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Ausgabe:

1977

Spalte:

175-179

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Rogge, Joachim

Titel/Untertitel:

Theologische Versuche; V. u. VI. 1977

Rezensent:

Haufe, Günter

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Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. .'i

170

ALLGEMEINES, FESTSCHRIFTEN

Rogge, Joachim, u. Gottfried Schille [Hrsg.]: Theologische Versuche
, V u. VI. Berlin: Evang. Verlagsanstalt 1975. 200 u. 274 S.
gr. 8°. Kart, M 10,50 u. M 17,50. Ausland: M 18,50u. M 19,80.

Verlag und Herausgeber sind zu beglückwünschen, daß
nach längerer Pause gleich zwei weitere Bände der „Theologischen
Versuche" erscheinen konnten. Erneut machen
sie sichtbar, in welch vielgestaltiger und intensiver Form,
im Raum der DDR theologische Arbeit getrieben wird.

Band V bringt bibeltheologische, theologiegeschichtliche
und praktisch-theologische Untersuchungen, deren
Themen durchweg Beachtung und /.. T. sogar- besondere
Aufmerksamkeit verdienen. S. Wagn e r analysier! ,.( Mfen-
barungstheologische Elemente in den Bileam-Geschichten
von Numeri 22 24" (II 40). Ausgehend von der Tatsache,
daß hier ein nichtisraelitischer Zauberei total in den
Dienst der Jahwe-Proklamation genommen wird, verfolgt
W. die je besonderen offenbarungstheologischen Elemente
in der jahwistischen und in derelöhistischen Erzählkompo-
sition. In der ersten überwiegt die visionäre Dominante,
in der zweiten das auditionäre Geschehen in seiner allerdings
gebrochenen Verbindung zum kultischen Kontext. -
G. Baumbach entfaltet „Das Verständnis von eirene im
Neuen Testament" nach seinen Hauptzeugen Jesus, Paulus
und Johannes (33-52). Es zeigt, sich, daß eirene übereinstimmend
als eschatologische Gabe Gottes verstanden,
inhaltlieh aber bei .Jesus als die I Ieilsordnung der Zukunft,
bei Paulus als das schon gegenwärtig zugeeignete Heil und
bei Johannes als das Signum der oberen himmlischen Welt
bestimmt werden muß. Den Beitrag dieses Ergebnisses
zum heutigen Friedensverständnis versucht eine Seminarteilnehmerin
(E.-JV1. Reißmann) abschließend thetisch zu
entfalten. - Der inzwischen allzu früh verstorbene Delling-
Schüler .1.-('hr. v. K (Wichen geht in sorgfältiger Exegese
den drei Zitaten aus dem Moselied Deut 32 im Römerbrief
nach (53-69). Das Ergebnis: Paulus bleibt nirgends bei
dem vorchristlichen Sinn der Zitate stehen, sondern bezieht
sie zweimal auf das Verhältnis von Juden und Heiden
im Heilsplan Gottes (Rom lOf. u. 15) und einmal auf
das Gegenüber von Christen und Nichtchristen (Rom 12).

An der neuesten Theologiegeschichte orientiert ist der
Beitrag von G. Schille, der unter der Überschrift ,,Das
Recht des Schöpfers" die Wiederentdeckung der theologischen
Relevanz des Historischen in den exegetischen
Arbeiten E. Käsemanns verfolgt (71-82). Die religionsgeschichtliche
Frage verliert dadurch ihr Übergewicht, so
daß für das Festhalten am historischen und eschatologi-
schen Moment der Verkündigung Raum gewonnen wird. -
W. Gericke liefert eine interesante Untersuchung „Zur
Geschichte der deutschen Frühaufklärung'', indem et
Leben und Gedanken Matthias Knutzens, des ersten
Propagandisten des Atheismus auf deutschem Boden,
nachzeichnet. Wertvoll ist der Hinweis auf die verschiedenen
geistesgeschichtlichen und gesellschaftspolitischen
Vorbedingungen dieses Phänomens, vor allem aber der
Nachweis, daß der von Knutzen vertretene radikale Gegensatz
von Offenbarung und Vernunft ganz wesentlich aus
der Rezeption der Tradition des antiken Christengegners
Oelsas hervorgegangen ist (83-108). - M. Jacob untersucht
die Lehre des II. Vaticanums von der Vermittlung
der göttlichen Offenbarung (109-138). Dies geschieht so,
daß er das vorliegende Problem zunächst in seiner geschichtlichen
Herkunft, in seiner dogmatischen Bestimmung
und in seiner ökumenischen Beziehung reflektiert,
um dann die grundlegenden einzelnen Begriffe von Dei
Verbum c II nach ihrer eigenen Bedeutung und ihrer Beziehung
untereinander zu exegesieren. Abschießend wird
der Kompromißeharakter der Konstitution betont, der in
seinen positiven Möglichkeiten erst noch entfaltet werden

muß. - J. Hempel müht sich anlegend und hilfreich um
Bonhoeffers Grundanliegen, nämlich eine Theologie unter
den Bedingungen von „Säkularisation und Verheißung"
(139-158). Wie sie aussehen müßte, wird an Bonhoeffers
Christologie gezeigt, deren Besonderes II. darin sieht, daß
sie von der verborgenen, aber realen Gegenwart des Gekreuzigten
und Auferstandenen in der Weltwirklichkeil
überzeugt ist. H. gelangt so zu der provozierendem These :
„Gott ist zwischen uns". .). Klaer beschält igt sich mit
„Descartes' Gottesbeweis" (159-174). Er zeigt, wie für
Descartes dem denkenden Ich die Idee des Unendlichen
und damit Gottes gegeben ist. Indem sich darin das Unendliche
selbst bekundet, liegt hier kein eigenmächtiger
Akt des Ich vor, so daß K. Barths Einwände gegen Des
cartes hinfällig sind. Theologisch gehört ein solcher Gottes
beweis in die Anthropologie und w eck! die Frage, ob dieser
Unendlichkeitsbezug im denkenden Ich nicht der Platz
halter des Wortes Gottes ist. mit dem sieh Gotf seinem
Geschöpf voll zuwendet. - G.K ruschc schreibt poinl ierl
über „Die theologische Relevanz der Situation für die
Verkündigung des Evangeliums" (175-184). Der informierte
Leser entdeckt freilieh, dal.! es sich lediglich um die
geringfügig Überarbeitete Fassung eines gleichnamigen
Aufsatzes handelt, den der Vf. bereits in ZdZ 1972. EL 5,
S. 171 ff. publiziert hat. War das den Herausgebern unbekannt
'. Fatal ist zumindest, daß auf diese Erstveröffentlichung
nicht verwiesen wird.

Die praktisch -theologischen Beit räge eröffnet I. Becke r
dankenswerterweise mit einem heute immer dringlicher
werdenden Thema : ..Alleinstehende'- (185 195). Differcn
zierte soziologische und psychologische Beobachtungen
führen zu der Einsicht, daß die christliehe Gemeinde das
hier vorliegende Faktum entweder noch gar nicht wahrnimmt
oder ihm fast völlig unvorbereitet begegnet. Vor
allem gilt es zu lernen, daß eine einseitige Erziehung auf
Ehe und Elternschaft hin der Welt von morgen nicht mehr
gerecht wird. - Hilfreich für die homiletisch-katechetis.ihe
Bewältigung mythologischer und legendärer Bibeltexte ist
E. Winklers Beitrag: „Parabolische Auslegung als praktisch
-theologische Methode" (197-211). Einsetzend mit
auslegungsgeschichtlichen Beobachtungen zum mehrfachen
Schriftsinn greift W. einerseits die von der modernen
Theologie vertretene Unterscheidung von Gesagtem
und Gemeintem, andrerseits die von ihr erkannte Bedeutung
symbolischer Redeform auf, um so die parabolische
Methode, die nach der Intention des Autors fragt, als
legitime Form der Verkündigung zu erweisen. Kommentierte
Predigtbeispiele und nachfolgende didaktisch-
methodische Konsecpienzen präzisieren das Programm. -
„ Bemerkungen zum Problem der Verst ändlichkeit gottesdienstlicher
Lesungen" legt II. Hoffmann vor (213-223).
Auf einen knappen Überblick über Tendenzen vergangener
und gegenwärtiger Kritik folgt eine Analyse der „Unver-
s( ändlichkeit" traditionelle!' Lesungen, der sieh Überlegungen
zur künftigen Behandlung des Problems an
sehließen. H. dringt einerseits auf eine Revision der Peri-
kopenordnung und warnt andrerseits vor leichtfertiger
Preisgabe der Luther-Übersetzung namentlich bei Wun
derberichten, zentralen Begriffen und geprägtem Spruch
gut. - K.-H. Bieritz teilt 13 Variationen zum „Unbeha
gen am Gottesdienst" mit (225-244). Tiefste Ursache des
Ünbehagens ist die vielfache Überforderung, des Gottesdienstes
. Daraus folgt für B. die Notwendigkeit, den ( k>l
tesdienst in seine alltagsbezogcncn Grundbestandteile aufzulösen
, ihn durch eine Vielfalt pluriformer Veranstaltungen
und Handlungen zu ersetzen, zu der auch eine monatliche
Gemeinde Vollversammlung gehört, und endlich die
Bauplanung auf Differenziertheit hin anzulegen. - H.
Falcke äußert sieh „Zum Problem der kirchlichen Bestattung
" (245-260). Unter Aufnahme der Kritik R. Bob
rens und Betonung der faktisch erfolgten Privatisierung
der Beerdigung wendet sich F. kritisch gegen die Volks-