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Ausgabe:

1976

Spalte:

927-930

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Peel, Malcolm Lee

Titel/Untertitel:

Gnosis und Auferstehung 1976

Rezensent:

Tröger, Karl-Wolfgang

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Einordnung der Briefe hilft dem Vf. die Beachtung der
geographischen Gegebenheiten und der antiken Rcisege-
wohnheiten: der Gal wird so nicht an den Anfang dci
ephesinischen Aufenthaltes gesetzt, sondern ins Frühjahr 54,
er ist nach den in IKor 16,lff. erwähnten Ereignissen geschrieben
(S. 217-223).

Sind die literarkritischen und chronologischen Erwägungen
des Vfs. zur ephesinischen Korrespondenz des Apostels
noch diskutabel, so erscheinen manche Ergebnisse zur
Situation in Ephesus und Philippi allzu hypothetisch, ja
unwahrscheinlich. Wie können die Gegner in Phil l,15ff. als
Juden gelten, die Paulus bei der Behörde angezeigt haben
und ihm durch „Christusverkündigung" schaden wollen
(S. 170ff.) ? Allzu konstruiert ist die Deutung der Widersacher
in Phil 1,28 auf Christen aus Ephesus, die nach anfänglichem
Verlassen der Synagoge einen erneuten Anschluß
suchten und den Philippern um der Sicherheit willen ein
ähnliches Verhalten empfehlen (S. 184f.). Entsprechend handelt
Phil 3 von der jüdischen Agitation christlicher Widersacher
, die eine Rejudaisierung der christlichen Gemeinde
empfehlen, um so durch die Besehneidung (die Beschneidung
der Scham als Ruhm V. 19) den Rechtsschutz der Synagoge
zu erhalten (S. 192—200).

Im Rahmen dieser Ausführungen konnten nur Kostproben
der vielfältigen Überlegungen des Vfs. gegeben werden.
Durchgehend ist sein Bestrehen sichtbar, die politischen und
rechtlichen Realitäten der Zeit, die geographischen Bedingungen
wie die antiken Reisegewohnheiten zu berücksichtigen
, um so zu sachgerechteren Erkenntnissen zu gelangen,
die eine ..allzu einseitig theologiseh-religionsgesehichtliche Interpretation
der Paulusbriefe" (Vorwort) verhindert. Leider
läßt sich der Vf. aber des öfteren zu Hypothesengebäuden
verführen, deren innere Tragfähigkeit recht problematisch
ist. Eine größere Zurückhaltung wäre hier mehr gewesen.

Kiel Ulrich B. Müller

Peel, Malcolm Lee: Gnosis und Auferstehung. Der Brief an
Rheginus von Nag Hammadi. Mit einem Anhang: Der
koptische Text des Briefes an Rheginus. Ubers, v. W.-P.
Funk. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag des Erziehungsvereins
[1974]. 212 S. gr. 8°. Lw. DM 38,-.

Die Originalausgabe dieser Untersuchung über die drille
Schrift von Nag-Hammadi-Codex I erschien 1969 in Philadelphia
unter dem Titel: The Epislle to Rhegions, A
Valentinian Leiter on the Resurrection. Verlag und Übersetzer
haben für die deutsche Ausgabe die umstrittene und,
wie ich meine, unangemessene Etikeltierung dieser Schrift
als jvalenünianisch' weggelassen und den zutreffenden Titel
,Gnosis und Auferstehung' gewählt. Leider fehlt im Buch
der Hinweis, daß die deutsche Ausgabe eine Überarbeitung
darstellt, die nicht nur neuere Literatur berücksichtigt und
Informationen über die Gesamtbibliothek von Nag Hammadi
nach dem neueren Stand um 1971 enthält, sondern auch
Zitate aus noch nicht edierten Nag-Hammadi-Texten aufgenommen
hat.

Das Buch umfaßt fünf Kapitel und eine kurze Einleitung,
die als Ziel der Untersuchung „eine deskriptive Darstellung
der Eschatologie des Briefes" nennt (9); des weiteren ein
Abkürzungs- und ein Literaturverzeichnis, ein übersichtliches
Stellenregister und als ,Anhang' die fotomechanische
Wiedergabe des koptischen Textes nach der Ausgabe von
Malininc, Puecfa, Quispel u. a., wofür der Leser besonders
dankbar ist, da er in der Untersuchung bis auf wenige
Ausnahmen nur transliterierle Zitate des koptischen Originals
findet.

Kapitel I behandelt ,Das Wesen der Schrift', ihre Sprache
und Übersetzung, die literarische Form, den historischen
Hintergrund und ausführlich die Benutzung des Neuen
Testaments durch den Verfasser des Rheginusbriefes (im
flg. abgek.: Rheg). Nach Peel ist der Rheg „ein Lehrbrief

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an eine Einzelperson", dessen „Unterschriftstitel" ,Die Abhandlung
über die Auferstehung' später vom Übersetzer
(sc. aus dein Griechischen) oder Herausgeber angefügt wurde.
Die Praescriptio hingegen wurde wahrscheinlich absichtlich
entfernt (23). Mit der Person des Vfs. beschäftigt sich P.
in Kapitel V auf 24 Seiten! Dabei werden die Argumente
der Herausgeber der Textausgahe für eine Abfassung der
Schrift durch Valentinianer bzw. durch Valentinus selbst
einer ausführlichen Kritik unterzogen. Dem folgt ein Vergleich
des Rheg mit dem Evangelium Veritalis mit dem
(vorauszusehenden) Ergebnis, daß Rheg und EV „aller
Wahrscheinlichkeit nach nicht vom gleichen Verfasser
stammen" (181), schließlich ein Vergleich des Bheg mit der
Lehre des Valentinus mit dem Aufweis der „gravierenden
Differenzen". Am valentinianischen Charakter des Rheg
möchte P. jedoch festhalten. Hypothetisch heißt es am Ende
der Untersuchung (187), daß Rheg „im letzten Drittel des
2. Jhs. von einem anonymen, aber ehrwürdigen valenlinia-
nisch-christlichen Lehrer verfaßt wurde. Dieser war einstmals
mit der Lehre einer valentinianischen Schule, wahrscheinlich
der orientalischen, wohlvertraut und unterlag mit
der Zeit in zunehmendem Maße dem Einfluß seines
von Grund auf christlichen Glaubens (Her-
vorhebg. vom Rez.) und der Lehre des Neuen Testaments, vor
allem des Paulus. Das Ergebnis war eine ,Rechrisliaoisierung'
seines valentinianischen Denkens". Bei diesem Lehrer, so meint
P., stellen „die spezifisch gnostisdien Merkmale und Begriffe...
gegenüber seinem fundamental christlichen
Hauptanliegen nur Randerscheinungen dar"
(59. Hervorhebg vom Rez.). Den zu seiner Tradition gehörenden
Valentinianismus habe er, wie „die Art und Weise
des Gebrauchs gewisser valentinianischer Züge" zeige, selbst
„nicht mehr richtig verstanden"! Es sei ein „von den großen
Lehrern der Schule" schon weit entfernter, nur noch
schwacher Valentinianismus, über den der christliche Glaube
nun langsam Herr werde (186f.).

Diese Perspektive ist m. E. inakzeptabel. Erstens, weil die
Schrift nichts enthält, was ausschließlich im Valentinianismus
seinen Ort hätte. Zweitens, weil der Vf. eindeutig
von gnostischen Denkslrukturen ausgehl und diese als mit
dem christlichen Glauben (der Großkirehe) vereinbar darstellen
möchte. Daß ihm dies nur unvollkommen resp. gar
nicht gelingt, ist auch P. nicht entgangen (vgl. 37); und was
den gnostischen Grundcharakter des Rheg angeht, so ergibt
er sieh aus P.s eigenen Ausführungen (vgl. 114ff.).
Aber P. macht diesen Befund nicht zur Basis seiner Konzeption
und verbaut sich außerdem durch sein Jonglieren
mit einem vage konstruierten Valentinianismus selbst den
Weg für ein unvoreingenommenes Verständnis des Rheg.
Ist doch im Grunde jede Bemühung, die ,Lcbren' des Rheg
auf einen Nenner zu bringen, a priori zum Scheitern verurteilt
, da man den Versuch ihres Vfs., die gnostische Eschatologie
mit der christlichen Vorstellung einer Jeiblicheii Auferstehung
' zu verbinden, als mißlungen bezeichnen muß.
Wie denn jede versuchte Verbindung von Christentum und
Gnosis durch ihren unterschiedlichen Grundsatz nur zu einer
Mesalliance führen kann. Das ist es, was das Grundproblem
(freilich auch den Reiz!) unserer Schrift ausmacht. Dies
müßte sich als roter Faden durch jede Untersuchung des
Rheg ziehen. Bei P. ist das leider nicht der Fall.

Einstiger Benutzer der Nag-Hammadi-Bibliothek ist nach
P. eine „in oder bei (. . .) Chenoboskion (. . .) angesiedelte
gnostische Gemeinde sethianischer Prägung" gewesen (23).
Das ist eine kühne Behauptung, wo doch nur 11 von wenigstens
51 Nag-IIammadi-Scliriften (davon AJ in drei Versionen
) dem Sethianismus zuzurechnen sind und gerade
diese Sammlung ein interessantes Zeugnis für die unterschiedlichsten
Ausprägungen gnostischen Denkens darstellt.
Im übrigen spricht m. E. vieles dafür, daß diese Sammlung
aus einer Klosterbibliothek stammt.

Der Übersetzung des Rheg und seiner anschließenden
Analyse sowie einem ausführlichen Kommentar (60—112)

Theologische Literaturzeitung 101. Jahrgang 1976 Nr. 12