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Ausgabe:

1976

Spalte:

123-127

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Grundmann, Walter

Titel/Untertitel:

Der Brief des Judas und der zweite Brief des Petrus 1976

Rezensent:

Trilling, Wolfgang

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Theologische Literaturzeitung 101. Jahrgang 1976 Nr. 2

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Leider blieben einige schwerer zugängliche Titel
unberücksichtigt, die man in einer Monographie, die die
„Parabeltheorie" und das „Messiasgeheimnis" voneinander
trennen will, zumal es sich um ein begrenztes
Thema handelt, erwarten darf: Es fehlen u.a. die seit
Anfang der sechziger Jahre in den USA sich häufenden,
als Mikrofilm und Xerographie zugänglichen Dissertationen
zum „Messiasgeheimnis" (so vor allem die
Arbeiten von J.L. Clark, Yale University 1962 und
E.Guerra, Union Theol. Sem. 1967) und auch skandinavische
Titel, deren Heranziehung der dieser Sprachen
nicht Kundige in der Arbeit eines finnischen Exegeten
gerne gesehen hätte (so der Aufsatz von E.Percy in SEA
17, 1952, 47-67 zum „Messiasgeheimnis" im MkEv und
der Aufsatz von B.Wiberg in DTT 21, 1958, 16-32 zum
Gedanken der Verstockung in den Evangelien; der auch
zum Thema des „Messiasgeheimnisses" von dem ausgewiesenen
Markus-Forscher H.Simonsen erschienene
Aufsatz in SEA 37/38, 1972/73, 107-124 konnte wohl
nicht mehr benutzt werden).

Der fleißige Autor, von dem in den letzten Jahren
gleich drei Bücher in der ThLZ vorgestellt wurden (95,
1970 Sp.506f.; 98,1973 Sp.264ff.; 99,1974 Sp.338ff.),
hat trotz der geäußerten Bedenken wieder eine anregende
Monographie verfaßt, deren kritischen Anfragen
es sich zu stellen lohnt.

Corrigenda: Abgesehen von unbedeutenden Druckfehlern
(z.B. S. 15 Anm.35) fiel dem Rez. als störend auf: An zwei
Stellen ist der griechische Text ausgefallen (S.60 Anm.42
scheint hier auch sachlich nicht richtig zu sein; S. 120 Anm. Iii
ist nrt(>aß<)'/.ai zu ergänzen). S. 15, Z.5 ist die Stellenangabe
„Joh 7,16" in „Joh 7,26" und S.102 Anm.41 die Seitenangabe
„67" in „167" zu verbessern. Das Zitat auf S.49, Z. 13f muß
richtig lauten: „eine Wendung urchristlicher Verkündigungsterminologie
". Die Behauptung auf S. 104 bei Anm. 51 ist eine
vorschnelle Schlußfolgerung aus dem dort zitierten Buch. Gelegentlich
wird die deutsche Sprache nicht richtig verwendet:
vor allem muß es S.98, Z.4 v.u. „Auf alle Fälle" statt „In
allen Fällen" heißen (im ganzen gesehen ist aber das Buch in
gutem Deutsch geschrieben). Zum Literaturverzeichnis: Viele
Bücher sind in einer veralteten Auflage zitiert, z.B. das
Wörterbuch von W.Bauer, der Mk-Kommentar von V.Taylor,
die „Abendmahlsworte" von Joach. Jeremias und M.Black's
„Aramaic Approach to the Gospels and Acts". Daß der Aufsatz
von K. Weinholt Petersen (Messiashemmelighed og lignelses-
forkyndelse i Markusevangeliet) in DTT 30, 1967, 1-25 speziell
das Thema des Buches betrifft, ist nicht zu erkennen, weil die
S.29 Anm. 3 u.ö. zitierte Untersuchung im Lit.-Verz. fehlt und
damit auch der Titel des Aufsatzes.

Heidelberg ffana-Wolfgang Kuhn

Grundmann, Walter: Der Brief des Judas und der zweite Brief
des Petrus. Berlin: Evang. Verlagsanstalt 1974. XIV, I2<>S.
gr. 8° = Theologischer Handkommentar zum Neuen Testament
, hrsg. v. E.Fascher, XV. Lw. M9,80; Ausland M12___

Die Kommentierung dieser beiden Briefe gehört nicht
zu den reizvollsten Aufgaben eines Exegeten. Auch heute
noch gilt das von Walter Grund mann angeführte Urteil
des Eusebius, daß „nur wenige der Alten" ihrer, d.h. des
Judas- und - allerdings des Jakobusbriefes, gedacht
hätten (S.21). Die Benutzer des „Theologischen Hand-
kommentars zum NT" werden es Grundmann besonders
zu danken wissen, daß er sich dieser Briefe in einer
kenntnisreichen und sorgfältigen Erläuterung angenommen
hat.

Das Interesse an diesen Dokumenten hat sich in den
letzten Jahren von dein vergleichsweise mageren [nhall
und ihrem (teilweise peinlich wirkenden) Beitrag zur ntl.
Botschaft stärker auf kirchengeschichtliche und funda-
inental-ekklesiologischc Kragen verlagert ! das Glaubens

Verständnis als Überlieferung, die Herausbildung einer
„Norm des Apostolischen" für die wahre Lehre, Ansätze
einer ntl. Kanonsbildung (mit den kritischen Fragen zur
„Sache des Evangeliums", die gerade diese Briefe aufgeben
), Kriterien eines Auslegungsprinzips und - damit
verbunden das Problem nach den Trägern der Überlieferung
, die wachsende Autorität des Petrus (und
Paulus), die Bewertung der biblischen Pseudepigraphie.
Diese und verwandte Fragen spricht Grund mann in seine
Einführung in beide Briefe „Zur geschichtlichen und
theologischen Voraussetzung für den Judas- und 2. Petrusbrief
" bemerkenswert offen und kritisch an (S. 1-8).
Besonders mit den Kommentaren von K. H. Schelkle,
Die Petrusbriefe. Der Judasbrief (HThK XIII/2), Frei
bürg 1961, und von N.Brox, Die Pastoralbriefe (RNT
7/2), Regensburg 1969, ist auch das neue Werk von
Grundmann im Zuge der Bemühungen zu sehen, sachgemäße
Regeln für die Auslegung der ntl. Spätschriften
zu entwickeln. Es sei gestattet, vornehmlich auf solche
Fragen einzugehen.

Grundmann bemüht sich, aufs Ganze gesehen, die
Briefe als legitime Ausdrucksformen des ntl.
Kerygma zu verstehen und zu erläutern. In dem Exkurs
„Ausdrucks- und Denkweise in 2Petr 1,1-11" wird etwa
gesagt: „Was Philo für das Judentum getan hatte, die
individualisierende Übersetzung des israelitischen Gottesglaubens
und seiner Gesetzesfrömmigkeit in das helle
nistische Denken mit Hilfe der israelitischen Weisheitstheologie
, das wird für den Bereich des christlichen
Glaubens in der einleitenden Konzeption des 2. Petrusbriefes
getan" (S.77).

Das Bemühen um den Zusammenhang mit dein ntl.
Kerygma insgesamt und um die Legitimität dieser
(„hellenisierten") Sonderform dominiert im Auslegung
duktus - trotz etlicher Passagen, an denen Grundmann
auf sachliche Verschiebungen im Aussagegehalt aufmerksam
macht. Solche Stellen sind allerdings besonders interessant
, weil an ihnen grundsätzliche Fragen zur Auslegung
ntl. Spätschriften deutlich werden können.

Schwierigkeiten, die sich dabei einstellen, seien an
einem Beispiel, den Folgerungen, die Grundmann aus
2Petr l,9f zieht, etwas verdeutlicht. In diesem Textstück
erscheine das Taufverständnis verkürzt (8.74f),
und es finde sich eine „Verselbständigung di r Kthik als
menschliches Werk" (S.75).

Zunächst zur Exegese im engeren Sinn: Aus V.9 mit
seiner recht vagen Beziehung auf die Taufe (xu!h<t>mum~)
und der ganz allgemeinen .Mahnung kann man diese
Konsequenzen wohl kaum ziehen, ebensowenig jene, daß
in V. 10 der „im umfassenden Wirken Gottes begründete
Zusammenhang ... im Zerfallen begriffen" sei (S.75).
Zu V.10: Die Mahnung nnoviUmtn o.a. findet sich
durchgehend in der ntl. Paraklese, mich bei Paulus (vgl.
nur den „Wettlauf" !Kor9,24), und xkfpis bzw. ixh.yi,
dürfte hier formelhaft für das Ganze des Christenstandes
stehen, wie in 2Thess 1,11. Der folgende V.ll, nach
dem der Einzug ins ewige Reich „dargereicht" wird
(S.75), erweist ja gerade nicht, daß „in diesem Zusammenhang
nur vom menschlichen Tun und Einsatz
gesprochen* werde (S.75).

Wichtiger als diese Fragezeichen zur Exegese sind
aber Beobachtungen, die die Sachaussage und ihre Bezugsfelder
betreffen. Es fällt, auf, daß für das ,^christliche
Taufverständnis", dem das in V.9 begegnende
„inadäquat" sei (S.74), nur paulinische und deutero-
paulinische Belegstellen angeführt werden, ebenso (au 1.1er
Mt 22,14) für die zu V. I<» reklamierte umfassende Grün
dung der Heilserlangung im Wirken Gottes. Ist das vielleicht
doch symptomatisch? Was bedeutet konkret im
Blick auf das ganze NT „urchristliches Taufverständ
nis"? Dieses Beispiel ist nicht singulär. Achtet man auf