetzung mit dieser und anderen Thesen
tiillas erwarten. Das gilt auf jeden Fall für die Druckfassung
.

Der vierte Teil steht unter dem Thema „systematische
Aspekte der klementinischen Eschatologie" (S. 129-141).
Er geht auf einige Aspekte der Engellehre des Klemens
"od der trvytiXeu» ein. Bei den Ausführungen über die
Engel ist leider die These U. Riedingers (ZKG 1962,25:} ff.)
daß bei Ps.-Kaisarios eine Paraphrase des Strom VI 32,1
versprochenen klementinischen Traktates über die Engel
vorliegen könnte, nicht erwähnt und nicht berücksichtigt.
Die Teile 2 und 4 hätten besser ihren Platz am Ende des
Buches als Exkurse gehabt, wenn sie nicht lieber ganz
hätten gestrichen werden sollen. Nicht deutlich ist, aus
Welchem Grunde Vf. auf Register verzichtete. Das Fehlen
von Registern sowie der schwierige Stil, dessen sich Vf.
bedient, erschweren die Arbeit mit diesem Buch sehr.

Als Ergebnis formuliert Vf., es sei „die postmortale Läuterung
vor allem hinsichtlich der stoisch-heraklitischen
Seite ihrer Darstellung bei Klemens, als inneres Moment
fl|i dieser sich linear realisierenden Anastasis zu begreifen
und das Feuerpneuma als Medium der Konstituierung
jener GanzheitJichkeit des Subjektes auszufassen, in der
l*dfi Spur des. irdischen Leib-Seele-Zwiespaltcs endgültig
"''erwunden und somit ein wesenhafter Zustand erreicht

ist, welcher der ewigen Anapausis im Himmel adäquat ist".
Daraus wird nun ein weiterer Schluß gezogen, der Klemens
theologisch entschärft: „Somit erscheint auch die Feststellung
nicht unberechtigt, daß die ifdtnuati nivurttixij
. . . bei Klemens nicht schlechthin in krassem Gegensatz
steht zur biblischen äydataais rtjf aagxöt, daß es bei Klemens
kein bloß äußerliches Nebeneinander dieser beiden
Kennzeichnungen der Auferstehung gibt, da beide innerlich
kongruent sind, so sehr sie sich auch im äußeren
Aussagemodus unterscheiden" (S. 141 f.). Hier wird noch
einmal der Grundzug der ganzen Arbeit deutlieh, daß
Klemens in eine theologische Linie hineingezwungen wird.

Berlin Friedhehn Wlnkelmann

Kaczynski, Reiner: Das Wort Gottes in Liturgie und Alltag der
Gemeinden des Johannes Chrysostomus. Freiburg -Basel Wien:
Herder | 1974]. 432 S. gr. 8" = Preiburger theologische Studien,
hrsg. v. j. Vincke, A. Deissler, FL Riedlinger, 94. Kart. DM 7(1,- -

Ein für den protestantischen Beobachter nicht unwesentliches
Ergebnis des Vaticanum secundum ist die
durch die Konstitution über die hl. Liturgie angestrebte
stärkere Präsenz des Wortes Gottes sowohl in den gut!ex-
dienstlichen Feiern als auch im Alltag der Christen. Daß
damit nicht nur Anliegen der reformatorischen Kirchen in
den Konzilsdokumenten1 zumTragen kommen,sondern daß
- teilweise bis in die offiziellen Formulierungen hinein
die Konzilsväter sich noch weiter rückbesinnen, nicht zuletzt
auf Praxis und Bestrebungen des berühmtesten Predigers
der Alten Kirche, des Presbyters in Antiochien und
Bischofs der Kaiserstadt Konstantinopel Joannes Chry-
sostomos (gest. 407 auf dem Weg in seine zweite Verbannung
), wird einem bei der Lektüre dieser bei Balthasar
Fischer in Trier entstandenen Dissertation sehr klar demonstriert
. Es ist noch oder gerade heute wieder von Gewinn
, im Detail zu sehen, wie der „wahrhaft große" Chry-
sostomos, der „Bibelmann" (Harnack), versuchte, in der
verwirrenden Polyphonie der vielgestaltigen und von tiefen
Rissen durchzogenen spätant iken Gesellschaft der beiden
Metropolen dem Worte Gottes Geltung zu verschaffen
.

Das Thema wird in seiner ersten Hälfte in großer Gründlichkeit
im zweiten, dem umfangreichsten Kapitel der
Dissertation (S. 63-309) entfaltet, wo die Aussagen des
„Goldmundes" über das Wort Gottes im Gemeindegottesdienst
(als Schriftlesung, Psalmodie, Homilie) untersucht
werden. Das dritte Kapitel (S. 310-398) ist den Bestrebungen
des Kirchenvaters gewidmet, dem Worte Gottes auch
außerhalb des Gottesdienstes Heimstatt zu verschaffen.
Vorgespannt ist mit dem ersten Kapitel (S. 24-62) eine
verhältnismäßig kurze Erörterung über das „Wort Gottes
im theologischen Verständnis" des Chrysostomos. Es wird
deutlich, welche wichtige Rolle auch in dieser Hinsicht der
für das gesamte Werk dieses Kirchenvaters zentrale Begriff
der (jvyxitrdßttntf, der „Herablassung" Gottes spielt.
In diesem Begriff ist für jeden Christen die Möglichkeit
beschlossen, Zugang zum Wort Gottes zu finden, was
gegenüber den mehr elitären Zügen im alexandrinischen
Schriftverständnis geradezu reformatorisch wirkt. Die für
Joannes selbstverständliche Zusammengehörigkeit von
Altem und Neuem Testament (neben der Interpretationshilfe
der uvyxatdßica/i schimmert auch das Schema der
Erhebung von den «irrf-f/r« zu den y»t)tddurah) ist Grundlage
für die Abweisung häretischer, in Antiochien speziell
der traditionsreichen judaisierenden Bestrebungen2.
Besonders beeindruckend und die Dynamik des Gottes-
wortes erweisend ist das Bestreben des Predigers adäquate
Bilder zur besseren Applikation zu finden. Dabei
aber läßt sich Chrysostomos nicht hinreißen, sondern
kennt auch hier das Prinzip der äxoißmn, der Sorgfältigst
und Genauigkeit, durch welche die kleinsten Einzel-