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Ausgabe:

1976

Spalte:

145-147

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Andersen, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Der herausgeforderte Glaube 1976

Rezensent:

Baier, Klaus A.

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Theologische Literaturzeitung 101. Jahrgang 1976 Nr. 2

146

wie du weißt, / daß's dein Geschöpf vorhin sein...
Lehr uns den Vater kennen wold, / dazu Jesum Christ,
seinen Sohn, / daß wir des Glaubens werden voll, / dich,
beider Geist, zu verstahn." (EKG 97,1.6: Veni creator
spiritus, Hrabanus Maurus, Luther).

Heidelberg Aibrwht Peters

Andersen, Wilhelm: Der herausgeforderte Glaube. Hin Beitrag
zur theoloziaohen (Jrundlagonbesinnung heute. Breklum:
Christian Jensen Verlag [1972]. 170 S. gr. 8°. Kart. DM 9,50.

„Der christliche Glaube", schreibt A. zu Beginn seiner
Ausführungen, „ist in jüngster Zeit immer stärker zu
einer umstrittenen Sache geworden" (5). Das sollte
man nicht beklagen -- wird dadurch doch wieder einmal
deutlich, daß der Glaube sich nicht von selbst versteht.
„Wo er sich ereignet, da ist einem Menschen etwas widerfahren
; da wird ein Prozeß eingeleitet, der weitreichende
Folgen hat" (5). Letztlich gefährdet ist der Glaube nicht
durch die vielen kritischen Anfragen, denen er heute
mehr denn je ausgesetzt ist, sondern erst dann, wenn er
sich nicht mehr auf seinen Ursprung und Grund zu besinnen
weiß. Das Buch von A. will als Beitrag zu einer
solchen notwendigen Grundlagenbesinnung (5) verstanden
werden: „Der Glaube läßt sich zwar nicht einsichtig
machen ... Aber wo immer er sich in der Geschichte
ereignet hat, oder heute ereignet, da waltet
kein blinder Zufall, sondern da hat das seinen Grund.
Und über diesen Grund kann und will der Glaube Auskunft
geben, auch wenn er ihn nicht ... allgemein-einsichtig
unter Beweis stellen kann" (6).

A. setzt mit seinen Überlegungen, die er als Nachdenken
des primären Handelns Gottes versteht (45),
beim Glauben ein. Es geht ihm dabei nicht um eine
„Phänomenologie des Glaubens", auch nicht um eine
Beschreibung frommer Gemütszustände oder um die
Entfaltung eines Glaubensbegriffs (7). Was mit
„Glauben" umschrieben wird, ist kein „Zustand",
sondern die reactio des Menschen auf die actio Gottes
(10). Ausgehend vom hebr. ,häämin', beschreibt A. den
Glauben als Antwort auf das ,amen' Gottes (lOff), als
das Sich-gefallen Lassen einer Treue und seines Ja zum
Menschen. Weil Gott an den Menschen glaubt, darum
ereignet sich Glauben beim Menschen (19).

Im NT bleibe diese Grundstruktur erhalten, wenn der
Glaube nun auch durch seine Bezogenheit auf die „Person
und die Geschichte Jesu ... entscheidend inhaltlich
gefüllt" (17) wird. Jesus wird als das „Amen Gottes"
(25) bezeichnet, weil er in seiner Person die Treue Gottes
, sein Ja zum Menschen verbürgt. Injhm hat sich
Gott „persönlich" zu Wort gemeldet; der im Wort Gottes
begründete Glaube wird daher als ein personales
Verhältnis bezeichnet, das durch Vertrauen, Liebe und
Hoffnung gekennzeichnet sei (27 ff).

„Die Bibel", damit eröffnet A. den zweiten Teil seiner
Darlegungen (46ff), „ist das greifbare Zeugnis dafür, daß
der lebendige Gott in unserer Welt zu Wort gekommen
ist und immer neu zu Wort kommen will" (46). Daher ist
sie das Buch, „mit dem und aus dem die Gemeinde lebt
und leben muß, wenn sie ihres Glaubens gewiß werden
soll" (49). Hinter diesem Satz verbirgt sich eine für die
Theologie als Wissenschaft grundlegende Entscheidung:
Ist die Bibel das Buch, mit dem die Gemeinde lebt, kann
sich die Theologie die Kriterien ihres Vorgehens nur von
der Bibel her geben lassen; ist sie das Buch, aus dem die
Gemeinde lebt, kann wissenschaftliche Theologie - die
Zeit, in der sie schreibt, bedenkend - nur dazu beitragen
wollen, daß sich der Inhalt der Bibel der Gemeinde

immer neu erschließt. Der Ort der wissenschaftlichen
Theologie ist daher die Gemeinde Jesu Christi (vgl.
108ff). Die Haltung der Theologie muß der der biblischen
Zeugen entsprechen. In dieser Bindung gelangt die
Theologie zur eigentlichen Freiheit. Unter diesem Gesichtspunkt
tritt A. nun in die Diskussion um das AT
und das NT, die Entstehung des Kanons, die historisch-
krit ische Forderung, das „herineneutische Problem" und
das Bekenntnis ein. Dabei setzt er sich mit einet ganzen
Reihe von Theologen auseinander, wobei aber die
Hauptgesprächspartner P.Althaus, G.Ebeling und vor
allem immer wieder K.Barth sind; der letztere hat
A.s Denken besonders beeinflußt. Mit ihm betont er
auch, daß die „Mitte der Schrift", also ihr durchgehender
Skopus, nicht eine „Lehre" ist, sondern „niemand
anders als der dreieinige Gott selber in seiner Hinwendung
zum Menschen und zur Welt" (111).

Das wird nun im 3. u. 4.Teil des Buchs, in denen A.
über „Offenbarung" und „Gott" handelt, noch deutlicher
. Auszugehen sei nicht von einem Offenbarungsbegriff
, und sei er noch so „christlich", sondern von der
geschehenen und geschehenden Hinwendung Gottes
zum Menschen und zur Welt in seinem Wort. Was in der
Bibel mit dem Wort „Offenbarung" gemeint ist, ist
„eine von Gott ausgehende und in ihm allein begründete
Aktivität, in der er sich zur Verherrlichung seiner selbst
in Raum und Zeit dem Menschen und der Welt- aus
Liebe erschließt, und mitteilt" (131). Sie ergeht in
seinem „Reden, Handeln und Kommen" (139). Durch
diese dreifache Umschreibung der actio Dei versucht A.
einer einseitigen Worthaftigkeit ebenso zu entgehen wie
dem Reden von Heilstatsachen oder dem Versuch, im
Kommen Gottes das Wesentliche der Offenbarung zu
entdecken. „Wir wollen ... nicht auf einen Kompromiß
zwischen diesen verschiedenen Tendenzen hinaus, sondern
zu zeigen versuchen, daß die verschiedenen Wesensbestimmungen
zusammen gehören und sich gegenseitig
fordern und ergänzen" (141). Das dreifache „Wider-
fahrnis" Gottes als dessen, der redet, handelt und
kommt, drängt zu einer dreifachen Einkreisung des
Themas „Offenbarung". Von daher werden die Predigt
als in Hoffnung auf das Sich-ereignen des Redens
Gottes im menschlichen Wort geschehene Verkündigung
, die Taufe, die G~ftes Handeln am Menschen
„dokumentiert" v*58(, I das Abendmahl, das als
,,,Zeichen' und Vorwegnal'me" des Kommens Gottes
verstanden wird (159), als Weisen der Offenbarung
Gottes heute einsehbar.

Damit kommt A. zum Ziel seiner Ausführungen. Die
dreifache Weise, in der Gott begegnet, hat ihren Ursprung
im „dreieinigen Gott" (170) selbst. Darum ist der
„Ursprung des Glaubens" Gott der Vater, der Sohn, der
Heilige Geist, der als Schöpfer, Versöhner und Erlöser als
der Eine in der Vergangenheit gehandelt hat, heute
handelt und zukünftig handeln wird.

A. hat mit diesem Buch eine in sich geschlossene und
schlüssige Arbeit vorgelegt, die die integrierende Kraft
einer am dreifaltigen Gott orientierten Theologie unter
Beweis stellt. Sie verhilft dazu, seine anderen Schriften
in ihrem Anliegen besser zu verstehen, und widerlegt
den mancherorts gegen ihn erhobenen Vorwurf des
„trinitätstheologischen Schematismus" (vgl. etwa P. G.
Aring, Kirche als Ereignis, 17ff oder W.Krötke, Das
Problem ,Gesetz und Evangeliuni' bei W. Eiert und
P. Althaus, 36f). Sein Ansatz ist dazu geeignet, auseinanderstrebende
Richtungen in der Theologie zusammenzubinden
. Sein Urteil über sie fällt A. nach dem
Kriterium, ob sie der Bewegung Gottes hin zum Menschen
und zur Welt gerecht werden; daher ist es ihm
möglich, verschiedene Intentionen zu verstehen und
positiv aufzunehmen.