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Ausgabe:

1976

Spalte:

916-917

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Wächter, Ludwig

Titel/Untertitel:

Jüdischer und christlicher Glaube 1976

Rezensent:

Maier, Johann

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Das test Abr isl in zwei Rezensionen A und B erhalten,
deren kürzere (B) nach E. Janssen „teilweise. . . wirklich
ein Auszug" ist2, „teilweise... ursprünglichere Abschnitte"
bzw. ältere Überlieferungen enthält (195). Das Erkennen der
m. E. weithin recht erheblichen Unterschiede wird durch den
parallelen Druck der Übersetzung3 erleichtert (augenfällig
sind sie angesichts der Lücken). Das in Palästina griechisch
abgefaßte (199) test Abr ist trotz bestimmter griechischer,
ägyptischer, parsistischer Bezüge „ein durch und durch
jüdisches Buch" (197). J. hebt vor allem die rabbinischen
Parallelen hervor, weist aber auch häufig solche in Apokryphen
und Pseudepigraphen nach« Von bestimmten rabbinischen
Entsprechungen her legt es sich für J. nahe, an
eine nicht zu frühe Abfassung zu denken; er nennt „die
römische nachchristliche Zeit" (198)''. In Einleitung und
Kommentar ist die (201—204 genannte) Literatur eingearbeitet
(bis 1971; M. Delcor, Le Testament d'Abraham [Leiden
1973]", „konnte nicht mehr benutzt werden" [202]").
Die Kommentare von Deleor und Janssen ergänzen sich gut.

Um Jahrhunderte zurück führen uns gegenüber test Ahr
die Fragmente der Exegeten, die N. Walter vorlegt. Nach
den bei Euseb aufbewahrten Stücken will Aristobulos (um
175—150 v. Chr.) — „vom Standpunkt klarer innerer Bindung
an die Thora als das Grundgesetz des Judentums aus" (26(3)
— durch Auffinden eines bildlichen Sinnes vor allem die
möglichen Anstöße eines hellenistisch beeinflußten Denkens
an den anlhropomorphen Gottesaussagen der Bibel aufheben
. In den auf dem Weg über Euseb und Clemens AI. erhaltenen
Exzerpten beantwortet Demetrius (ebenfalls Alexandriner
; um 200 v. Chr.) „Fragen um die historischen Vorgänge
, die die Bibel berichtet, und um ihren historischen
Sinn" (259); in dem Erhaltenen geht es hauptsächlich um
Fragen zur Erzväter- und zur Mosegeselüchte7. Demetrios
legt Wert „auf die Darbietung eines zusammenhängenden
chronographischen Systems" (280), nach dem z. B. auf Jahr
und Monat genaue Angaben für Ereignisse zum Leben der
Patriarchen errechnet werden, und löst mögliche Aporien
des jüdisch-hellenistischen Bibellesers auf8 (woher nahmen
z. B. die Israeliten auf dem Wüstenzug Waffen? Euseb,
praep cv 9,29,16d). Die durch pagaiie, also nicht bibelkun-
dige Exzerptorcn vermittelten Ausführungen stellen den
Kommentator weithin vor besondere Probleme zum Text
(der von den Tradenten ganz überwiegend in indirekter
Bede geboten wird) und zum Inhalt. Ähnliches gilt für das
Exzerpt aus Aristeas (vor oder um 100 v. Chr.) über Hiob,
von dem „offenbar der Nachtrag zum Hiobbuch der Septua-
ginta (Hiob 12,17b—e) abhängig" ist (293).

C. Dielzfelbinger setzt in der Einleitung (91—99) die hebräische
Abfassung der — auf dem Umweg über eine griechische
Übersetzung — nur lateinisch erhaltenen (erst seit
1950 wieder ins Blickfeld gerückten) ant bibl, einer von
Adam bis Saul reichenden Geschichtsdarstellung, zwischen
70 und 132 n. Chr. an (95). Der Autor „versucht, die... Geschichte
Israels unter der . . . Frage von Gehorsam und Ungehorsam
... zu deuten" (91). Er versteht nach D. „das Gericht
des Jahres 70" als „Aufruf zur Umkehr" (98)9. „In Reserve
gegenüber der Apokalyptik und der Gesetzeskasuistik
und in Abkehr vom kultischen Denken" wendet er sich
„dem Gesetz als Grund und Mittel des Heils" zu (98). Stehen
in der Tat die Untreue Israels und die Treue Gottes zu
dem durch ihn gewährten Bund vom Sinai in der Mitte der
ant bibl, so spielen doch auch Opfer, Priester, Feste usw.
darin eine Bolle, ebenso eschatologische Aussagen. Der Autor
steht offenbar in einer reichen religiösen Tradition und gibt
wohl zugleich auch Eigenes, etwa in Rede- und Gebetsstücken
, vielleicht auch in hymnischen Partien. — D. ist
sichtlich auf eine möglichst wörtliche Ubersetzung bedacht;
daher insbesondere erklärt sich eine nicht unerhebliche Anzahl
von Zitaten des lateinischen Textes. Ferner gibt D. bereits
Abweichungen in der schon mehrfach angezeigten neuen
Ausgabe von D. Harrington10 gegenüber der editio Kisch
(1949) an. Für sprachlich schwierige Passagen wird gege-

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benenfalls auf den vermutbaren hebräischen Text hingewiesen
, mitunter auch auf den griechischen (der weithin
durch den lateinischen durchscheint). Weitere Klärungsversuche
zu Schwierigkeiten solcher Art (die durch die handschriftliche
Überlieferung, durch die zweimalige Übersetzung,
aber auch durch den Autor veranlaßt sein können), Sach-
erläuterungen zumal durch Verweise auf Altes Testament
und Schriften des l'rühjudentums werden — wie in anderen
Heften des Gesamlwerkes — im Rahmen des räumlich Mögliehen
gegeben. Damit erhält der Benutzer über die Ubersetzung
hinaus Hilfen zum Verständnis und zu eigener
Weiterarbeit. Die Literatur ist umfassend eingesehen".

Hinsichtlich des Stellenregisters wird in den verschiedenen
Teilen des Gesamtwerkes verschieden verfahren. Mitunter
werden neben den Belegstellen der Bibel auch die im
Kommen tu genannten Stellen der sog. Pseudepigraphen, der
Texte von Qumran, der rabbinischen Schriften angeführt.
Es wäre für die Auswertung des Handbuches sehr nützlich,
wenn für einen Schlußband Begister zu allen in den Erläuterungen
verwerteten Texten erarbeitet würden (sei es
zumindest für die jeweils wichtigeren Stellen), außerdem
ein solches der Namen, die in den in JSHRZ herangezogenen
Schriften begegnen (im Notfall abgesehen von bloßen
Namenslisten). Nicht zuletzt wäre ein entsprechendes Sachregister
zu begrüßen. Mit diesem Wunsch wird die Bedeutung
des Gesamtwerkes nicht zuletzt für das Auswerten der
in JSIIRZ bearbeiteten Literatur im Blick auf die Exegese
des Neuen Testaments und das Verständnis des Urchristentums
unterstrichen.

Halle/Saale Gerhard Delling

1 Zur Literatur (170) wird außer der Edition im Rahmen der
Septuaginta C.ottingensis — in der Bar nur ein Teil eines Bandes
(XV) ist — unter Verweis auf RGG3 und Eiüfeldt, Einleitung in das Alte
Testament (31964) für die Zeit nach 1904 nur ein Titel ungegeheu
(der Ort der Diss. phil. von J. J. Batlistone ist eicht Duke, sondern
Durham, N. C).

2 Darin wäre die Vorlage allerdings stark umgearbeitet. Delcor
(s. u.) denkt an Verwendung eines gemeinsamen griechischen Originals
(14).

3 Ihr liegt die Ausgabe von James (1892) zugrunde, der auch
M. E. Stone (1972) folgte. Zu letzterem s. ThLZ 99, 1974, 508.

* Delcor (s. u.): 1. Jh. n. Chr.; spätere Spracheigentümlichkeiten
könnten durch eine Überarbeitung erklärt werden.
5 Dazu 8. ThLZ 100, 1975, 509f.

8 Ebensowenig die Sammlung von Referaten in R. A. Kraft (Hffy.)«
Septuagint and Cognate Studies 2 (1972), s. ThLZ 99, 1974 , 669.'

7 Ein Fragment bezieht sich auf die Chronologie der Königszeit.

' Auch die chronologischen Berechnungen zielen darauf ab, die Zuverlässigkeit
alttestamentlicher Berichterstattung zu erweisen, 8. etft-»
Euseb, praep ev 9,29,2f.

9 D. vermutet, daß nnt bibl ursprünglich die Geschichte Israels bis
zur Katastrophe von 587 v. Chr. umfaßte.

10 Vgl. ThLZ 100, 1975, 155f. Sources chretiennes 229, Paris 1976.

11 99f. ist nur die wichtigere angeführt, mehr folgt in Anmerkungen.

Wächter, Ludwig: Jüdischer und christlicher Glaube. Vier
Vorträge. Berlin: Evang. Verlagsanstalt u. Stuttgart: Calwer
Verlag [1975]. 75 S. 8° = Aufsätze und Vorträge zur
Theologie und Beligionswissenschaft, hrsg. v. E. Schott u.

H. Urner.

Die ursprünglich für ein breiteres Publikum und mit
Blick auf das christlich-jüdische Verhältnis von heute verfaßten
Vorträge geben — um wissenschaftliche Anmerkungen
bereichert — einen klaren und reich belegten Uberblick über
folgende Themen:

I. „Jüdisches und christliches Messiasverständnis" (S.
9—25). Skizziert wird der atl. und frühjüdische Befund
(wobei die geläufige Gegenüberstellung zwischen nationalpartikular
-politisch einerseits und transzendent etc. andrer-
soiis vielleicht doch ein christliches Klischee zurückprojiziert).
Die Beschreibung des christlichen Messiasverständnisses enthält
leider keinen Hinweis auf den entscheidenden kontroversen
Punkt, das Gottessohn-Thema. Der Schlußteil über
das jüdische Messiasverständnis der nachtalmudischen Zeit

Theologische Literaturzeitung 101. Jahrgang 1976 Nr. 12