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Ausgabe:

1976

Spalte:

920-923

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

Das Lukas-Evangelium 1976

Rezensent:

Baumbach, Günther

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1)19

Theologische Literatur/.eitung 101. Jahrgang 1970 Nr. 12

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gegriffen: die Frage nach der cathedra Mosis (S. 233—238)
und der Orienlation (S. 239—201). Freilich vermag der Beitrag
von I. Keuov, „The Seat of Moses" die Alternative —
l'latz der Toraatifbcwahrung oder Sitz der Schriftgelehrten
— nicht aufzulösen, und mich Franz Landsbcrgers inate-
rinl reiche Gegenüberstellung jüdischer und allchrisllicher
archäologischer Zeugnisse „The sacred direction in Synagogue
and Church" geht iiher Bekanntes kaum hinaus. An die
Brennpunkte gegenwärtiger Arbeit führen vier Berichte
über die Ausgrabung und Erschließung synagogaler Altertümer
vor allem in Galiläa und Dura Furopos: Gideon
Focrster, „Notes on Kecent Excavations at Capernaum"
(S 90—94), Michael Avi-Yonah, „Ancient Synagogues"
(S. 95—109), Andrew Seager, „The Architecture of the Dura
and Sardis Synagogues" (S. 149—193) und Joseph Gut-
manu. „Programmalic l'ainting in the Dura Synagogue"
(S. 210—232). Besonders aufschlußreich ist hier der Bericht
von -Avi-Yonah, der an einem entlegenen Ort erschienen ist
und die Arbeit israelischer Archäologen seit 1907 einbezieht.
Die Beihe der Ausgrabungen, die neue Zeugnisse des Syn-
agogenbaus und synagogaler Ornamentik erschloß, ist beeindruckend
. Maiumas Ncapolis (bei Gaza), Ma'on (im westlichen
Negeb), Eshteinoa und Sussya (in Juda), Engidi,
Beth-Shean, dazu treten die noch kontrovers bewerteten
neuen Ausgrabungen in Kapernaum, die von italienischen
Franziskanern durchgeführt wurden. Der geographischen
Dichte entspricht eine chronologische Linie, die vom 2. Jh.
bis ins frühe Mittelalter führt. Eingefügt in diese Berichte
ist M. Hengeis zuerst ZNW 57, 1900, 145-183 veröffentlichte
meisterhafte Interpretation der Synagogeninschrift von Stobi
(S. 110-148).

Der drille Teil weitet den Blick in einen Bereich, der
auch jenseits der Fachwelt Interesse fand. Vier Beiträge aus
der Feder zweier amerikanischer Kunsthistorikerinnen fügen
sich zusammen zu einem Abriß der Geschichte des europäischen
und nordamerikanisehen Synagogenbaus vom Mit-
telalter bis ins 19. Jahrhundert. Rachel Wischnitzor untersucht
in einein zuerst 1948 erschienenen Beitrag die gegenseitige
Beeinflussung von Ost und West bei den Synagogenbauten
des 12.—18. .Iiis. (S. 205—308) und in einem weiteren
Aufsatz den in der ersten Hälfte des 19. Jhs. in Deutschland
und Nordamerika verbreiteten „ägyptischen Stil'' (S.
334—350). Die auch baugeschichtlich eindrucksvolle Tradition
des osteuropäischen Judentums mit seinen architektonischen
Zeugnissen in Prag, Kazimierz, Lemberg und Lublin
wird in ihrer Verbindung zum Westen, aber auch in ihrer
rückwirkenden Prägekraft aufgewiesen. Helen Rosenau be-
handelt das Verhältnis zur protestantischen Kirchenarchitektur
(S. 309—310) und den deutschen Synagogenbau in der
Emanzipationsperiode (S. 317—333), für den die Synagogen-
bauten Protestantisclier Baumeister wie Weinbrenner in
Karlsruhe, Semper in Dresden und Erdmannsdorff in Wör-
litz eintreten. Wem vor Augen steht, wie viele der in den
genannten Beiträgen gewürdigten und mit guten Illustrationen
vorgestellten Synagogen zerstört wurden oder heute
nur noch als Zeugen untergegangener Gemeinden fortbestehen
, empfindet den abschließenden Bericht A. Werners,
„Synagogues for Today's Jews" S. 351—359) als angemessen
, weil in die Zukunft weisend. Unterstützt durch einen
reichhaltigen Bildteil macht er augenfällig, daß in der Geschichte
der über 2000 Jahre alten Institution nach dem
Ende des zweiten Weltkrieges ein neues Kapitel begonnen hat.

Halle/Saale Wolfgang Wiefel

1 Lediglich die dem Vorwort angeschlossene Bibliographie S. XXXf.
kann mit ihren 35 (!) Titeln schwerlich genügen.

3 Vgl. die Rez. der F. S. K. G. Kuhn ThLZ 98, 1973 Sp. 285 (T.
Holtz).

3 S. Safrai, Pilgrimage to Jerusalem at the End of the Second
Temple Period, in: Studies on the Jewish Background of the New
Testament, Assen 1969, 12-21.

* Den Fund von Massada vermag er — ähnlich wie S. Hoenig —
nicht als Synagoge anzuerkennen (S. 40, Anm. 14). Eine andere Position
vertritt der im gleichen Band enthaltene Beitrag von Avi-Yonah
(S. 99).

« In der Thf.Z besprochen von Joach. Jeremias 83, 1958 Sp. 502—505
(Bd. 1—6;, 87, 1962 Sp. 922f. (Bd. 7-8), 91, i960 Sp. 429-431 (Bd.
9-11), Sp. 749 (Bd. 12).

Bornwitz, Eugene B.: The Chosen People Concept as it
Affects Life in the Diaspora (Journal of Ecumenical
Studies 12, 1975 S. 553-568).

NEUES TESTAMENT

Braumann, Georg [Hrsg.]: Das Lukas-Evangelium. Die re-
daktions- und kompositionsgeschichtliche Forschung. Darm-
stadt: Wissenschaft!. Buchgesellschaft 1974. XXIV, 436 S.
8» = Wege der Forschung, CCLXXX. Lw. DM 74,-.
Die vorliegende Sammlung bringt Aufsätze und Auszüge
aus Werken, die zwischen 1926 und 1970 erschienen sind
und besonders der Frage nach dem Anteil des dritten Evangelisten
an der Formung seines Stoffes und damit zugleich
nach seinem theologischen Profil nachgehen. In einer längeren
Einführung (S. VII—XXIV) gibt B. einen knappen
Uberblick über die Lukasforschung um die Jahrhundertwende
und eine etwas ausführlichere Darlegung der um die
Milte dieses Jahrhunderts einsetzenden redaktionsgeschichtlich
orientierten Lukasforschung, wodurch die Leklüre der
nachfolgend abgedruckten Texte erleichtert wird. Als Ziel
seines Unternehmens gibt B. an: „Die mit diesem Vorwort
gegebene referierende Einführung und die in diesem Band
vorgelegten Beiträge wollen einen (keineswegs vollständigen
) Eindruck über den Weg vermitteln, den die redaktions-
geschichtlich und kompositionsgeschichtlich arbeilende Forschung
bisher gegangen ist". Da „die Beantwortung mancher
Einzelfragen von der Erforschung des Zeit-Problems
bei Lukas" abhängt, wird „dieser Frage im vorliegenden
Band besondere Aufmerksamkeit gewidmet" (S. XXIII).

An erster Stelle der Beiträge steht ein Abschnitt aus
H. v. Baer „Der Heilige Geist in den Lukasschriften" (1926,
S. 205—210). Die in diesem Buch herausgearbeitete grundlegende
Bedeutung des Heiligen Geistes für die heilsgeschichtliche
Theologie des Lukas bestimmt die Lukasfor-
sebung bis zum heutigen Tag. Ähnlich konstitutiv sind die
Ausführungen von E. Lohmeyer „Galiläa und Jerusalem
bei Lukas" (S. 7—12; aus „Galiläa und Jerusalem in den
Evangelien", 1930, S. 41—46), in denen die theologische Bedeutung
geographischer Angaben anvisiert ist. Mit der „Geographie
der Evangelien: Fiktion, Tatsache und Wahrheit"
(S. 13-42; aus: JBL 60, 1941, S. 1-25) befaßt sich auch der
Artikel von C. C. MeCown, der aber nicht von der Frage
nach der theologischen Intention, sondern von der nach
der Tatsächlichkeit des Geschehens beherrscht wird und gegeben
Lukas mehrfach den Vorwurf „großer Geschichtsfäl-
schungen" erhebt. Dagegen dominiert die redaktionsgeschieht-
liche Fragestellung in der Lukas-Exegese H. Conzelmanns,
der in der Nachfolge R. Bultmanns den radikalen Unterschied
der lukanischen zur pauliuischen Theologie nachzuweisen
sucht. In seinem auf S. 43—63 abgedruckten Aufsatz
„Zur Lukasanalyse" (aus: ZThK 49, 1952, S. 16-33)
stellt C. „das Ausbleiben der Parusie", d. h. „das eschatolo-
gische Problem", als einen „Hauptwesenszug der lukanischen
theologischen Besinnung" heraus (S. 46), das zur Ersetzung
der Zwei-Gliederung durch die Drei-Gliederung und damit
zu einem „Stufeuweg der Heilsgeschichte'' (S. 54) geführt
hat, wofür die „geographischen Daten wichtigstes Darstel-
lungsmitter sind (S. 47). Weil sich Lukas des realen Fortschritts
der Zeit selbst bewußt ist, wird für ihn das escha-
tologische „Jetzt" der Jesuszeit „zum historischen Damals.
Und es wird im Blick auf das Ausbleiben der Parusie zum
apokalyptischen Einst" (S. 55). Wie die seit 1960 erschic-