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1976

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 101. Jahrgang 1976 Nr. 12

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nächst altgläubig gebliebenen weltlichen Herrschaften und
schließlich die Behandlung der Vertreter des „linken Flügels
der Reformation". Trüdinger unterteilt den letztgenannten
Komplex chronologisch: Schwärmer und Sakramentierer bis
1530 (Zwickauer Propheten, Karlstadt. Müntzer) und ähnliche
Phänomene zeitlich danach.

Der Vf., der ohnehin in ansprechender Weise nach jedem
Abschnitt eine kurze Summierung bietet, faßt das Gesamtergebnis
folgendermaßen zusammen: „Ohne Zweifel lagen
in der weitgespannten Tätigkeit als Ratgeber und Gutachter
große Möglichkeiten der Einflußnahme auf die Entwicklung
der einzelnen Kirchen. Luther nutzte diese Stellung
aber nicht aus, um seinen Standpunkt durchzusetzen oder
um die Wittenberger Machtstellung auszubreiten. Er betrachtete
seine Weisungen nicht als allein gültig und verbindlich
, sondern verstand sie als Ratschäge, die gleichberechtigt
neben anderen stehen sollten. Anderen Reformatoren
gewährte er ausdrücklich Spielraum und Entscheidungsfreiheit
in ihrem Bereich" (S. 142). Betreffs des letzten
Urteils muß man hinsichtlich Kursachsens — wie der Vf.
selbst anmerkungsweise einräumt — allerdings einige Einschränkungen
machen.

Auch wenn man in Anbetracht mancher wiederholter Aufnahmen
des gleichen Auskunftskatalogs (etwa S. 20, 30 u. 39)
und bezüglich eines nicht ganz befriedigenden Personenregisters
Wünsche offen haben mag, wird der freundliche
Eindruck vorherrschen, von einem Teilaspekt der Biographie
Luthers her über wichtige Sachverhalte der Wilten-
berger Reformation gut informiert worden zu sein.

Berlin Joachim Rogge

Ceysscns, Lucien: Chretien Lupus O. E. S. A. Sa periode
ultramontaine 1660-1681 (Augustiniana 25, 1975 S. 293
bis 329).

Fischer, Balthasar: Friedrich Spee von Langenfeld ST
(1591-1635) (TThZ 85, 1976 S. 97-109).

Haas, Martin u. a.: Literatur zur schweizerischen Reformationsgeschich
Ic (Zwingliana XIV, 1975 S. 224-228).

Locher, Gottfried W.: Zwingiis Einfluß in England und
Schottland — Daten und Probleme (Zwingliana XIV,
1975 S. 165-209).

KIRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT

Slaehelin, Ernst: Die Christentumsgesellschafl in der Zeit
von der Erweckung bis zur Gegenwart. Texte aus Briefen,
Protokollen und Publikationen ausgewählt und kommentiert
. Basel: Friedrich Reinhardt 1974. Vlff, 737 S. gr. S°
= Theologische Zeitschrift, hrsg. von der Theologischen
Fakultät der Universität Basel, Sonderband IV.Lw. DM88,—.

Mit dem neuen Bande hat Ernst Staehelin seine 1970 veröffentlichte
Erschließung wichtigen Qucllcnmnterials zur Geschichte
der Christontumsgcscllschnft bis zur Gegenwart fortgeführt
. Das umfangreiche Werk beginnt mit einer „Chronik
der Christentumsgescllschaft", die von 1779 bis 1972
reicht und somit einen überblick über die fast zwei Jahrhunderte
umfassende Geschichte der Christentumsgescllschaft
bietet. Hieran schließt sich eine „Vorstellung der wichtigeren
Personen aus der Welt der Christentumsgesellschaft" an. in
der biographische Daten und Charakteristiken über die hervorragendsten
Vertreter und Korrespondenten aus den Reihen
der Christentumsgescllschaft vermittelt werden. Ein
„Verzeichnis der handschriftlichen Quellen und der einschlägigen
Literatur" leitet zu dem Hauplteil des Werkes über,
der wie im ersten Bande „Auszüge aus der Korrespondenz,
den Protokollen und den einschlägigen zeitgenössischen Veröffentlichungen
" zur Geschichte der Christentumsgescllschaft
in der originalen Texlgestalt enthält. Die Quellenwicdcr-

gaben beginnen mit dem Berufungsschreiben für Christian
Friedrich Spittier vom 21. 5. 1808. Sie enden mit dem unter
Nr. 576 abgedruckten Schlußwort des Präsidenten des Slif-
tungsrates der „Stiftung Deutsche Christentumsgescllschaft"
vom September 1972. Ausführliche Namens- und Orts-
registcr sowie ein Verzeichnis der mit der Christeutums-
gesellschaft in Zusammenhang stehenden kirchlichen Werke
erleichtern die Benutzung des einzigartigen Quellenwerkcs.

Das von Staehelin sorgsam zusammengestellte Quellenmaterial
vermittelt ein höchst eindrucksvolles Bild von den
zahlreichen Anregungen und Aktivitäten, die gerade im
19. Jahrhundert auf publizistischem, missionarischem und
charitalivem Gebiet von der Chrislenlumsgesellschaft ausgingen
. Schon 1802 wird als erste Tochtergesellschaft der Basler
Christentumsgescllschaft eine „Gesellschaft zur Verbreitung
erbaulicher Schriften" ins Leben gerufen. Zwei Jahre spater
wird die „Basier Bibelgesellschaft" gegründet, die bis 1896
60 Ausgaben der „Basler Bibel" herausbringt. Die Zeitschrift
der Gesellschaft, die seit 1786 unter dem Namen „Sammlungen
für Liebhaber christlicher Wahrheit und Gottseligkeit
" erscheint, bringt es auf 127 Jahrgänge und stellt erst
1912 ihr Erscheinen ein. Durch diese literarische Tätigkeit
werden die Brüder Uhle in Eisleben 1811 zur Gründung
des „Christlichen Vereins im nördlichen Deutschland" angeregt
, der „durch Verbreitung größerer Erbauungsschriften
christliches Leben im Volke zu verbreiten" beabsichtigt.

Im Jahre 1815 konstituiert sich in Basel ein Komitee zur
Errichtung einer Missionsanstalt. Als erste Gesellschaft für
Judenmission auf dem europäischen Kontinent entsteht 1820
die „Baseler Gesellschaft zur Verbreitung des Christentums
unter den Juden". Um 1828 nimmt Spittler einen Gedanken
des Basler Jünglings Vereins aul, eine „Pilgermission" zum
Leben zu erwecken. Nach manchen schwierigen Auseinandersetzungen
entsteht hieraus 1840 die „Pilgermissionsanslalt
auf St. Chrischona". Das von Basel ausgehende Missionswerk
erstreckt sich nicht nur auf Jerusalem, Abessinien und
den Kaukasus, sondern wirkt auch am Aufbau der protestantischen
Kirchen in Nordamerika mit. Zu den bekanntesten
charilativcn Unternehmungen der Christentumsgcsellschaft
gehört die 1820 eröffnete, von Christian Heinrich
Zeller geleitete Anstalt in Beuggen, der 1826 die „Griechenanstalt
" angeschlossen wird, in der bis 1832 griechische, aus
der türkischen Sklaverei losgekaufte Kinder erzogen wurden
. Im Jahre 1852 wird in Riehen die von Spittier ins
Leben gerufene Diakonissen-Anstalt eingeweiht. Die Chri-
stenverfolgungcn im Libanon und in Syrien vom Sommer
1860 rufen schließlich in Johann Ludwig Schneller den
Gedanken wach, das „Syrische Waisenhaus in Jerusalem"
zu gründen, für das sich seit 1888 auch in Deutschland ein
„Evangelischer Verein für das Syrische Waisenhaus in Jerusalem
" tatkräftig einsetzt.

Weitere Quellenstücke beleuchten interessante religiöse
Fragen der Zeit. Dazu gehört beispielsweise Spiltlers distanzierte
Haltung zu dem Wirken der Frau von Krüdener in
Basel. Ein vertrau lieber Brief Jung-Stillings an Spittler enthält
einen Bericht über eine Unterredung, die der Hofrat
Jung am 10. 7. 1814 in Bruchsal mit Zar Alexander gefühlt
hat. Aus manchen Quellen empfängt man einen deutliehen
Eindruck von der starken Persönlichkeit Johann Christoph
Blumhardts, der von 1830—37 als Lehrer an der Basier
Missionsanstalt wirkte. Aber auch Schüler des Basler Missionshauses
wie der Kaukasusmissionar Felizian von Za-
remba und Samuel Gobat, seit 1846 Bischof von Jerusalem,
gewinnen in den Dokumenten geschichtliches Profil. Daß
in den Korrespondenzen auch die Namen von Leander van
Eß, Theodor Flicdncr, Johann Evangelista Goßner, Alois
Ilenhöfcr, Johann Jakob Herzog, Albert Knapp und Johann
Friedrich Steinkopf auftauchen, bleibe wenigstens nicht unerwähnt
.

Die von Stachelin zusammengestellte und erschlossene
zweibändige Malerialsammhiinr zur Ge-chichlc der Christcn-
tumsgesellschaft stellt ohne Zweifel ein hervorragendes