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Ausgabe:

1976

Spalte:

150-151

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Feucht, Oscar E.

Titel/Untertitel:

Everyone a minister 1976

Rezensent:

Mendt, Dietrich

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Seite 1, Seite 2

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uo Theologische Literaturzeitung 101. Jahrgang i97f>Nr. 2 IM

bei uns kein vergleichbares Unternehmen, bei dem dieses
nicht auch irgendwie und in irgendwelchem Maße erst
rebt würde; aber nirgendwo wird dies so leidenschaftlich
und konsequent betrieben wie hier. Von einem
„Spannungsfeld war eben die Rede - das Programm
will also nicht die Situation zum Text machen. Aber hier
ist ständig im Blick, daß Verkündigung ein geschichtlicher
Vorgang ist. Der Hörer ist nicht wie ein Film, der
mit Wahrheiten über Gott belichtet wird, sondern er ist
Person, dessen Situationelles Sosein in die Wort-Begegnung
mit Gott eingebracht wird. Also: Wie sieht es
in der Welt aus, in der der Hörer lebt, wie in der Gesellschaft
, zu der er gehört (es ist fast ausschließlich von
Gegebenheiten und Problemen im Raum der BRD die
Rede), wie steht es in seiner Arbeitswelt, wie in der
Kirche, wie steht es mit seinen Gepflogenheiten, Erwartungen
, in seinem Denken und Reden? Die Situation
interessiert aber nicht nur um des Kommunikationsgeschehens
willen. Sie will ja nicht nur in unser Nachdenken
über die Predigtaufgabe einbezogen, sie soll auch
verändert werden. In vielen Beiträgen wird das Telos
des Evangeliums in der grundlegenden Veränderung dieser
Welt gesehen. Oft liegt der Ton darauf, daß die
Notwendigkeit gesellschaftlicher Veränderungen „nicht
länger mit einzelnen sozialkaritativen Aktivitäten
verdunkelt werden kann"; klar, daß dies auch den Christen
angeht. Man staunt nur, wie leicht die richtige Einsicht
, daß man hungernde, unterdrückte, gequälte
Menschen nicht mit billigem Himmelstrost abspeisen
darf, in ein „Evangelium" des gesellschaftlichen Engagements
und in eine „Eschatologie" umschlägt, nach der
wir, gegen 1 Kor 15,19, im wesentlichen oder gar allein
in diesem Leben auf Christum zu hoffen hätten. Das
eschatologische Defizit, gegen das sich in den Predigtstudien
selbst bereits Stimmen erheben (z.B. 11/2,29.
276.279), könnte darauf hinweisen, daß unterderhand
die Situation doch so etwas wie einen offenbarungstheologischen
Rang erhält, entgegen dem, was das
„Programm" eigentlich will. Von der „Situation" wäre
m.E. noch in einem anderen Sinne zu reden, als es die
Studien überwiegend tun. Uns hat nicht nur die Lage EU
interessieren, in der sich die Adressaten des Wortes
Gottes befinden. Gott selbst hat seine Geschichte, und
indem er mit uns Verbindung aufnimmt, bewirkt und
schafft er neue Situation. Wohlgemerkt: er verändert
nicht nur die Verhältnisse in dieser Welt, sondern stellt
«wischen sich und uns ein neues Gegenüber her. Noch
einen Schritl weiter: In .lestis Clinstii< kommt Gott
nicht nur in das Unsere, sondern er zieht uns auch in das
Seine. Man muß auch im eschatologischen Sinne von
„Sit uat ion" reden.

Gern träte man in hundert Kinzelerörterungen ein.
Dies ist nicht möglich. Zuviel Köpfe, zuviel Sinne. Zuviel
Kontrapunkte - schon in den Studien selbst. Zuviel
Skizzenhaftes, nur Angedeutetes. Daß Rez. an nicht
wenigen Stellen widersprechen würde, ist in dem eben
Gesagten bereits angedeutet. An vielen Stellen habe
ich - trotz aller subjektiv-ehrlichen Lernbereitschaft -
nicht herauszubekommen vermocht, was die Einfälle
und Ausführungen mit dem Text zu tun haben. Es kann
sein, daß man das Evangelium u.U. einmal gegen einen
bestimmten Text in Schutz nimmt (Beispiel: U/2,2ßßff).
Im Normalfall sollten wir uns den Texten stärker anvertrauen
, als dies in diesen Arbeiten zuweilen geschieht.
Aber dieser Satz würde, wenn er weiterhelfen sollte, umfangreiche
Winzeln ach weise erfordern; man kann es nur
M den Texten selber zeigen.

Ausdrücklich hingewiesen sei auf die instruktiven
Vorbemerkungen der Herausgeber: „Den Predigern
zum Augenmerk", liier werden interessante Beobachtungen
zum Wandel der geistlichen und theologischen
Situation der Bearbeiter selbst mitgeteilt.

„Das Dilemma unserer Perikopenreihen ' erörert
Christoph Härtels (Vr/2,17). Kr meint, man sollte unter
bestimmten (situationsgegebenen) Leitthemen neue
Textvorschläge erarbeiten. Solche Leitthemen könnten
nach Bartels sein: „Der Glaube wandelt sich", „Streit
über den Glauben ist normal", „Was ist Autorität?",
„Arbeit und Freizeit", „Politik und Gesellschaft", „Das
Ensemble der Opfer". An diesen Modell-Themen kann
man erkennen, wie verschiedener Meinung man über das
sein kann, was Situation ist, und darüber, was Gott uns
in seinem Wort zugedacht hat. Auf Bartels' Vorschläge
sind, wie erbeten, Antworten eingegangen (1/1 und 2),
u.a. ein hilfreicher Beitrag von Hans Martin Müller:
„Abschied vom Kirchenjahr?". Vom selben Autor findet
sich TI/2,11 ein Beitrag über „Die Autorität des Predigers
in pastoraltheologischer Sicht". Nicht übersehen
werden sollte, was Klaus Pfitzner - „nebenbei-herein"
an Grundsätzlichem zum biblischen Verständnis des
Wunders geschrieben hat (I/l,166f) und was es aus
Rene Leudesdorffs Stellungnahme zu einer Rundfunkpredigt
für die Rundfunkpredigt überhaupt an Einsichten
und Erfahrungen zu gewinnen gibt.

Ernst Langes „Meditation" über „Die Schwierigkeit,
Pfarrer zu sein" (11/1,14) ist ein Vermächtnis. Hier wird
unpathetisch, nüchtern, ehrlich und fröhlich von den
Unmöglichkeiten und Möglichkeiten dieses Berufs geredet
, exemplarisch darin, wie ernst auch hier die
Situation genommen wird. Wir wünschten uns freilich,
daß zu diesen nieist an der x-Achse, der Horizontalen,
ausgerichteten Erörterungen in stärkerem Maße solche
Überlegungen kämen, die in die Richtung der y-Achse
weisen. Gerade wenn wir ernst nehmen, was Lange hier
geschrieben hat, werden wir diesen Halt nötig haben.

Ia■ i |>ziir (lottf'rlcil Voigt

Keucht, Oscar E.: Everyone a Minister. A Guide to Church-
nianship: Kor Laity and Olergy. >St. Louis_lx>n<lon: Oon-
eordia Publishing House [1974]. 15« S. kl. 8°. $ —.95.

Das Taschenbuch von Oskar E.Feucht zeigt, daß die
Diskussion um den Amts- und Kirchenb-griff in Verbindung
mit fälligen Strukturwandlungen der Gemeinden
weder ein hiesiges noch ein europäisches Privileg ist.
Die Kirchen Amerikas sind von denselben Problemen
bewegt, um nicht zu sagen: geschüttelt, und der Verfasser
versucht in diesem kleinen Buch offensichtlich,
diese Probleme einem breiten Publikum zugänglich zu
machen (auch wenn sich das Buch im Untertitel ausdrücklich
an Laien und Pfarrer wendet!). Er tut das in
Verbindung mit einer klaren Konzeption, die lautet:
„Wiedergewinnung des allgemeinen Priestertums".
Darin sieht er den Weg geebnet zu einer situations-
bezogenen Gemeinde, die in der Lage ist, der Welt die
Hoffnung zurückzugeben, die diese Welt gerade heute so
nötig braucht (142). Man begegnet in der Ausführung
dieser Konzeption einer Reihe von bekannten Stichworten
: Mission als Ausdruck des ganzen, des täglichen
Lebens (15.29.80.90), Aktivität der Laien (112 und oft),
neue Rolle des Pfarrers als „Direktor für Mission" (137)
und als Multiplikator (9(5.110), Notwendigkeit von
Bibelstudium und Bibelgruppen (102f. und öfter), funktionsgerechte
Strukturen (122.132.146). Überraschend
sind für unsereinen höchstens die theologischen Kronzeugen
, die Feucht zitiert, weil man ihre Namen, von
Ausnahmen abgesehen (Hendrik Kraemer!), noch nie
gehört hat. Es wird also auch anderwärts an diesen Fragen
hart und fundiert gearbeitet, übrigens theoretisch