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Ausgabe:

1976

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

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Neuerscheinungen

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der Interpretation voraus, aber die Bibel hal sein Denken
geformt" (S. 143f.); „Er hat die ontologiseli-vertikale Dimension
durcli die moralische Definition ergänzt. Daher ist er
auf Verantwortung und Freiheit gestoßen. Die Einstweiligkeit
der gegenwärtigen Lage wurde von Origenes durch die
Einführung einer dritten Dimension, der Zeit, aufgehist.
Zeit ohne Freiheit ist nicht Geschichte" (S. 144). Diese Formeln
sind in geschliffener Sprache niedergeschrieben, sie
Buden sieh meist im ersten Teil der Arbeit.

Die Bibliographie, das Verzeichnis der Werke des Origenes
und der Nachweis der Zitate aus denselben sind fast
fehlerfrei. (Die Neuauflage der llomilien zu Lukas und der
Kommentar dazu ist von Max Rauer nicht 1955, sondern
1959 publiziert worden.) Leider fehlen in der Bibliographie
wie in der Arbeit selbst Hinweise auf das ThWß.NT. Die
oft umfangreichen Worluntersucluingen in den fünf Schemata
bitten eine wesentliche Kürzung erfahren können.
Auch ist der im ThWBNT übliche Rückblick auf Philo nicht
in den Gesichtskreis des Vfs. getreten, was manche Allegorie
recht bald erklärt luittc.

Es bleiben aber noch andere Bedenken. Der Vf. beschränkt
sich bewußt auf eine analytische Wiedergabe der Sülze des
Origenes, Er nimmt bis auf knappe und seltene Bemerkungen
auf die Forschung keinen Bezug. Man wird diese Arbeitsweise
als eine Schwäche des Buches ansehen, andern-
teils aber nicht den Vorzug verkennen, den ganzen Origenes
in einer ungewohnten, aber eindrucksvollen Weise neu zu
hören. Die mehr als tausend sorgfältig ausgewählten und
ebenso sorgfältig wiedergegebenen Zitate aus Origenes sind
in buntem Durcheinander aus allen Schriften entnommen.
Das Schrifttum des Origenes will aber, schon weil es im
Zeitraum eines halben Jahrhundert* entstand und manche
„Nachbehandlung" erfuhr, differenziert gelesen werden.
Gleichfalls in buntem Durcheinander stehen Zitate aus der
griechischen und lateinischen Uberlieferung desselben Werkes
. Bis S. 88 werden die griechischen Texte nur spanisch
wiedergegeben, danach folgt oft in ( ) die wichtigste griechische
Vokabel. Latein ist natürlich der Standard.

Line klärende und grundsätzliche Einordnung der Werke
des Origenes in die kirchen- und geistesgeschichtliche Situation
seiner Tage wird vermißt. Ein Nachwort zu Teil II
hätte genügt. Das Namensregistcr umfaßt zwar rd. 80 Namen
, aber es fehlen z. B. Paulus, die Valentinianer. Plato,
Cyrill von Alexandria und Justin sind je lmal erwähnt,
Heracleon 2mal, Irenaeus 3mal. Das ist für eine Arbeit
von solcher Bedeutung zu wenig, vor allem, weil ein Stichwort
-Verzeichnis völlig fehlt. Das Verzeichnis der Bibelstellen
ist sehr lückenhaft. Das an sich umfangreiche und übersichtlich
aufgebaute Inhaltsverzeichnis hätte deutlichere Hinweise
geben können. So heißt es zu I, I, d: „Ägypten als
moralische Ilmwelt'', aber es findet sich in diesem Abschnitt
die recht aufschlußreiche Erörterung über die Herkunft und
Macht der Götzen. Zu III, HI heißt es: „Herkunft von Sklaverei
und Gefangenschaft"', doch steht an dieser Stelle die
höchst interessante Gegenüberstellung von Plato und Paulus
. Deshalb ist diese wichtige und große Arbeit leider zur
kurzen Information und zum Vergleich bei Einzelfragen
nicht brauchbar.

Das Lesen würde erleichtert, wenn sich eine Zusammenfassung
und Erklärung der immer wieder vorkommenden
und einander ablösenden Bezeichnungen wie allegorische
Auslegung, metaphorisch, symbolisch, figura, analogia, com-
paratio, figura umbrae, signum rei alterius, significarc
mysterium — ohne hier vollständig sein zu wollen —,
fände.

Endlich seien einige exegetische falsa oder Lässigkeiten
angezeigt. Bei Ex 12,29 (S. 122) ist der Wortgebrauch nicht
nachgeprüft. Ps 2,3 ist von Origenes und dem ihm folgenden
Vf. als Abwehr gegen die Dämonen verstanden, was
dem Psalm gänzlich widerspricht (S. 92). 1 Sam 1,1 werden
die LXX-Lesarten „erat vir unus" und „erat vir" von Origenes
und dem Vf. diskutiert, aber es wird nicht nach dem

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hehr. Text gefragt (S. 113). Ist das wohl ein Indiz, daß die
Hexapla die Geschichtsbücher des AT nicht enthielt? Eph 4,8,
versteckt in einem Zitat aus einer Hoinilie zu Exodus, ist
S. 164, Anm. 108 nicht bemerkt worden. Der Wortlaut von
Jes 48,10 (S. 44) ist nirgends in der Textüberlietcrung gedeckt
. Die Gegenüberstellung von Lamm und Schafbock
(S. 311) aus den llomilien zu Job ist nicht schlüssig. Hier
hätte der Vf. kritisch sichten müssen, weil das Lamm im
NT nirgends als Zeichen der Inkarnation, wie im Zusammenhang
verlangt, angesehen wird, sondern primär in Verbindung
mit dem Passa.

Dankbar wird dieser energische Beitrag zur patriotischen
Forschung seitens spanischer Theologie entgegengenommen,
zumal dabei die oft unausgeglichen scheinende Formelsprache
des AT mit sicherer Hand unter einen einzigen
Nenner gebracht wird.

Bremen Walter Nugcl

Campenhausen, Hans Freiherr v.: Das Bekenntnis Enschs
von Caesarea (Nicaea 325) (ZNW 67, 1976 S. 123-139).

Crouzel, Henri SJ: Les personnes de la Trinite sunt — elles
de puissance inegal selon Origene, Peri Arehon I, 3,5—8?
(Gregorianum 57, 1976 S. 109-125).

Ferrari, Leo Charles: Augustine's „Nine Years" as a Manichee
(Augustiniana 25, 1975 S. 210-216).

Merentilis, Konstantin Jo.: E threskeia tön archaion Ellenöu.
E eikön tou theiou en tö katoptrö tou archaiou ellenikou
pneumatos. (Die Religion der alten Griechen. Das göttliche
Bild im Spiegel des alten hellenischen Geistes.) Athen 1974.
27 S.

Orbe, Antonio SJ: Los apendices' de Basilides (Un capitulo
defilosofia gnöstiea) 1 Gregorianum 57, 1976 S. 81 — 107).

Smith, Morton: On the Authenticitv of Mar Saba Letter of
Clement (CBQ XXXVIII, 1976 S." 196-199).

Verheijen, L. M. J.: Contributions ä unc edition crilique
amelioree des Confessions de Saint Augustin (Augustiniana
25, 1975 S. 205-209).

— Elements d'un commentaire de la Regle de sainl Augustin
(Augustiniana 25, 1975 S. 199-204).

KIRCHENGESCHICHTE: MITTELALTER

Brett, M.: The English Church under Henry I. London:
Oxford University Press 1975. XII, 282 S. 8° = Oxford
Hislorical Monographs, ed. by B. Harvey, A.D. Macintyre,
R. W. Southern, A. F. Thompson, H. R. Trevor-Ropcr.
Lw. £ 7,50.

Die Situation der englischen Kirche unter König Heinrich
I., wenige Jahrzehnte also nach der Eroberung des
Landes durch die Normannen, hat in letzter Zeit in zunehmendem
Maße das Interesse von Forschern vor allem
des englischen Sprachraums geweckt. M. Brett hat nunmehr
die von den normannischen Eroberern geprägte englische
Feudalkirche zu Anfang des 12. Jhs. zum Gegenstand einer
eigenen Monographie gemacht. Das ist sehr begrüßenswert,
zumal der Vf. eine gründliche Untersuchung aller ihm erreichbaren
gedruckten und auch ungedruckten Urkunden
vorgenommen hat. Da er diese Untersuchungen größtenteils
an der LIniversität Auckland in Neuseeland und damit aus
der Ferne vornehmen mußte, verdient diese Arbeit unseren
besonderen Respekt. Brett geht nicht mit vorgefaßten Meinungen
an seine Analyse heran, sondern sucht die Lage der
englischen Kirche jener Zeit in ihrer ganzen Komplexität zu
erfassen. Sein Urteil ist sehr zurückhaltend, doch vermittelt
er ein durchweg überzeugendes Bild der damaligen
kirchlichen Verhältnisse. Dabei verschweigt er nicht, daß
auf Grund der in vieler Hinsicht unbefriedigenden Quellenlage
manche Sachverhalte nicht mehr eindeutig geklärt werden
können.

Theologische Liteiaturzeitung 101. Jahrgang 1976 Nr. 12