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Ausgabe:

1977

Spalte:

207-208

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Der Physiologus nach der ersten Redaktion 1977

Rezensent:

Treu, Ursula

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Seite 1

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207

Theologisohe Literaturzeitirng 102. Jahrgang 1077 Nr.3

208

Bemühen des Vf.s um klai'c Gedankenführung und verständlichen
Stil ebenso überzeugend gelingt wie in dieser
Arbeit.

Mttneter-Amelsbttren Alfred Suhl

KIRCH ENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Kaimakis, Dinntris [Hrsg.]: Der Physiologus nach der ersten

Redaktion. Meisenheim/Glan: Hain 1974. IV, 170a und b S.
23: 30 cm = Beitrage zur klassischen Philologie, hrsg. v. E.
Heitsoh, R. Mcrkolbach u. C. Zintzen, C3. DM 45,—.

Unter dem Namen „Physiologus" versieht man eine
Sammlung von 48 griechischen Tiergeschichten, genauer
gesagt, Eigenarten von Tieren (physeis), an die sich, jeweils
eine christliche Deutung anschließt. Der „Naturkundige"
ist nur die in fast jedem Kapitel zitierte Quelle der Erzählung
, dem eigentlichen, uns unbekannten Autor liegt
mehr an der theologischen Auslegung. Die Tiergeschichten
(es gibt auch einige von Pflanzen und sogar von Steinen)
kommen aus dem griechischen, syrischen, selbst indischen
Bereich (z. B. die vom Elefanten), ganz besonders aber aus
Ägypten. Dort ist das Büchlein wohl auch entstanden.
Freilich ist der Ort der Entstehung ebenso umstritten wie
die Zeit. Schon F. Laudiert (Geschichte des Physiologus,
Straßburg 1889, S. 65) will es vor 140 entstanden sein lassen
. V. Sbordone, dem wir die kritische Ausgabe verdanken
(Physiologus, Mailand Genua-Neapel 1936), setzt die
Entstehung in die Nähe der Evangelien. Andererseits ist
eine sehr späte Datierung (nach 385: RGG s. v. Physiologus
) ganz indiskutabel. Am wahrscheinlichsten ist das
späte 2. Jahrhundert. Die Theologie des Physiologus.
wenn man sie so nennen darf, deutet auf frühes Entstehen,
doch ist der neutestamentliche Kanon vorauszusetzen.
Das Büchlein war sehr beliebt und wurde schon zeitig
übersetzt, lateinisch, syrisch (mindestens zweimal), koptisch
, äthiopisch, armenisch, georgisch, der lateinische
Text wurde zur Grundlage; der mittelalterlichen Bestia-
rien.

Die vorliegende Arbeil w ill hellen, die schwierige Über-
lieferungsgeschichte leichter verständlich zu machen. Wie
der Autor einleitend sag). handelt es sieh um einen
„Gebrauchstcxf: jeder Kopist nahm für sich das Hecht in
Anspruch, wegzulassen oder hinzuzusetzen, was er für
richt ig hielt". Die Zusät ze sind nur in wenigen Fällen deutlich
, gekennzeichnet. Das theologische Denken des Physiologus
insgesamt, sein freier Sprachgebrauch (z. B. vom
Adler 1,1 lff.; vom Einhorn 22,IS) mußte Anstoß erregen,
so wurde der Text an vielen Stellen orthodox verschönt
oder doch umgebaut; die Prädikationen wurden durch
liturgische Formeln erweitert.

Der Physiologus umfaßt in der ersten Redaktion 48
Kapitel, doch bieten einige Eandschriften auch zusätzliche
Kapitel. Daneben gibt es zwei spätere Redaktionen
von größerem Umfang aus byzantinischer Zeit. Der Text
ist in zahlreichen Hss. überliefert, allein Sbordone hat 77
benutzt, aber vollständige Kopien sind selten. Die Hss.
der 1. Redaktion sind von Sbordone in 4 „Klassen" eingeteilt
. Er hat die (vollständige) Hs. A (Parisinus gr. 2426)
seiner Ausgabe zugrunde gelegt. K. hat sich ihm angeschlossen
, teilt aber die Hss. in fünf Gruppen, von denen
die erste aus der wiedergefundenen Iis. G (Pierpont Morgan
Ms. 397, olim Cryptoferratensis A 33) besteht, die
Sbordone nicht zur Verfügung stand. Diese Hs. G und die
Hss. M r (die 2. Gruppe) hat D. Offermanns 1966 in
parallelen Spalten ediert (Der Physiologus nach den Hss.
< I und M, Meisenheim 1966).

Die anderen drei Gruppen gibt K. in drei parallelen
Spalten wieder, zuerst- die 11ss. 1' a s, dann VV 0 (diese
Gruppe legte Lauehert seiner Ausgabe zugrunde), dann

AI A ff fr. Für das Stcmma der verwendeten Hss. muß
man allerdings Sbordone heranziehen. Eine vierte Spalte
enthält die im Text zitierten Bibelstellen. Das hierdurch
notwendige Querformat macht das Puch nicht gerade
handlich, läßt aber die parallelen Texte und auch die zahlreichen
Abweichungen deutlieh hervortreten. Es zeigt
sich, daß man zu einem „ursprünglichen" Text- kaum vordringen
kann. Selbst die Verwandtschaft der Hss. ein und
derselben Gruppe ist oft fraglich.

Die biblischen Zitate sind durchweg gewissenhaft verzeichnet
. Im Anhang bietet ein Register die Bibelstellen
und die Zitate christlicher und nicht-christlicher Autoren.
Unentbehrlich, ist die Obersicht über die Reihenfolge der
Kapitel in den Hss. (S. 149 f.): da wird mit einein Blick
deutlich, wie unterschiedlich die einzelnen Kapitel in den
11ss. auftreten. In einem zweiten Anhang finden sieh Interpretationen
einzelner Kapitel und Kommentare zu einzelnen
Stellen, in denen sich derAutormil heidnischer und
christlicher Allegorese beschält igt-.

Die-seit langem vergriffene Ausgabe von Sbordone w ird
leider durch diese Edition nicht ersetzt, selbst wenn man
die Teilausgabe von Offermanns hinzunimmt . Man kommt
doch wieder darauf zurück, nur Einzeltexte abzudrucken,
wie es M. Goldstaub (Der Physiologus und seine Weiterbildung
. . ., Philologus Suppl. S, 1900, S. 34«.)) und schon
früher F. Lauehert (Byzanl in. Zeit sehr. 8, 1899, 5101.) für
richtig hielten. Einen wichtigen Beitrag hierzu leistet die
vorliegende Arbeit.

Berlin ünal& Treu

Schinöle, Klaas: Läuterung nach dem Tode und pneumatische Auferstehung
bei Klemens von Alexandrien. Münster/W.: Aschen -
dorff [1974 ]. VI EI, 152 8. gr. 8° = Münstcrischo Beiträge zur
Theologie, lirsg. v. B. Kötting II. J. Ratziuger, 38. Kart.
DM38,—.

Klemens steht am Beginn wissenschart lieher Theologie.
Seine Bemühung um eine Verbindung biblischer Aussagen
mit einzelnen Elementen des philosophischen Denkens
seiner Zeit haben noch kein abgeschlossenes theologisches
System erbracht. Erschwert wird uns die Erforschung seiner
Vorstellungen noch durch seine literarische Methode
und die nicht- vollständige Uberlieferung seines literarischen
Sehallens. Daß sie Schwierigkeiten bei ihm aber
noch deutlieh zu erkennen sind und die Vielschichtigkeit
nicht- verwischt ist-, reizt gerade zu einer Beschäftigung
mit- ihm.

Vorliegende Arbeit, eine, kat holisch theologische Dissertation
, ist durch das I ntcresse an der altkirchlichen Eschs
tologic veranlaßt, geht also von einer übergeordneten
theologischen Problematik aus. Klemens widmet sie sich,
weil bei ihm der Prozeß des Nachlassens biblischer End-
orwartung und andererseits der Verarbeitung eschatologi-
seher Vorstellungen aus den verschiedenen philosopni
sehen, und religiösen Systemen gut-zu beobachten ist. Im
Mittelpunkt der Arbeit- steht jedoch nur ein Teilproblem
der kleinen!mischen lischatologie, nämlich die Untersuchung
des Motivs der postmortalen Läuterung durch
Feuer.

Da man nach Schmöles Meinung bei einer analyt ischen
Forschung „allenfalls im Nachhinein zu einer passenden
Synthese" käme, bevorzugt- er eine verbreitete, aber nicht
genügend zuverlässige Methode. Ersucht „von vornhinein
in einer Überschau des Ganzen eine theologisch systematische
Leitlinie", „die dann konsequent verfolgt- und am
Detail der zur Debatte stehenden Texte verifizier! werden
muß. Als eine solche Leitlinie bietet sich der im Schrifttum
des Klemens äußerst weit gefaßte! Begriff der ifdntuut
an, der zwar zahlenmäßig nicht sehr häufig auftritt, sieh
aber bei Klemens auf ein außergewöhnlich weitgesteektes