Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1976

Spalte:

910-912

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Seybold, Klaus

Titel/Untertitel:

Das Gebet des Kranken im Alten Testament 1976

Rezensent:

Seidel, Hans

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

909

Theologische Literaturzeitung 101. Jahrgang 1976 Nr. 12

910

stische und römische Zeit. Auch in den folgenden Beiträgen
werden sowohl der weitere Verlauf der wechselvollen Geschichte
Palästinas bis ins späte Mittelalter nachgezcichnel,
als auch die archäologischen Zeugnisse dargestellt (Bauten
der byzantinischen und arabischen Zeit, der Kreuzfahrer
und der Mameluken).

Im dritten Haupltcil (S. 463—684) „Aspekte der materiellen
Kultur" behandeln acht Autoren in 17 Beiträgen die ganze
Breite des damaligen wirtschaftlichen, künstlerischen und
sozialen Lebens, wobei die alttestamentlichen Zeugnisse sehr
ausgiebig verwertet werden. Hier hat Zdislaw Kapera die
meisten Einzelbeiträge verfaßt, nämlich zu den Themen:
Tierzucht, Ackerbau, Garlen- und Obstbau, Bergbau, Metallverarbeitung
, Tüpferei, Weberei und Färberei, Gerberei, Glaserzeugung
, während andere Autoren die Themen Siedlungsformen
, Gelreideverwertung (Mahlen) und Brotbacken, Malerei
, Siegel, Elfenbeinschnitzereien, Musik und Musikinstrumente
, Handelsbeziehungen und Maßsysteme, sowie Geldwesen
behandeln.

Der vierte Ilauptteil (S. 697—823) ist dem Thema ..Religiöses
Leben und seine sakralen Institutionen" gewidmet.
Hier haben vier Autoren außer einer Einleitung in die
Problematik Beiträge zu folgenden Unterthemen geliefert:
„Heiligtümer im Land Kanaan aus der Zeit vor der israeli-
tischen Einwanderung" (G. R. H. Wright), „Kultstätten in
der Eisenzeit und in griechisch-römischer Zeit", „Synagogeubauten
auf dem Gebiete des antiken Palästina", „Kultgeräte
und andere sakrale Uberreste", „Formen der Leichenbestattung
" und schließlich zwei Beiträge zur Bedeutung der Archäologie
für die alt- und neutestamentliche Wissenschaft.

Den Abschluß bilden zwei Anhänge, nämlich ein „Abriß
der Numismatik" (S. 825—833) und ein „Abriß der Epigrn-
phik des antiken Palästina im zweiten und ersten vorchrUt-
lichen Jahrlausend" (S. 835—871). Ein „summary" in englischer
Sprache (S. 877—879) informiert über Absicht, Autoren
und ihre Themen.

Es würde zu weit führen, auch noch auf die Untergliede-
rung der Beiträge im einzelnen einzugehen, wenn auch erst
dann die ganze behandelte thematische Breite voll erkennbar
würde. Nur soviel sei gesagt: Bei der Darstellung werden
jeweils sowohl die Ergebnisse der archäologischen Grabungen
als auch die Aussagen der literarischen Quellen
herangezogen, z. B. der Funde von Ugarit, des Alten und
Neuen Testaments einschließlich der alttestamentlichen Apokryphen
und Pseudcpigraphen, der Qumranliteratur, der
Schriften Philos und Josephus' sowie der rabbinisclien Literatur
. Auch auf mögliche Beziehungen zwischen den qum-
ranischen Essenern und Jesus wird eingegangen.

Was allerdings bei einem solchen Sammelwerk kaum zu
vermeiden ist, das sind gewisse Überschneidungen und damit
auch Wiederholungen. So wird beispielsweise im ersten
Ilauptteil in dem Beitrag „Historische Geographie" bereits
ein kurzer Abriß der Geldlichte Palästinas vom 3. vorchristlichen
Jahrlausend bis in die Gegenwart geliefert, der im
zweiten Ilauptteil in den Beiträgen mehrerer Autoren, wenn
auch in bedeutend erweiterter Form, wiederkehrt. Auch in
dem ..Abriß der Numismatik" wird zu einem großen Teil
das wiederholt, was bereits in dem Beitrag „Bedeutung der
archäologischen Grabungen für die Entwicklung der neu-
lestamentlichen Wissenschaft" zu der Erwähnung von Geld
und Münzen im Neuen Testament und zu den Münzfunden
bei den Grabungen in Qumran und Masada gesagt wurde.
Ahnliches gilt für den Abriß der Epigraphik. Auch hier wird
teilweise wiederholt, was bereits in früheren Beiträgen ausgeführt
wurde. Als Beispiele seien nur die doppelte Behandlung
der Mcschastele aus Moab, der Ostraka aus Samaria
und der Siloah-Inschrift genannt.

Aber solche Überschneidungen mindern den Gesamtwert
des vorliegenden Sammelwerkes in keiner Weise. Dem
Herausgeber ist es gelungen, mit Hilfe der herangezogenen
Mitautoren und sonstigen Mitarbeiter ein Standardwerk
zu schaffen, das dem gegenwärtigen Stand der Forschung für

alle Interessenten, die der polnischen Sprache mächtig sind,
entspricht. Darüber hinaus ist im Vorwort des Herausgebers
davon die Rede, daß eine englische Ausgabe des Werkes
vorgesehen ist. Wenn nicht die Sprachbarriere bestehen
würde, wären dem Werk viele Leser auch noch anderer
Muttersprachen zu wünschen.

Berlin Joachim RohJe

Seybold, Klaus: Das Gebet des Kranken im Allen Testament
. Untersuchungen zur Bestimmung und Zuordnung
der Krankheits- und Heilungspsalmen. Stuttgart—Berlin—
Köln-Mainz: Kohlhammer [1973]. 208 S. gr. 8° = Beiträge
zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament.
5. Folge, hrsg. v. K. H. Rengstorf u. L. Rost, 19. Kart.
DM 62,-.

Mit diesem Buch legt der Vf. seine überarbeitete Habilitationsschrift
(Kiel 1971/72) vor. Die Einleitung bietet einen
Überblick über den Stand der Diskussion zum Thema
„Krankheits- und Heilungspsalmen". Diese Diskussion habe
bisher zu keinem befriedigenden Ergebnis geführt. Die offensichtlichen
Schwächen der verschiedenen Versuche hätten
ihre Ursachen in den unzureichend fundierten und abgesicherten
Voraussetzungen. Zu den unbefriedigend gelösten
Problemen gehöre die Bestimmung der Krankheits- und
Heilungspsalmen, die Klärung der rituellen und institutionellen
Zusammenhänge bei Krankheit und Heilung und die
Zuordnung der Psalmtexte zu rituellen und institutionellen
Gegebenheiten.

Im ersten Teil der Untersuchung (S. 17—76) sucht der Vf.
die für die Bestimmung der Krankheits- und Heilungspsalmen
notwendigen Kriterien zu erarbeiten. Er unterscheidet
primäre Kriterien (Sprach- und Vorstellungsformen)
und sekundäre, ergänzungsbedürftige Kriterien (soziale und
religiöse Bcgleil- und Folgeerscheinungen). Die primären
Kriterien bilden die Grundlage der Bestimmung. Die Untersuchung
geht „von den durch sprachliche Elemente der verschiedenen
Kategorien bezeichneten Texten aus und sucht
sie durch Determination und Kongruenzbestimmung in ihrem
Sichcrheilsgrad zu fixieren. Sie zieht weiter alle durch Aufweis
irgendwelcher Anzeichen sprachlicher oder vorstellungsmäßiger
Art verdächtigen Texte heran und sucht sie in ihrer
besonderen Konstellation einzuordnen. Sie prüft zuletzt alle
in der Forschung in diesem Zusammenhang noch diskutierten
Psalmen, ob sich eine gewisse Wahrscheinlichkeit ergibt
oder ob die Aussagen darüber nicht ausreichen" (65). So
ergibt sich folgendes Bild: Als Krankheits- und Heilungs-
psalmen lassen sich bestimmen: Mit Sicherheit Ps. 38; 41;
88; Ps. III (syr. 3), mit relativer Sicherheit Ps. 30; 39; 69;
102; 103 und" Jes. 38.9-20, mit Wahrscheinlichkeit Ps. 6;
13; 31; 32; 35; 51; 73; 91.

Im zweiten Teil (S. 77—164) wird die Funktion und
Struktur dieser Krankheits- und Ileilungspsalmen untersucht
. Zwei typische Beziehungen werden sichtbar: Die Beziehung
zwischen Krankheit und Buße und die Beziehung
zwischen Heilung und Sündenvergebung. Es eröffne sich
die Möglichkeit, ,.in diesen vorgegebenen institutionellen Vollzügen
jene Situationen zu erkennen, welche als Lebensbereich
für die Psalmen in Frage kommen" (77). Der Versuch
einer Rekonstruktion der sozialen und religiösen Restitution
eines Kranken ergebe folgendes Bild: Der Geheilte,
der als Büßer das Heiligtum aufsucht, unterzieht sich einem
Reinigung*- und Sühneverfahren. Es folgt ein Gemeindegottesdienst
, in dessen Mittelpunkt die Feier der Theo-
phanie steht. Den Abschluß bildet die Rekapitulation der
dem einzelnen in der Heilung widerfahrenen göttlichen Heilszuwendungen
im Rahmen einer Opfermahlfeier. Für die
Krankenpsalmcn ergebe sich in der Regel eine Zuordnung
zu den außerhalb des Kultes auferlegten Bußleistungen,
während die Ileilungspsalmen der offiziellen Restitutions-
praxis am Heiligtum zugehören.