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Ausgabe:

1976

Spalte:

153-155

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Grimm, Werner

Titel/Untertitel:

Weil ich dich lieb habe 1976

Rezensent:

Grimm, Werner

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153

Theologische Literaturzeitung 101. Jahrgang 1976 Nr. 2

154

dessen Namen sie zu üben ist", und damit als „heilige
Gewalt", die deswegen „eigenberechtigte Gewalt" ist,
„weil Christus sie seiner Kirche zu eigen gegeben hat"
(8.141).

Im ganzen läßt sich vom Standpunkt des protestantischen
Leseis dieser Abhandlung über die eigenbereeh-
tigtc Gewalt der katholischen Kirche sagen, daß in ihr
Gedanken ZU finden sind, die auch für die protestantische
Ekklesiologie fruchtbar gemacht werden können,
und daß sie einen interessanten Beitrag zur Geschichte
'les Verhältnisses von Staat und Kirche von den Anfängen
bis zur Gegenwart darstellt.

Erlangen Hans Lirrmunn

Hecke), Johannes: Lex Charitalis. Eino juristische Untersuchung
über das Recht in der Theologie Martin Luthers.
2., überarb. u. erweiterte Aufl. Hrsg. v. M.Heckel. Köln-
Wien: Böhlau 1973. XVI, 473 S. gr. 8°. Lw. DM 32,—.

Die erste Auflage dieser wichtigen Untersuchung

wurde vom Rezensenten in ThLZ 79, 1954, 692-694 besprochen
. Das Werk ist „in der vorliegenden Neuauflage
in seinem Text unverändert geblieben. Ergänzt wurde
der Quellenapparat durch die teilweise umfangreichen
Nachträge des Autors von letzter Hand". Außerdem
sind einige ergänzende Arbeiten des Autors beigefügt
worden; nämlich die Abhandlung „Im Irrgarten der
Zwei-Reiche-Lehre Luthers", die 1957 im Heft 55 der
„Theologischen Existenz heute" erschien, der Aufsatz
,. Kirche und Kirchenrecht nach der Zwei-Reiche Lehre",
1902 als Letztes Werk J.Heckeis in der Kanonistischen
Abteilung der Savigny-Zeitschrift für Rechtsgeschichte
veröffentlicht, und der Lexikonartikel „Die Entfaltung
der Zwei-Reiche-Lehre als Reichs- und Regimenten-
lehre", Ev. Kirchenlexikon 1959, sowie zwei knappe
Selbstanzeigen des Verfassers. Umfangreiche Register
verhelfen dem Benutzer zu einer schnellen Orientierung.
Den Herausgebern gebührt aufrichtiger Dank für ihre
entsagungsvolle Arbeit.

Halle/Saale Erdmann Schott

REFERATE ÜBER THEOLOGISCHE DISSERTATIONEN IN MASCHINENSCHRIFT

Grimm, Werner: Weil ich dich lieb habe. Der Einfluß der
deuterojesajanischen Prophetie auf die Botschaft Jesu.
Diss. Tübingen 1973. 361 S.

Ein zufälliger exegetischer Fund bewog mich, die in
der neutestamentlichen Wissenschaft schon oft gestellte
Frage, ob die Gottesknechtsaussagen Deuterojesajas in
der synoptischen Logientradition (und letztlich im Bewußtsein
Jesu selbst!) ihren Niederschlag gefunden haben
, aufs neue zu stellen : Jes 43,3ff (und nicht in erster
Linie Jes 53!)- entdeckte ich - ist der alttestamentliche
Hintergrund von Mk 10,45, dem Lösegeldwort.

Das Lösegeldwort stand stets im Mittelpunkt der
Diskussion um den Einfluß der Gottesknechtsüberlieferungen
auf die Verkündigung Jesu. An ihm scheiden
sich die Geister, je nachdem, ob sie in ihm Jes 53,10ff
wiedererkannten oder nicht.

Macht man sich diesen Sachverhalt bewußt, bedenkt
man also den hohen Stellenwert des Lösegeldwortes in
der Ebed-Jahwe-Fragc, dann wird es eine dringende
Aufgabe, eben dieser Frage im Lichte der neuen Erkenntnis
noch einmal nachzugehen. Dabei verschiebt
sich die Fragestellung: Ist nicht mehr eine Gottesknechtsstelle
im Sinne der historisch-kritischen Wissenschaft
der Hintergrund von Mk 10,45, sondern eine
dtjes. Stelle außerhalb der Gottesknechtsstücke, so wird
man den sprachlichen Vergleich der Jesusworte nicht
nur mit Gottesknechtsstellen im engen Sinne, sondern
mit der gesamten dtjes. Prophetie vollziehen. Dies Verfahren
erscheint auch deshalb gerechtfertigt, weil man
nicht, zumindest nicht von vornherein, damit rechnen
darf, daß Jesus die Ebed-Stücke Jes 42,lff; 49,1 ff;
50,4ff; 52,13ff isoliert von ihrem Kontext auf seine
Person und auf seine Zeit bezogen hat (eine derartige
Prämisse belastete, obwohl sie theoretisch oft verworfen
wurde, bis heute die Forschungsarbeit). Die modernen
Unterscheidungen der historisch-kritischen Bibelwissenschaft
kannte Jesus nicht.

Die Frage ist also nicht nur, ob und inwiefern Jesus als
Ebed Jahwe auftrat, sondern auch, ob und inwiefern er
die Verheißungen des zweiten Teils des Jesajabuch.es in
«einer Zeit und in seiner Person in Erfüllung gehen sah.

Um diese Frage zu beantworten, sind Sprache und
Inhalt der uns überlieferten Worte Jesu mit Sprache und
Inhalt deulerojesajaniseher Worte ( = verheißende Worte
des zweiten Teils des Jesajabuches) zu vergleichen.

Es stellt sich heraus, daß Dtjes auf sehr viele Jesusworte
in Sprache und Sache eingewirkt hat; überraschende
und theologisch bedeutsame Neuentdeckungen
scheinen mir neben Mk 10,45 Jes 43,3ff.22ff vor
allem Lk 10,23f par. h> Jes 52,13ff; Mt ll,25f par. ->
Jes 29,14; 44,24ff; Mk 3,28f r+ Jes 63,8-11; Lk 14,16ff
-> Jes 35,5f; 61,1 f zu sein. Daneben verdient der häufige
und intensive Einfluß von Jes 61,1 ff nicht nur auf die
Art und Weise der Verkündigung und des Auftretens
Jesu und auf die deutende Rahmenarbeit der Evangelisten
, sondern auch auf die Worte Jesu selbst [IjXltov-
Worte; Makarismen der Bergpredigt? Mt 11,5 par.;
Lk 13,16; 14,16ff u.a.) hervorgehoben zu werden.

Nicht nur der eine oder andere Zug der Jesusverkündigung
, sondern ihr Gesamttenor ist von Deutero-
jesaja bestimmt. Der uneingeschränkte Heilscharakter
der Botschaft Jesu erklärt sich daraus, daß Jesus die
dtjes. Texte als verbindlich für die Aufgabe des endzeitlichen
Gesandten Gottes erachtete und in ihnen Heil,
und nur Heil, angekündigt sah. Die großen Themen der
Verkündigung Jesu sind deuterojesajanisch: die Gottesherrschaft
, die Freudenbotschaft an die Armen, die Ent-
mäehtigung des Satans durch den messianischen Geistträger
, die Sündenvergebung aus reiner Gnade und vor
aller Buße, die Freude der Endzeit, der dienende und
stellvertretend sterbende Messias.

Die Ebed-Bezeichnung war als solche ganz gewiß
nicht entscheidend für Jesu Selbst Verständnis; nicht
von ungefähr fehlt sie in Jesus-Worten ganz. Doch war
die dtjes. Bot'schaft insgesamt grundlegend allerdings
für die endzeitliche Aufgabe Jesu und - wenn man will -
für seine Messianität. Diese läßt sich eher mit dtjes.
Kategorien beschreiben als mit solchen der traditionellen
jüdischen Messianologie davidischer oder mosaischer
Spielart : als Messianität der Liebe, des Dienstes am
Menschen und des Selbstopfers, des Freude- und Heil-
Schaffens. Ja, es kommt in verschiedenen dtjes. Jesusworten
zu ausgesprochenen Antithesen gegen landläufige
Messiaserwartungen (z.B. Mk 8,31 ff; 9,12b.31; 10,42-45
Mt ll,25f; Lk 10,23f; 14,16ff).

Es ist nicht so, daß Jesus, indem er an wesentlichen
Punkten seines Handelns und Verkündigens dtjes.
Prinzipien und Gedanken übernimmt, lediglich das atl.-
jiidisclie Erbe aktualisiert bzw. sich als Epigone
Deuterojesajas erweist; vielmehr macht gerade die nicht