Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1976

Spalte:

869-870

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Röer, Hans

Titel/Untertitel:

Heilige - profane Wirklichkeit bei Paul Tillich 1976

Rezensent:

Langer, Jens

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

Sil'.)

Theologische Literaturzeitung 101. Jahrgang 1976 Nr. 11

870

Roer, Hans: Heilige-profane Wirklichkeit bei Paul Tillich. Ein

Beitrag zum Verständnis und zur Bewertung des Phänomens
der Säkularisierung. Paderborn: Verlag Bonifacius-
Druckerei 1975. 316 S. gr. 8° = Konfessionskundliche und
kontroverstheologische Studien, hrsg. vom Johann-Adam-
Möhler-Institut, XXXV. Lw. DM :!6.—.

Der wohlausgestattete Band gehl auf eine 1072 an
der theologischen Fakultät der Gregoriana abgeschlossene
Dissertation zurück, deren ,,ursprüngliche(r)
Text" für diese Publikation ..kaum verändert (wurde)"
(Vorwort). Vf. erwähnt dankbar die Professoren Ate-
zeghy und Witte, die seine Arbeit begleitet haben.

Zwei Fl auen, die Vf. am Ende als eine einzige sehen
möchte, stellen im Mittelpunkt: In welchem Zusammenhang
steht die Religion, besonders die christliche,
mit dem Säkularisierungsprozeß? Wie ist dieser Prozeß
t heologisch zu beurteilen I Tillichs Antworten auf diese
Fragen soll die Untersuchung ..verstehen und windigen
helfen" (13). Methodisch arbeitet Vf. vorwiegend syste-
matisch-theologisch; falls nötig ,auch historisch-genetisch
, Gewissenhaft wird die Untersuchung in Gang
gehalten und auch vorangetrieben; gleichwohl läge
eine Straffung im Interesse des Lesers. Letzteres gSl
besonders für die langen Referate Tillichscher Gedankengänge
, deren Kenntnis beim Leser einer solchen
SpezialStudie wohl vorausgesetzt werden darf.

Wie gesagt, die beiden Arbeitsfragen werden vom Vf.
als letztlich eng miteinander verbunden, ja im Grunde
als eine einzige verstanden. Die Antwort darauf wird
mit Tillich so gegeben: Die menschliche Existenz als
endliche Freiheit ruft die Säkularisierung notwendig
hervor und führt zur Entfremdung vom Ursprung; der
Glaube als Wirken des Heiligen Geistes macht den
Menschen fähig, sich selbst auf Gott hin zu übersteigen
und die Transparenz der Welt für Gott zu erfahren.
Dabei ist Vf. die Unterscheidung zwischen einem engeren
und einem weiteren Rcligionsbegriff wichtig.
Religion im engeren Sinne ist die von der Institution
geprägte. Bemerkenswert ist. daß der katholische Autor
die Infragestellung der institutionalisierten Religion
offensichtlich mit Tillich nicht auf Schäden des Protestantismus
zurückführen will, sondern die Problematik
umfassend versteht. Was diesem Prozeß wirklich
gewachsen erseheint, ist die Substanz des unbedingten
Anliegens, das für den weiteren Religionsbegriff charakteristisch
ist. Hier liegt auch die Antwort auf die
zweite Frage bzw. auf den zweiten Teil der Gesamtfrage
.

Gegenüber der breit gefächerten Darstellung der
Tilliehschen Gedanken nehmen die kritischen Anfragen
einen bescheidenen Raum ein. Sie haben jedoch ihr
(iewiehl. Hat Tillich in seiner in der Sache begründeten
Furcht vor Vcrgötzung des Endlichen die Bedeutung
desselben wirklieh zureichend beschrieben? Vermag er
,,der Geschichte als Ort der Heraufkunft des unableit-
bar Neuen" (290) gerecht zu werden, wenn er die creatio
in das Schema eines zwar tragischen, aber seiner Meinung
nach notwendigen Prozesses einordnet, so daß die
Gefahr eines ewigen Kreislaufs gar nicht so fern liegen
dürfte, wie es die Gegenerklärungen im gesamten Werk
nahezulegen versuchen ? Daher erscheint auch das
Individuum aufgrund seines grundsätzlich-tragischen
Widerspruchs gegen seinen Ursprung doch vorwiegend
negativ.

So werden wir auf die Problematik von geschichtlichein
und ontologischem Denken hingewiesen und

gedrängt, uns in diesen Grundfragen sachgemäß zu

entscheiden.

l'nd schließlich: Tillichs Vorgehen erscheint Vf. so
lange effektiv, als die berechtigte Autonomie der Kultur
gegenüber den Anmaßungen entarteter Religion
vertreten werden soll. Durch die von Tillich behauptete
Koinzidenz von creatio und lapsus wird dagegen der
grundsätzlichen Selbständigkeit des Menschen schwerlich
theologisch adäquat zu entsprechen sein. Sic aber
wird gefordert, jedenfalls gelebt. Gefährden die idealistischen
und mystischen Fundamente bzw. Rudimente,
die Zeitgenossensehaft des Theologen Tillich. sowie die
Antworten, die in seiner Gefolgschaft gegeben werden,
in ihrer Situationsgemäßheil i

Ein sorgfältig gearbeitetes, teilweise zu straffendes,
aber immer ironisches Buch, das wir mit brennenden
Fragen aus der Hand legen.

Berlin Jva* langet

Beinerl, Wolfgang: Christus und der Kosmos. Perspektiven zu
einer Theologie der Schöpfung. Freiburg-Basel-Wien: Herder
[1974]. 128 S. 8° = Theologisches Seminar. Kart. DM
14,80.

Das Buch aus Vorlesungen, die im Rahmen einer
Ferienakademie vor Studenten verschiedener Fakultäten
gehalten worden sind, entstanden. Es befragt die
Heilige Schrift als primäre Glaubensquelle, aber eilt
sodann durch die Geschichte der Theologie, um festzustellen
, ob und welche Resonanz die biblischen Texte
gefunden haben. Endlich macht es den Versuch, die
Recherchen der historischen Untersuchung auszuwerten
und systematisch einzuordnen.

Der Bund ist der innere Grund der Schöpfung. Im
Vergleich mit den außerbiblischen Weltentstehungs-
lehren fällt aber der Wortcharakter des Sohöpfungs-
aktes auf. Der Mensch wird ins Dasein gerufen und im
An-Spruch Gottes inthronisiert.

Das Verständnis der Welt im Alten Testament
spricht sieb in der Liturgie Altisraels, in antipolytheistischer
Apologie, in ethischer Belehrung und in pro-
phetisch eschatologischen Aussagen aus.

Schöpfung ist präsentisches Tun Gottes, um die
Welt und den Menschen zu retten. Die Rückkehr aus
Babylon wird z. B. als Neuschöpfung Gottes verstanden
. Der Anbruch der messianischen Herrschaft ist die
Wiederherstellung des einstigen Schöpferfriedens, der
im Paradies geherrscht hat, und der Auferstehungsglauben
aus der Schöpfermacht Gottes begründete

Die Urgemeinde übernimmt die alttestamentlichen
Vorstellungen zunächst ohne weiterreichende Reflexion
. Die Welt steht unter Gottes Herrschaft. Paulus
begründet ethische Forderungen aus der Sohöpfungs.
theologie. In den Briefen wird aber Christus ausdrücklich
als die wirkursächliche, die exemplarische und die
finale Ursache der Schöpfung gezeichnet. Christus als
Herr und Mittler der Schöpfung geht die höchstmögliche
Verbindung mit der Schöpfung ein, indem er
selber Mensch wird. Er ist „kefalaion', Summe, Inbegriff
der Schöpfung. Durch die Menschheit in der
Kirche ist bereits die ganze Welt unter die Herrschaft
Christi gekommen, das wird mehr und mehr offenbar.
Das Weltall ist durch Gottes machtvolles Wort getragen
, es hat sein Zentrum in Christus, der als der Präexistente
zum universalen Mittler bei Schöpfung, Erlösung
und Vollendung gesetzt ist. Er ist Vollender des
Alten Testamentes, er ist der Kyrios, der von Anbeginn
an mit dem Vater im Heiligen Geist der Liebe die
Schöpfung geplant hat, der in der Fülle der Zeiten sie
erlöst hat und als der Erhöhte sie der Gemeinschaft
mit Gott entgegenführt.

An solche neutestamentlichen Gedanken knüpfen
die Theologen de)' L'rkirche an. Den weitaus bedeutend-